Von Marianne Schwarzer
Schieder-Schwalenberg. "Wie bringe ich den Wähler dazu, am 30. August sein Kreuzchen bei mir zu machen?" - Mancher Bürgermeisterkandidat in Lippe setzt da auf persönlichen Kontakt an der Haustür. Auch Ralf Mühlenmeier (CDU), der gegen Amtsinhaber Gert Klaus in Schieder-Schwalenberg antritt. Die LZ begleitete ihn.
Donnerstag, 16 Uhr. Im Herzen Brakelsieks parkt ein schwarzes Renault Megane-Cabrio. Von der Rückbank leuchtet es gelb: Zwei Arme voll Sonnenblumen hat Ralf Mühlenmeier hier in Plastikeimern verstaut: "Die sind vom eigenen Feld", strahlt der Lehrer, während er die Blumen sortiert. Mit ihnen will er heute das Brakelsieker Wahlvolk becircen. Dass dies eigentlich die Wappenpflanze der Grünen ist, juckt ihn nicht: "Ich finde Sonnenblumen einfach schön." Spricht's, verstaut einen Stapel Flyer im karierten Sakko, greift nach dem wassergefüllten Blumeneimer und geht federnd los, den CDU-Ratskandidaten Jörg Kuhlemann im Schlepptau.
Ein leichter Gang wird das heute nicht: Die Sonne brennt erbarmungslos auf die Kandidaten herab, und das Pflaster ist hart. Immerhin ist Brakelsiek traditionell eine SPD-Hochburg, hier wohnen der Amtsinhaber und die frühen Weggenossen des Außenministers: Frank-Walter Steinmeier ist ein Brakelsieker Jung.
Das lässt den Dörentruper Ralf Mühlenmeier kalt: Schwungvoll steuert er die erste Haustür an, ein beherzter Druck auf die Klingel. "Guten Tag, ich will hier Bürgermeister für die CDU werden", in der Aufregung vergisst er glatt, seinen Namen zu sagen. "Soso", Hausherrin Marga Koch erkundigt sich höflich, ob er denn Beamter sei. "Lehrer? Na, das geht ja noch", meint sie. Die Sonnenblume nimmt sie huldvoll entgegen. Mittlerweile ist auch ihr Mann Heinz an die Tür gekommen, in der Hand einen großen Bildkalender. Auf der Titelseite ein Autogramm: Der Schriftzug des Sozialdemokraten Frank-Walter Steinmeier starrt Mühlenmeier entgegen. Der zeigt sich hinreichend beeindruckt, gibt seinen Steckbrief ab und verabschiedet sich artig, auf zum nächsten Haus.
Sorgfältig gepflegte Vorgärten, Gartenzwerge und Sommerblumen grüßen hinter akkurat geschnittenen Hecken - hier scheint die Dorfwelt noch in Ordnung. Mittlerweile fließt der Schweiß in Strömen, aber auch Mühlenmeiers Einstiege werden flüssiger: "Keine Angst, ich will Ihnen nichts verkaufen", schickt er vorweg. "Ich kandidiere hier und möchte alle Wähler persönlich kennenlernen." Selbst der misstrauischen alten Dame, die nur einen Spalt öffnet, kann er eine Blume aufschwatzen. Eventuelles Zögern pariert er schlagfertig: "Ach, Sie wählen die CDU nicht? - Kein Problem: Die Bürgermeisterwahl ist eine Personenwahl. In der Kommunalpolitik kommts gar nicht so auf die Partei an."
Um 17 Uhr ist der erste Blumeneimer leer und das Sakko dafür schweißgetränkt. Kurze Verschnaufpause im Schatten an der Tankstelle. Mühlenmeier zückt sein CDU-Wahlkampf-Handbuch. "Wenns danach ginge, dürfte ich das hier gar nicht machen. Die gehen davon aus, dass man damit am ehesten die SPD-Wähler ins Wahllokal treibt. Aber mir ist es wichtig, mit den Leuten zu sprechen." Das kostet viel Zeit, die er theoretisch zum Erholen bräuchte: "Eigentlich bin ich ganz schön platt." Was man ihm nicht anmerkt, als er erneut losmarschiert, Hitze hin, Stress her. Er wird in den nächsten eineinhalb Stunden noch erfahren, wie die Anwohner unter der Raserei in der Ortsmitte leiden, und er wird noch viele weitere Sonnenblumen verteilen. "Ich zieh das durch", sagt er. 10000 Stück wachsen auf seinem Feld. Das wird ein heißer Sommer.
Dies ist der Auftakt zu einer Artikelserie, die sich mit Aspekten des Kommunalwahlkampfes befasst.