Poesie findet Platz zwischen roten Ziegeln in Lage

Lage-Sylbach. Bühnendichter und ihr Mythos: &bdquo;The Points are not the Point“ heißt es oft beim Poetry-Slam. Man mache das nur für die Bühne, freue sich höchstens darüber, noch mal im Finale auftreten zu können. Drei Männer und drei Frauen reimten und erzählten beim (re-)animierten Poetry-Slam im Lagenser Ziegeleimuseum. Die Sieger holten allerdings nicht die meisten Punkte, sondern den stärksten Applaus: Alex Paul und Kristin Kieltsch.

Mit den beiden gingen noch Hendrik zur Mühlen, Niko Sioulis, Isabel Düker und Sonja Weidhase an den Start. Während und nach einer Performance merkte vor allem Moderator Marc-Oliver &bdquo;Katze“ Schuster aus Detmold sehr schnell, ob ein Text gut funktionierte oder nicht. Schuster fungierte in der sogenannten Trockenhorde, vergleichbar mit einer offenen Scheune, vor gut 100 Zuschauern als Bypass rund um die Reime und rhetorischen Ausflüge am Mikrofon. Rund sechs Minuten hatte das Sextett jeweils Zeit, um die Masse zu begeistern. Danach wurde mit einer Tafel - ähnlich wie beim Eiskunstlauf (Punkte bis 10) abgestimmt. Die drei Punktbesten schafften es ins Finale und durften somit einen zweiten Text vortragen.

Auf den Spuren von Hazel Brugger oder Torsten Sträter Niko Sioulis schätzte die Zahl der Slammer in OWL übrigens auf rund 50 bis 60 Personen. Man kenne sich und treffe sich folgerichtig immer mal wieder auf Veranstaltungen. Bekannte Comedians wie Hazel Brugger oder Torsten Sträter, so &bdquo;Katze“ Schuster hätten früher selbst mal ihre ersten Schritte beim Poetry-Slam gemacht. Während das Museum um das kleine Orga-Duo Andrea Henkel und Jasmin Soyak sich um die Location gekümmert hatte, rief Schuster die Künstlerinnen und Künstler zusammen.

Den Auftakt machte in der dicht &bdquo;besiedelten“ Trockenhorde Hendrik zur Mühlen mit einem Text über seine Erinnerungen ans Freibad. Im Mittelpunkt der Story stand Sören, der stets damit beschäftigt war, Alkohol ins Freibad zu schmuggeln. Ihm folgte Alex Paul mit einer Reminiszenz an eine Beamtenlaufbahn, nämlich die seines Opas. Der war früher Postbeamter und schätzte einen festen Händedruck. Niko Sioulis wählte eine durchaus poetische Geschichte über die Genese und die Gesetze des Poetry-Slams, also eine Story in der Story.

Isabel Düker verstrickte alle in die Sorgen und Nöte einer Familie. Kristin Kieltsch erinnerte sich an ihre Heimat, das kleine Dorf Stahle bei Holzminden an der Weser und Sonja Weidhase - einzige Lipperin im Sextett - fand Gefallen an einer Verknüpfung der Dornröschen-Idee und ließ die sechs Minuten in dem Satz münden: &bdquo;Schlaf für alle.“ Am Ende votierte das Publikum für Paul, Kieltsch und eben Weidhase. Im Finale wurde allerdings nicht mehr mit Tafeln und Punkten abgestimmt; die 96 Besucher applaudierten lauter für ihre Favoriten, Schusters Gehör entschied: &bdquo;Den Sieg teilen sich Alex Paul und Kristin Kieltsch.“

Wenig Schiller und Goethe Und da es Slammern ja nicht um den Sieg geht, löste sich bei Einbruch der Dunkelheit alles wieder bei bester Laune auf. In der Retrospektive steht wohl fest: Wer seine Texte allein an der Gunst des Publikums ausrichtet, beugt sich dessen Autorität. Und manche Tricks funktionieren einfach immer und immer wieder - und zwar weniger Dada, Meta-Ebenen oder das Spiel mit dem Regel-Bruch.

Es scheint dem Publikum besser zu gefallen, wenn ein Text emotional aufgeladen wird und zumindest einen Hauch Wirklichkeit spiegelt; so geschafft von Kristin Kieltsch, die beim Erzählen über Schützenvereine und veganes Essen so wenig Goethe und Schiller bemühte, dass alle 96 Gäste in der Ziegelei problemlos folgen konnten.

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