Dörentrup-Bega. Bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris hat das deutsche Mixed-Team mit Michelle Kroppen und Florian Unruh die Silbermedaille geholt – im Bogenschießen. Und damit die Aufmerksamkeit kurzfristig auf diese Sportart gelenkt. Gemeinhin fliegt der Bogensport unter dem Radar. Obwohl mittlerweile viele Fußballplätze von Bogensportlern übernommen worden sind, wenn es bei den Kickern zu Fusionen kam. Ein Beispiel: Bega. Einst wurden dort Bundesligakicker zu Freundschaftsspielen begrüßt, seit Jahren ist der Platz allerdings die Heimat der Bogenschützen. Kein Einzelfall - eine Spurensuche. Fußball läuft in Bega längst zusammen mit den Kickern im Nachbardorf Humfeld. Der Platz in Humfeld hatte nicht nur große Vorteile hinsichtlich des Pflegeaufwands, aber womöglich war es ein Knackpunkt, wo man denn künftig die Elfmeter versenken wollte. Für den Rasenplatz in Bega begeisterten sich schnell die Bogenschützen. Heute können Autofahrer schon auf dem Weg nach Sommersell die teilweise bunten Scheiben auf dem Platz sehen. Gerd Willemsen ist der Macher im Hintergrund und kann bestätigen: „Das Gelände ist nach wie vor 122 mal 68 Meter, es steht auch noch ein Tor an der Waldseite. Unsere 35 Scheiben werden wir im Winter allerdings wieder reinholen. Über Monate wäre es bei Schnee und Regen keine gute Idee, sie draußen zu lassen.“ Übrigens: Die Rasenpflege und die Nutzung des Sporthauses sind ebenfalls bei den Bogenschützen angesiedelt. Bega ist also ein typisches Beispiel, wo sich für einen Fußballplatz nach einer Fusion noch eine Zukunft entwickelt hat. Ganz anders lief es bekanntlich in Wahmbeckerheide. Der dortige Rasenplatz wurde wieder zu einem Acker für die Landwirtschaft untergepflügt, das Sporthaus abgerissen. Ist Bogenschießen trendy? Wer mit dem Sport beginnt, taucht erst mal in eine völlig neue Welt ein. Anfänger erfahren meist in rechter kurzer Zeit, wo es noch überall Bogensportanlagen gibt, wo es Shops für den Bogensport gibt, wer Sehnen baut oder wie viele Turniere im Breitensport-Bereich es eigentlich gibt. Der Anfänger findet auch plötzlich Youtube-Videos zum Thema interessant oder entdeckt sogar Facebookgruppen. Sprechen wir also von einem regelrechten Boom?Gerd Willemsen: „In jedem Fall ist Bega ein Beispiel dafür, dass wir nicht nur den Bestand sichern, sondern auch investieren - Zeit wie Geld. Wir haben eine neue Küche ins Sporthaus gebaut, 2026 wollen wir die sanitären Anlagen modernisieren; einen Unterstand, der vor Regen schützt, haben wir schon gebaut.“ Die Abstände zu den Scheiben auf dem früheren Fußballplatz sind ebenfalls „auf Dauer“ ausgelegt. Willemsen: „In der Saison werden die Scheiben in der Regel nicht mehr verändert. Wir schießen auf 50 oder 70 Meter. Die Entfernung ist somit nicht beliebig.“ Angesprochen auf Zuschauer, sagt Willemsen aber auch sehr klar: „Bei Bezirksmeisterschaften zählen wir zwar zwischen 100 und 150 Leute, aber fairerweise muss man erwähnen, dass allgemein eher Angehörige von Bogenschützen den Großteil der Zuschauer bilden.“Bogensport also gleich Aktivensport? Wahrscheinlich. Ab April schießt man in Bega unter freiem Himmel, im Winter in einer Halle am Brede-Ring. Dann aber nur auf acht Scheiben. Das ganze Material vom Sportplatz steht in den Wintermonaten im Sporthaus. Und die Bogensportler können sich mit ihren Bögen und Sehnen auseinandersetzen oder an ihrer Fitness arbeiten. Achja: Der Ligabetrieb, also Wettkämpfe zwischen Mannschaften, findet verstärkt im Winter statt. Kurz-Interview mit Wolfgang Frey Historisch ist Klüt die Wiege des Bogensports in Lippe. Schon in den 90er Jahren wurden dort die Pfeile gezückt. Wolfgang Frey aus Lemgo ist derzeit Abteilungsleiter