Ein Jahr nichts als Golf: Wie ein Lügder das Hamsterrad mit dem Eisen tauscht

Lügde. Gebe ich alles mit dem Eisen 9 oder schlage ich ein kontrolliertes Eisen 8 ins Grün? Das ist eine Frage, die einem weder auf der Arbeit noch im Baumarkt einfällt. Sie gehört auf den Golfplatz. Und spielt nur eine Rolle, wenn der Mensch mit dem Golfschläger ein bisschen was kann und Golf womöglich mehr werden soll als ein Hobby. Ein Profi stellt sich diese Frage wahrscheinlich. Ein Amateur? Szenenwechsel: Lars Heuer aus Lügde ist ein Amateur. Der 54-jährige spielt seit sieben Jahren Golf im Pyrmonter Club. Der Golfplatz liegt kaum zwei Kilometer von seinem Wohnhaus entfernt, viele Bahnen des Pyrmonter Clubs gehören zu Lippe. Und Heuer hat vor rund einem Jahr eine Entscheidung getroffen, die sein Leben massiv verändert hat. Welche? Das kann er selbst sagen: &bdquo;Ich habe nach vielen Jahren als Unternehmensberater im Bereich IT so viele Tage im Hotel verbracht und zudem auf einmal Probleme mit meinem Herz bekommen, dass ich für mich einfach entschieden habe, ein Jahr gar nicht zu arbeiten und dafür 40 Stunden Golf in der Woche zu spielen.“

Und weil es nicht nur eine Laune sein sollte, holte der Lügder die &bdquo;ganz große Keule“ raus. Heuer ließ sich eine Homepage bauen, suchte ein Trainingsteam sowie Sponsoren und ging eine Kooperation mit dem Pay-TV-Sender Sky ein. Das ganze Projekt &bdquo;ein Jahr ohne Arbeit, ein Jahr nur Golf“ bekam einen Namen - &bdquo;Projekt 0“ - und Heuer legte es drauf an, nicht nur wie ein Profi zu trainieren, sondern sein Handicap von 20,4 auf eben diese magische 0 zu verbessern. Finanziell musste er sich keine Sorgen machen, sein Job als Berater hatte für ein Polster gesorgt, also konnte er auf allen Ebenen loslegen.

Heuer: &bdquo;Ich dachte, wenn ich schon so was mache, dann mache ich es richtig. Und habe beispielsweise erst mal einige Untersuchungen in Spezialkliniken in Zürich und München vornehmen lassen. Die sollten alles checken und auch herausfinden, ob ich in meinem damaligen Zustand überhaupt 40 Stunden in der Woche trainieren und spielen kann.“ Seitdem nimmt er übrigens rund 30 Tabletten täglich zur Nahrungsergänzung.

Eine Umstellung für die Familie folgte, denn Heuer suchte sich seine Trainer nicht in Lippe oder im angrenzenden Niedersachsen. Für &bdquo;Projekt 0“ greift der 54-Jährige mittlerweile auf zwei Trainer in Heidelberg und Stuttgart zurück, was schlichtweg dazu führt, dass er dahin muss. &bdquo;Die kommen ja nicht zu mir nach Lügde und Pyrmont.“ Extra für das so genannte &bdquo;Kurze Spiel“ beim Golf, also Schläge aus eher 30 oder 40 Metern, hielt er einen Trainer im Raum Bonn für perfekt. Da fährt er auch hin. Für seine Fitness rennt er zudem in Pyrmont regelmäßig ins Studio und für die perfekten Schläger ließ er sich von einem Fachmann beraten, der am Ende einer Schwunganalyse Heuer einen Eisensatz von Ping empfiehl und einen Driver von Titleist. Das ist ungefähr so, als würde ein Pianist sich für einen Flügel von Bechstein statt von Schimmel entscheiden. Und selbst bei den Bällen haut Heuer nicht irgendwas Weißes in den Pyrmonter Himmel, sondern einen Taylormade TP5, weil &bdquo;der von der Härte zu mir passt.“

