Schweinepest, BSE, Corona: Wie ein Detmolder Amt 100 Jahre Verbraucherschutz sichert

Kreis Lippe. Mit einem großen Tag der Offenen Tür einschließlich Ministerinnen-Besuch feiert das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Ostwestfalen-Lippe (CVUA-OWL) in der Detmolder Westerfeldstraße am Freitag, 12. September, seinen einhundertsten Geburtstag. Es ist ein Amt, das immer wieder flexibel, manchmal über Nacht, auf Entwicklungen reagieren muss, sagt Vorstand Dr. Ulrich Kros.

Herr Dr. Kros, wir haben einige der CVUA-Abteilungen in den vergangenen Wochen in der LZ vorgestellt, und es ist klar geworden: Es geht bei Ihnen im Amt um die Gesundheit von uns allen, um Verbraucherschutz, um Tierdiagnostik... mithin um Themen extrem nah an uns Bürgern. Ich habe den Eindruck, die Themen enden nimmermehr. Ihr Arbeitsplatz ist sicher, oder?

Dr. Ulrich Kros: Ja, unsere Themen bleiben wichtig und bescheren uns tatsächlich sichere Arbeitsplätze. Aber deshalb lehnen wir uns nicht gemütlich zurück und sind eigentlich nie zufrieden mit dem Status Quo. Genau das spornt uns an.

Warum? Weil es immer neue Krankheiten gibt? Weil die Bedingungen sich ändern?

Dr. Ulrich Kros: Es gehört zu unserem wissenschaftlichen Anspruch dazu, sich nicht auf dem, was gerade ist, auszuruhen. Wir hinterfragen uns immer, ob und wie wir etwas besser machen können. Mit welchen Geräten? Wo ist Expertise einzuholen? Wie vernetzen wir uns? Bei uns gilt insofern tatsächlich: Stillstand ist Rückschritt.

Sind die Herausforderungen immer schon so rapide gewachsen wie in diesen Zeiten? Mir scheint, Sie haben in allen Bereichen mehr zu tun, ob es um Massentierhaltung, um die Bedrohung durch die Afrikanische Schweinepest oder um Billigspielzeug aus China geht.

Dr. Ulrich Kros: Es mag so sein, dass es immer vielfältiger wird. Aber wir mussten immer schon ad hoc reagieren. Nehmen Sie die Reaktorkatastrophe Tschernobyl 1986: Wir haben kurz darauf einen Strahlenmessplatz eingerichtet, der bis heute betrieben wird. Oder nehmen Sie BSE. Cindy – im Winter 1996/97 der vermeintlich erste originäre Deutschland-Fall, der alles verändert hat - ist hier entdeckt worden. Wir haben danach quasi über Nacht einen Laborbereich aus dem Boden gestampft, um die BSE-Diagnostik im großen Stil durchführen zu können. Der Glykolwein-Skandal 1985, die Pferdelasagne 2013 - all diese Ereignisse haben dazu geführt, dass wir unseren aktuellen Arbeitsschwerpunkt immer etwas verschoben und uns dem Erforderlichen angepasst haben.

Bei Corona waren Sie auch schnell gefragt.

Dr. Ulrich Kros: Wir haben ganz schnell, viel früher als manch ein humanmedizinisches Labor, auf das Virus untersuchen können. Auch einige Tiere können sich ja mit Coronaviren infizieren. Plötzlich mussten wir die Tierseuchendiagnostik hintenanstellen und Humanproben auf das Virus untersuchen. Grundsätzlich macht das ja keinen Unterschied.

BSE, Corona Wenn Sie so schnell reagieren mussten: Waren und sind die Ressourcen da? Technisch, finanziell?

Dr. Ulrich Kros: Es ist immer gelungen, Personal kurzfristig umzuschichten. BSE ist ein gutes Beispiel: Wir konnten damals mit Rückendeckung des Landes kurzfristig Personal einstellen. Es gelang, eine Infrastruktur aufzubauen, um die entnommenen Hirnstämme zu uns zu bringen, über Nacht zu untersuchen und das Ergebnis bereitzustellen, eine Riesen-Datenbank aufzubauen. Solche Unfälle/Katastrophen sind immer Innovatoren.

