Abriss im Lagenser Papageienviertel: Mehr als 40 Mietparteien verlieren ihre Wohnung

Lage. Natalja N. (Name geändert) hat nach diesem Brief erst einmal nicht schlafen können. Sie erhielt für die Wohnung, in der sie seit neun Jahren lebt, die Kündigung. Genauso erging es mehr als 40 weiteren Mietparteien im sogenannten Papageienviertel. Einige Bewohnerinnen und Bewohner - rund 120 sollen es dem Vernehmen nach in den Wohnungen sein - seien völlig aufgelöst. Die Wohnungsbaugesellschaft Handwerksbau AG in Dortmund, der die betreffenden Häuser und weitere im Viertel gehören, möchte die Gebäude abreißen und neu bauen.

Nach Informationen der LZ geht es um 25 Mehrfamilienhäuser in der Ahorn-, Birken- und Weidenstraße. Darin befinden sich 162 Wohneinheiten, 115 stehen teils seit längerer Zeit schon leer, um nicht noch mehr Mietverhältnisse kündigen zu müssen. Im Kündigungsschreiben der Aktiengesellschaft, von der die LZ erst zu einem späteren Zeitpunkt weitere Auskünfte erhalten kann, wird als Grund auf ein Gutachten verwiesen.

Gutachter untersucht Bausubstanz

Dieses sei erstellt worden, damit "gutachterlich die Bausubstanz erfasst und dahingehend bewertet werden sollte, welche baulichen Maßnahmen erforderlich sind, um das Gebäude auch in Zukunft weiter nutzen zu können", heißt es in den Schreiben. Zudem sei der Aufwand hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit zu bewerten gewesen.

Der Abriss sei notwendig, weil eine Sanierung unwirtschaftlich und die Bausubstanz nicht erhaltenswert sei, heißt es weiter. Gutachterlich wird eine Sanierungssumme von 17,416 Millionen Euro genannt. Die Unterlagen liegen den Kündigungsschreiben bei. Dabei geht es um eine Gesamtwohnfläche von rund 11.300 Quadratmetern. Der Sanierungsaufwand von einer 60 Quadratmeter großen Wohnung betrage demnach rund 92.500 Euro. Die Gebäude wurden in den Jahren 1963 bis 1969 erbaut.

Wohnungsmarkt ist schwierig

Diese Zahlen seien für die Mieter schlecht nachvollziehbar, versichert ein 30-jähriger Bewohner, der in seiner Wohnung mit großer Familie seit sieben Jahren lebt. Das Problem sei, dass der Immobilienmarkt sowieso schon schwierig sei, zumal nun neue Geflüchtete aus der Ukraine auch in Lage wohnten. Es würden kaum große Wohnungen mit drei bis vier Zimmern angeboten, wie es sie im Papageienviertel gibt. Viele ältere, darunter auch viele Russlanddeutsche, leben dort schon seit Jahrzehnten. Die Familien wurden im Laufe der Zeit kleiner und die Eltern zogen in eine kleinere Wohnung um. Bei diesen langen Mietverhältnissen sind die Kündigungsfristen wesentlich länger, bis zu einem Jahr.

Angebot für neue Wohnung

Natalja N., die in ihrer Wohnung seit neun Jahren wohnt, aber davor auch schon im Papageienviertel lebte, hat bis Ende Januar Zeit, eine neue Wohnung zu finden. Das Mehrfamilienhaus, in dem sie wohnt, ist fast leer. Seit Jahren sei dort nichts getan worden. "Es ist sehr kalt hier drin, das ist jedes Jahr schlimmer geworden", erzählt sie. Es ziehe durch die alten Fenster. Sie zahlt für die 45 Quadratmeter 400 Euro warm. Eine andere Wohnung hat sie bislang nicht gefunden.

Anders als Natalja N. hat der 30-jährige Mieter von der Wohnungsbaugesellschaft eine Alternativwohnung angeboten bekommen, die schöner sei, - das gibt er zu - aber eben auch teurer. Ein älterer Mann berichtet, er könne in einem anderen Mehrfamilienhaus eine Wohnung im zweiten Obergeschoss mieten. Dafür sei er jedoch zu alt, sagt er. Denn Aufzüge haben die alten Häuser natürlich nicht.

Investor soll ins Boot geholt werden

Die Wohnungsbaugesellschaft plant, den Abriss selbst vorzunehmen und den Neubau dann einem Investor/Erwerber zu überlassen. Ihr sei an einer einvernehmlichen Lösung gelegen, schreibt sie den Mietern und verweist auf wirtschaftliche Einbußen, die sie bereits habe, weil Wohnungen wegen des geplantes Abrisses nicht neu vermietet werden konnten. Die Gesellschaft bietet bei Rückfragen ein persönliches Gespräch an. Auch die Stadt ist über die Kündigungen informiert worden. Sie kann beraten, teilweise auch ältere Bewohner für ein betreutes Wohnen vermitteln. Doch müssten die Mieter sich selbst auf dem Wohnungsmarkt umschauen, erklärte Bürgermeister Matthias Kalkreuter.

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