Lagenserin führt Klienten zurück zu ihren eigenen Wurzeln

Lage-Hörste. Martina Weiss arbeitet seit 17 Jahren als Systemtherapeutin und nimmt die Rolle eines Stellvertreters ein. Dabei kommen oft verborgene Gefühle und Zusammenhänge ans Licht, die unglückliche Beziehungen verständlich machen. Im Haus des Gastes in Hörste hat die 52-Jährige jüngst darüber einen Vortrag gehalten mit dem Schwerpunkt: &bdquo;Kann die Liebe die Wechselhaftigkeit der heutigen Zeit überdauern? Wie groß muss diese Liebe sein?"

Die LZ fragt genauer nach.

Frau Weiss, seit zwei Jahren referieren sie regelmäßig über Beziehungen und Partnerschaften. Zeichnet sich da eine negative Entwicklung ab?

Martina Weiss: Das Thema ist einfach sehr präsent. Als Paartherapeutin begleite ich ja auch Männer und Frauen in Trennungssituationen oder Krisen. Die Grundlagen für Beziehungen haben sich heutzutage geändert, Bindungen sind leichter lösbar und die damit verbundenen Enttäuschungen werden größer.

Worin liegt Ihrer Meinung nach das Hauptproblem?

Weiss: An den zu hohen Erwartungen, die oft an den Partner gestellt werden. Da ist ein Scheitern programmiert.

Wie können Sie Paaren in solchen Situationen helfen?

Weiss: Ich versuche es erst auf der kommunikativen Ebene, indem ich ein Bewusstsein dafür erzeuge, dass man gegenseitig nachfragen kann, bevor man einfach eine Reaktion unterstellt. Danach kommt die unterbewusste Ebene, die Aufstellungsarbeit.

Was genau muss man sich darunter vorstellen?

Weiss: Eine Familienaufstellung ist eine wunderbare Möglichkeit, Unbewusstes ans Tageslicht zu holen. Dafür nutze ich meine Yoga-Kissen. Jedes steht für eine Person. Ich fordere meine Klienten auf, ihre Beziehung aufzustellen. Wenn der Abstand der Kissen dann riesig ist, weiß man auf den ersten Blick, dass hier etwas nicht stimmt. Ich stelle mich dann auf eine der Positionen und nehme die Gefühle der Person an, gehe in die Felder herein.

Das hört sich leicht mystisch an. Werden Sie nie damit konfrontiert, das alles könnte bloß Hokuspokus sein?

Weiss: Überhaupt nicht, weil es funktioniert. Natürlich sind besonders Männer oft skeptisch, die von ihrer Frau überredet worden sind, mitzumachen. Aber alle sind am Ende überrascht, wenn die Gefühle hochkommen. Nicht selten fließen Tränen. Sie erleben den Unterschied zwischen Wahrheit und Wirklichkeit.

Und der wäre?

Weiss: Wenn Sie etwas erzählen, dann ist das Ihre Wahrheit. Jemand Anderes kann die Geschichte ganz anders interpretieren. Es gibt keine reine Wahrheit, außer vielleicht die Liebe. Bei der Wirklichkeit dagegen gibt es keine Filter. Die lässt sich nicht interpretieren.

Also werden auch echte Geheimnisse aufgedeckt?

Weiss: Gelegentlich schon, aber darum geht es nicht in erster Linie. Man nimmt Kontakt zu seinen Wurzeln auf und erhält Informationen aus der Vergangenheit, die man sonst nicht bekäme. Wir gucken immer dahin, wo Liebe ist. Wenn jemand seit seiner Kindheit spürt, dass etwas nicht stimmt, vielleicht fehlt beispielsweise ein Geschwisterkind, dann kann ich das aufstellen.

Ein Familiensystem schützt sich, wenn es wirklich ein Geheimnis gibt, das nicht bekannt werden soll. Damit muss ich sehr vorsichtig umgehen. Trotzdem haben wir auch ein Anrecht darauf zu wissen, wer zu uns gehört. Es ist also wichtig, respektvoll und achtsam mit den Informationen umzugehen, die da kommen. Aus reiner Neugier stelle ich gar nichts auf.

Was sind das für Menschen, die zu Ihnen kommen?

Weiss: Ganz unterschiedliche. Vom sechsjährigen Kind bis zur alten Dame. Hauptsächlich sind es Frauen. Denn es geht um Gefühle. Aber berührt werden sie alle. Und um auf das Thema Partnerschaft zurückzukommen, wird vielen Paaren durch den Blick in die Familiengeschichte klar, warum die Beziehung so ist, wie sie ist.

Welche Erlebnisse waren für Sie einschneidend während einer Familienaufstellung?

Weiss: Da gibt es sehr viele. Ich erinnere mich gerne an die Anfänge meiner Ausbildung zurück. Ich hatte die Position der mittleren von drei Schwestern, die ich nicht kannte, eingenommen. Mir sackten plötzlich die Beine weg, und ich musste mich hinhocken. Die große &bdquo;echte" Schwester konnte es nicht fassen, denn tatsächlich saß die Betroffene im Rollstuhl.

Eine Methode zur "Lebenshilfe" Die Familienaufstellung geht auf Bert Hellinger zurück. Der Familientherapeut entwickelte sie in den 1990er Jahren aus seinen Erkenntnissen während seiner Zeit in Südafrika. Er arbeitete dort als katholischer Priester und war Leiter einer Missionsschule.

Der Familienaufstellung nach Hellinger liegt die Idee zugrunde, dass alle Mitglieder einer Familie durch emotionale Bande miteinander verknüpft sind. Sind diese Verbindungen gestört – zum Beispiel, wenn ein Kind seine Eltern hasst oder wenn der Kontakt zwischen Familienmitgliedern abreißt – kann dies zu psychischen Problemen oder Krankheiten bei einem oder mehreren Mitgliedern der Familie führen.

Hellinger bezeichnet die Familienaufstellung als &bdquo;Lebenshilfemethode". Er hat damit die Szene der Psychotherapeuten kräftig aufgemischt. Keine andere der vielen hundert verbreiteten Therapieformen sorgt für vergleichbaren Aufruhr. &bdquo;Esoterische Scharlatanerie" unken die einen und halten Hellingers Kurzzeitbehandlungen für gemeingefährlich. Der Familienaufsteller, jubilieren die anderen, habe die Wende in der Psychologie eingeläutet.

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