Vier Taten, eine Strafe: So hoch fällt das Urteil im Prozess wegen versuchten Totschlags aus

Detmold/Lemgo. Es war eine Nacht im vergangenen November, die zwei Lemgoer Brüder fast das Leben gekostet hätte. Zwei weitere Männer wurden verletzt. Nun ist ein Urteil gefallen: Der Angeklagte muss sieben Jahre und sechs Monate ins Gefängnis. Die Große Strafkammer um Richterin Sylvia Suermann sieht den Vorwurf des versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung als erwiesen an.

In einer Lemgoer Kneipe hatte der Angeklagte einem Gast eine blutige Lippe geschlagen, der Wirt warf alle hinaus. Vor der Tür zückte der Mann dann ein Messer, stach dreimal auf den einen Bruder ein. Der sackte zusammen, dann traf er dreimal den anderen. Ein weiterer Mann ging dazwischen, wurde ebenfalls mit dem Messer verletzt. Der Täter verließ den Tatort, wurde wenig später von der Polizei in seiner Wohnung angetroffen. Dort fanden sie auch das Messer mit der DNA der Verletzten sowie des Angeklagten.

Sein Mandant sei geständig gewesen, "auch wenn er sich selbst nicht an alles erinnert und sich die Tat nicht erklären kann", sagt Anwalt Sascha Haring in seinem Plädoyer. Er habe sich angegriffen gefühlt, habe aufgrund der schlechten Lichtverhältnisse vor der Tür und seiner Augenerkrankung wenig gesehen, auch habe er nachweislich unter Alkohol- und Cannabis-Einfluss gestanden - beides wurde in der Blutprobe nach der Tat nachgewiesen. Was ihn so in Rage versetzt habe, sei unklar.

Haring führt weiter die schwierige persönliche Situation des Mannes an - Job verloren, Augenkrankheit - außerdem sei er nicht vorbestraft, zeige Reue und habe versucht, sich zu entschuldigen. Er plädiert für ein Urteil unter fünf Jahren. Zuvor hatte Staatsanwältin Johanna Bretthauer eine Gesamtstrafe von neun Jahren gefordert. Es sei eine "Tat ohne Anlass" gewesen. Fehlende Erinnerung, sich angegriffen gefühlt zu haben - "das halte ich für sehr weit hergeholt", sagte sie.

Vermindert schuldfähig Der Sachverständige Dr. Ingbert Rinklake hatte den Angeklagten im Gefängnis begutachtet, er kam zu dem Schluss, es gebe keine Anzeichen einer psychischen Erkrankung. Aufgrund des massiven, regelmäßigen Alkoholkonsums und der Gewöhnung daran sei der Angeklagte allerdings während der Tat - er hatte 2,4 Promille intus - vermindert schuldfähig gewesen. Eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sei angebracht. Der Ansicht folgten sowohl Staatsanwaltschaft und Verteidigung wie auch das Gericht.

In seinem letzten Wort entschuldigte sich der Angeklagte, er hoffe, die Verletzten würden gesund, er selbst werde nie wieder trinken, brauche eine Therapie. "Sie haben Glück gehabt, nicht zwei Menschen das Leben genommen zu haben", sagte Richterin Sylvia Suermann während der Urteilsverkündung, direkt an den Angeklagten gewand. Noch immer hätten die Opfer mit den Folgen zu kämpfen. Die Reue nehme das Gericht ihm ab, die Erinnerungslücken seien allerdings so nicht nachvollziehbar. Auch den vom Angeklagten beteuerten Konsum von Crack und Kokain am Tatabend halte es für eine Schutzbehauptung. Und so verurteilte das Gericht den Angeklagten schließlich zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren und ordnete die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an.

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