Ein Blick auf seine Kooperation mit Sky lohnt natürlich auch. Heuer: &bdquo;Das Projekt mit Sky ergab sich durch meine Kontakte zu Florian Bauer (Sky-Moderator) und meinen Trainer Florian Fritsch, ein ehemaliger deutscher Berufsgolfer, der heute bei Sky Golfsendungen moderiert. Sky dreht seit Monaten immer wieder Folgen mit mir, die sind ungefähr 15 Minuten lang, und sendet sie. Und ich trainiere wiederum mit Fritsch in Stuttgart.“ Das erste halbe Jahr seit dem Ende in seiner Selbstständigkeit als IT-Berater hat Heuer übrigens kein einziges Turnier gespielt. Er hat nur eisern trainiert. Im Sommer dieses Jahres fing er dann an, sich bei Turnieren anzumelden. &bdquo;Anfangs ging es trotz der vielen Trainingsstunden nicht so voran, wie ich mir das erhofft hatte. Das war zwischendurch schon auch frustrierend. Ich wollte bestimmt zweimal alles hinwerfen. Spaß stand in den Trainingsmonaten nicht im Vordergrund, es ging um die Technik und die Präzision.“ Seitdem er besser wird und auch Videos auf youtube gezeigt werden, kommen übrigens auch die &bdquo;Spötter“ aus dem Loch. Heuer: &bdquo;Das ist eine Art Drittelmix. Ein Drittel findet das Projekt gut, ein Drittel ist neutral aufgestellt, das letzte Drittel mault und kritisiert und weiß alles besser. Das sehe ich ja an den Kommentaren unter den Videos. Mein erstes youtube-Video haben mittlerweile fast 50000 Menschen gesehen.“ Und bis zu 10000 schauen regelmäßig Heuers Videos.

Und was hat sich seit dem Start vor einem Jahr alles verändert? Heuer: &bdquo;Heute kann ich sagen, dass es nicht mehr alleine um mein Training nach professionellen Bedingungen geht, auch nicht mehr um den Aspekt, die Arbeit einzustellen. Ich habe natürlich unfassbar viele Leute kennengelernt, mit vielen Prominenten Golf gespielt, außerdem viel in meine allgemeine Gesundheit gesteckt. Ich fühle mich heute körperlich viel besser als vor einem Jahr. Und musste auch lernen mit Rückschlägen anders umzugehen. Und obwohl ich so viele Trainer habe und einige Schläge bestimmt 1000 Mal wiederholen musste, passiert es mir auch heute noch, dass ich mal einen Ball in die Büsche schlage. Mein Handicap wird am Ende von Projekt 0 nicht bei 0 sein, das schaffe ich nicht mehr. Ich bin bei 20,4 gestartet und nun bei 9,5. Wenn das Wetter hält, kann ich vielleicht noch zwei oder drei gute Runden spielen, aber faktisch bin ich weit weg von der 0.“

Was aus dem Projekt 0 nach dem einen Jahr wird, weiß Lars Heuer noch nicht. Er war für Sky in Spanien, für das Putten in Heidelberg, für die Transportschläge in Stuttgart und für das Spiel rund um die Fahne in Bonn. Mittlerweile sitzt er wieder öfter in Lügde mit seiner Frau am Küchentisch und ist weniger unterwegs. Mit seinen beiden Töchtern geht er fast immer zu den Heimspielen des SC Paderborn in der 2. Liga. Das Projekt über das Jahr hinaus weiterzuführen, ist nicht sein Ziel. Eine Rückkehr in das IT-Berater-Hamsterrad mit Flügen um die halbe Welt und Nächten im Hotel allerdings auch nicht. Heuer weiß es schlichtweg noch nicht: &bdquo;Ich denke gerade schon über ein anderes Geschäftsmodell nach. Es kann auch was im sozialen Umfeld sein, vielleicht ein Projekt, wo es darum geht, Jugendlichen zu helfen. Ich habe zumindest schon mal entschieden 2026 wieder zu arbeiten.“

Golf-Glossar Birdie: Umgangssprachlich (sehr geläufig, aber in keinem Regelwerk verzeichnet): Wenn ein Golfer an einem Loch einen Schlag &bdquo;unter Par“ gespielt hat. Bogey: Von einem Bogey spricht man im Golfsport, wenn ein Spieler an einem Loch einen Schlag mehr benötigt hat als vorgesehen, also einen Schlag &bdquo;über Par“.