Das ist erst einmal eine Herausforderung an die Wissenschaft.

Dr. Ulrich Kros: Ja. Wir können beileibe nicht alle alles, aber wir sind gut vernetzt. Und wir wissen, wie wir unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen schulen müssen, damit es läuft. Gewisse Abläufe sind per se genau festgehalten. Das verlangt unser Qualitätsmanagement.

Es gibt also Systematiken. Wenn morgen früh eine neue Hühnerkrankheit auftaucht, wissen Sie, wie Sie vorgehen.

Dr. Ulrich Kros: Was wir an Apparaten haben, an Expertise, das wissen wir. Alles andere stimmen wir mit den Veterinärämtern, für die wir tätig sind, und mit dem Land ab. Um es einmal am Beispiel der Afrikanischen Schweinepest zu erklären, die vor Kurzem in den Kreisen Olpe und Siegen-Wittgenstein bestätigt wurde: Wir sind in engem Kontakt zum Untersuchungsamt in Arnsberg. Wir beteiligen uns am vom Ministerium vorgeschriebenen Monitoring von tot aufgefundenen und erlegten Wildschweinen auf ASP. Wir sind darauf vorbereitet, unsere Kapazitäten im Fall eines Ausbruches in unserer Region zügig hochzufahren. Im Falle von Tierseuchen handeln wir immer im engen Austausch mit allen beteiligten Behörden! Wir können Krise.

Anderes Thema: Als ich vor ein paar Wochen hier im Haus unterwegs war, wurde mir klar, wie viel Sie mit dem Aufkommen des ganzen Plastikzeugs und anderem Schrott von Temu, Alibaba und so weiter aus China untersuchen müssen. Ein relativ neues Aufgabenfeld.

Dr. Ulrich Kros: Bei den sogenannten Bedarfsgegenständen ist tatsächlich viel aus dem Internethandel dabei. Die billigen Sachen landen zum Teil bei uns, da geht es beispielsweise um Keramik und Glas, auch um Schmuck oder Textilien. Die Belastung mit Schwermetallen oder anderen unerwünschten oder unzulässigen Stoffen kann da ein Thema sein. Die fünf CVUÄ in NRW haben das aufgeteilt. Wir haben vor allem Bedarfsgegenstände, die mit Schleimhäuten oder dem Körper in Kontakt kommen - Textilien, Schmuck, Uhren, Geschirr und Gläser. Davon wird natürlich viel importiert und mittlerweile im Internet gekauft.

Kommen Sie da noch hinterher?

Dr. Ulrich Kros: Wir versuchen das! Wir handeln zum einen nach einem mit dem Land und den Kreisen abgestimmten Probenplan. Zum anderen erreicht uns vieles, was anlassbezogen ad hoc vor Ort genommen wurde. Da haben wir manchmal schon Probleme, die Proben zeitgerecht zu untersuchen. Eine intensive Untersuchung braucht seine Zeit.

Zum Beispiel?

Dr. Ulrich Kros: Tabak. E-Zigaretten überschwemmen uns. Was ist da drin? Ist es registriert? Ist das erlaubt, verzollt, technisch in Ordnung? Der Markt in Sachen Tabak ist sehr innovativ. Was wir heute reglementieren, hat die Industrie gestern schon verändert. Dann müssen wir das erneut beurteilen. Die Industrie bringt immer etwas Neues heraus.

Haben Sie denn eine Handhabe, so etwa zu unterbinden?