Bogensport im RSV Klüt. Er schießt selbst Recurve. Herr Frey, ist Bogenschießen eine Männerdomäne? Wolfgang Frey: Das war es in den Anfangsjahren so, heute sieht das anders aus. Wir sind mit 130 Mitgliedern im RSV Klüt die größte Abteilung im Verein. Und die Quote der Frauen steigt. Wo verläuft die Trennlinie zwischen Freizeit- und Leistungssport? Wolfgang Frey: Wer Bogenschießen aus Leistungsgründen betreibt, wird viele Turniere besuchen und vielleicht auch Liga schießen. Viele Menschen haben Bogenschießen aber in einer Kur oder Reha kennengelernt. Die kommen eher wegen der Gesundheit oder sie wollen es als Freizeitbeschäftigung betreiben. Wenn Klüt 130 Mitglieder in der Abteilung hat, wie viele sind denn Leistungssportler? Weniger als 15 Prozent. Gibt es für die Mehrheit, also die Freizeitsportler, spezielle Angebote? Wolfgang Frey: Bei uns würde ich das Eltern-Kind-Programm nennen. Das ist eine Kombination, die es wahrscheinlich nicht überall gibt. Glossar Bogenschießen Bögen Ein so genannter Blank-Bogen besteht aus mehreren Bestandteilen und kann komplett zerlegt werden. Das Herzstück des Bogens ist das Mittelstück, an dem oben und unten jeweils ein Wurfarm befestigt ist. Die Sehne macht den „einfachen“ Bogen komplett. Der Begriff Compoundbogen bezeichnet einen Bogen mit einem speziellen Konstruktionsprinzip. Mit „Recurve“ (aus dem Englischen recurved’ was „zurückgebogen“ bedeutet) ist ein Bogen gemeint, bei dem die Bogenenden im entspannten Zustand nach vorne gebogen sind. Dem entgegengesetzt wäre ein Bogen mit geraden Bogenenden zu nennen, wie sie bei einem Langbogen der Fall ist. Als idealer Bogen für Anfänger gilt ein dreiteiliger Recurvebogen. Diese lassen sich einfach zerlegen und unkompliziert transportieren. Distanz Geschossen wird auf eine Distanz ab 50 Metern, das Zentrum einer Scheibe hat einen Durchmesser von 12,2 Zentimeter. In der Halle wird beispielsweise auf eine Distanz von 18 Meter geschossen, das Zentrum hat einen Durchmesser von vier Zentimetern, das entspricht der Größe einer Steckdose. Wettkämpfe Neben dem Ligabetrieb von Mannschaften gibt es sowas sie Bezirksmeisterschaften oder Vereinsturniere. Diese finden vor sowhl im Sommer (draußen) als auch im Winter (Halle) statt. Bei Landesmeisterschaften muss übrigens ein Kampfrichter dabei sein, der mit dem örtlichen Schießleiter für die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften sorgt. Kader In Lippe gibt es auch eine Kaderstruktur, in der vor allem Jugendliche gefördert werden. Der Kader ist in Bad Salzuflen beheimatet. Die dortige Bogensportabteilung ist angegliedert bei der Schützengesellschaft. Kader-Trainerin im Landes-Leistungszentrum ist in der Badestadt Ricarda Kersten. Historie Denkt man in Lippe an die Anfänge des Bogenschießens, fällt in der Regel der Vereinsname RSV Klüt. Schon in den 90er-Jahren waren Verena Schmidt und Peter Kollotzek Mitglieder der DBSV-Bundesligamannschaft des RSV Klüt. Bekannt wurde später auch Dirk Schmidt als lizensierter Trainer, Schmidt trainiert heute die Nationalmannschaft von Österreich. Lippe & Bogensport Nicht endgültig zu klären war, wo in Lippe überall Bogenschützen trainieren. „Hochburgen“ sind neben Klüt, Bad Salzuflen und Bega sicherlich Blomberg sowie Alverdissen und Bösingfeld. Ellen Fricke aus Blomberg: „Allerdings musste unsere Abteilung 2025 umziehen auf den Sportplatz nach Schwalenberg. Für unseren Verein kann ich feststellen, dass es uns nicht nur um Leistungssport geht, sondern auch um die Hobbyschützen und einen Ansatz zur Förderung der Gesundheit. Der Hobbysportler kommt vielleicht nur am Sonntag vorbei, wem es um Leistung geht, der wird an drei Trainingseinheiten in der Woche nicht vorbeikommen.“