Chapman Vierer: Bei dieser Mannschafts-Spielform treten zwei Zweier-Teams gegeneinander an.

Divot: Das ist ein Loch im Boden, das durch den Schlag eines vorigen Spielers verursacht worden ist.

Driving Range: Auf der üben Golfer ihre Schläge.

Fairway: Das ist der kurz gemähte Bereich auf dem Golfplatz, der zwischen dem Abschlag und dem Green liegt.

Flight: Bezeichnet eine Gruppe von Spielern, die gemeinsam eine Runde Golf spielen.

Greenfee: Wer nicht Mitglied in einem Golfclub ist, kommt um das Greenfee (Gebühr auf dem Platz) nicht herum.

Handicap: Gibt in einem Wert (Zahl) die Spielstärke eines Spielers an. Der Wert verändert sich, wenn der Golfer z. B. ein Golfturnier gespielt hat.

Platzreife: Wer die Platzreifeprüfung (bestehend aus einem praktischen und einem theoretischen Teil) erfolgreich absolviert hat, darf weltweit auf so gut wie allen öffentlichen Golfanlagen spielen.

Stableford: Das Stableford-Zählsystem kommt besonders Anfängern zugute und wurde nach seinem Erfinder Frank Stableford benannt.

Infos zu lippischen Golfclubs Golf wird in Lippe in drei Clubs gespielt: Die Plätze liegen in Lage-Ottenhausen, Blomberg-Cappel und Bad Salzuflen. Man spielt allerdings auch an den Rändern Lippes Golf. Kalletaler sind beispielsweise im Herforder Golfclub Mitglied, der hat seinen Platz kurz hinter Vlotho-Exter. Golfer aus Schlangen oder Kohlstädt spielen gern in Sennelager, Detmolder und Augustdorfer gern im Golfclub Welschof, der liegt nur wenige Kilometer hinter Augustdorf in der Stadt Schloß Holte-Stukenbrock. Zudem spielen Lügder und Schiederaner in Bad Pyrmont oder sogar in Bad Driburg. Sogar wenige Kilometer hinter Falkenhagen, in Polle, ist ein Golfclub. Wohnt man im nördlichen Kalletal (Varenholz) ist der nächstgelegene Golfplatz in Bückeburg. Weitere Golfplätze am Rande von Lippe: Widukind kurz vor Bad Oeynhausen und Bielefeld; interessant für Bewohner aus Leopoldshöhe.

Gespielt wird in der Regel in Turnieren (oft am Wochenende), aber auch bei so genannten Damen- oder Herrenspieltagen in der Woche; oft gegen 14 Uhr (Start). Senioren ab 65 spielen in der Regel ihre eigenen Runden. Zudem treten auch Mannschaften gegeneinander an, der Ligabetrieb findet oft samstags ab 10 Uhr statt. Im Normalfall spielen mehrere Mannschaften an einem Ort um die Meisterschaft und gegen den Abstieg. Damen und Herren spielen nicht in einer Mannschaft, jüngere Spieler (beispielsweise unter 30 Jahren) können nicht in einer AK50 (ab 50 Jahre spielen); ältere Spieler (70 Jahre aber sehr wohl in einer AK50). Der Ligabetrieb führt die Tabellen im Internet unter der Bezeichnung Zahl und Buchstabe; beispielsweise AK50, Herren, Liga 4a. Regional wird versucht, geografische Grenzen zu ziehen, also spielen Lipper eher gegen Herford, Lippstadt oder Paderborn und Golfer aus dem Ruhrgebiet oder dem Rheinland ebenfalls gegeneinander, um unnötig weite Fahrten zu vermeiden.

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