Dr. Ulrich Kros: Wir direkt nicht, wir verstehen uns als sachverständige Dienstleister. Aber wir geben den Kolleginnen und Kollegen der Vor-Ort-Behörden, die für die eigentliche Überwachung zuständig sind, mit unseren Gutachten die Argumente, die sie benötigen, wenn sie zum Beispiel etwas vom Markt nehmen müssen. Das gilt etwa bei Süßwaren, etwa Hartzuckerbällen, die, wenn sie verschluckt werden und eine gewisse Größe haben, die Speiseröhre verschließen können. Da gibt es Maße für den Durchmesser, die diese Produkte haben dürfen. Da hängen unter Umständen Leben dran. Unsere Ergebnisse teilen wir den Kreisen mit, raten Ihnen, zu warnen. Die Folge können Lebensmittelwarnungen der betroffenen Unternehmen oder der zuständigen Behörde sein.

Da geht es um Produkte, die schon verkauft sind?

Dr. Ulrich Kros: Genau. Es reicht übrigens manchmal schon aus, dass etwas nur falsch gekennzeichnet wurde, womöglich aus Versehen. Etwa alkoholisches als alkoholfreies Bier auszuzeichnen, ist ein triftiger Grund, eine ganze Charge Bier zurückzurufen und davor zu warnen. Die Lebensmittelunternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Produkte den rechtlichen Vorgaben entsprechen. Sie tragen die Hauptverantwortung. Als amtliche Lebensmittelüberwachung sind wir die Kontrolle der (Eigen-)Kontrolle. Und wir tragen dazu bei, dass das Verbraucherschutzniveau in Deutschland und der EU mindestens so hoch bleibt, wie es ist.

Sie haben jedenfalls keine Aufgabe, die in weiteren 100 Jahren erledigt sein wird.

Dr. Ulrich Kros: Nein, Tiergesundheit, gesundheitlicher Verbraucherschutz und der Schutz vor Täuschung werden wichtige Aufgaben bleiben, die staatliches Handeln auch auf der Ebene der Labore erfordern. Wir werden unsere Arbeit auch in den nächsten 100 Jahren motiviert und engagiert erledigen!

Zur Person Dr. Ulrich Kros , Tierarzt, 55, ist seit 1. Januar 2018 im Vorstand des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamtes Ostwestfalen-Lippe, seit November 2021 als Vorstandsvorsitzender, also Leiter des Amtes. Zuvor war Dr. Kros Amtstierarzt im Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt des Kreises Lippe.

Die Geschichte des Instituts Die Geschichte an der Westerfeldstraße in Detmold, dem Sitz des CVUA, beginnt 1991, doch angefangen hatte alles bereits am 1. Juni 1925 mit dem &bdquo;Bakteriologischen Fleischuntersuchungsamt der Staatlichen Auslandsfleischbeschaustelle Gütersloh“, das 1933 zum &bdquo;Staatlichen Veterinäruntersuchungsamt“ (SVUA) wurde. Den Zweiten Weltkrieg überstand es unzerstört, die Arbeit beschränkte sich aufgrund von Beschaffungsschwierigkeiten bei Material und Chemikalien auf Not- und Behelfslösungen. Danach wuchsen Belegschaft und Probenzahlen schnell an, sodass ab 1949 ein Neubau geplant wurde. Der Umzug nach Detmold in die Berliner Allee erfolgte 1952. Aufgaben rund um Verbraucherschutz und Tierkrankheiten nahmen rasant zu, wie Dr. Birgit Beneke berichtet. &bdquo;Der Umzug erfolgte im November 1993. Gerade rechtzeitig vor steigenden Untersuchungszahlen aufgrund von Schweinepestausbrüchen oder ganz neuen Herausforderungen“, so die Fachtierärztin für Lebensmittel.

Im Nachgang zur BSE-Krise wurde der gesundheitliche Verbraucherschutz in Deutschland und Europa neu ausgerichtet, was unter anderem zur Zusammenlegung des SVUA mit den Chemischen Untersuchungsämtern Bielefeld und Paderborn führte. Schnell zeigten sich die Vorteile dieser Zusammenarbeit, sodass im Jahr 2008 das CVUA-OWL gegründet wurde. Der Erweiterungsbau wurde Anfang 2011 bezogen.

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