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Flüchtlinge in Lippe

Umbaupause in der Anne-Frank-Schule

Marlen Grote, Till Brand

Lemgo. Nach der Unterkunft ist vor der Unterkunft. Zum Monatsende schließt die Stadt Lemgo offiziell das verbliebene Not-Asylbewerberheim in der alten Anne-Frank-Schule in der Menkestraße. Doch Flüchtlinge sollen dort auch künftig leben - nach dem Umbau will die Verwaltung dort regulär zugewiesene Menschen unterbringen.

Im Gegensatz dazu leben in den Notunterkünften Asylbewerber, die eigentlich in die Erstaufnahmen des Landes gehören. Diese waren jedoch zwischenzeitlich hoffnungslos überfüllt, so dass Lemgo die Frank-Schule und die Grundschule Hörstmar ausrüstete. Letztere ist bereits seit Februar abgewickelt und bleibt künftig ein Reservestandort. In der Menkestraße zogen gestern dann die verbliebenen 69 Asylbewerber aus. Weil sich die Lage in den Erstaufnahmeeinrichtungen entspannt hat, kamen die Flüchtlinge nach Angaben von Einrichtungsleiter Maximilian Nitschmann vom Deutschen Roten Kreuz nach Köln, Dortmund und Essen.

Wird nun zum regulären Asylbewerberheim umgebaut: Die Anne-Frank-Schule ist keine Notunterkunft mehr. - © Archivfoto: Thomas Reineke
Wird nun zum regulären Asylbewerberheim umgebaut: Die Anne-Frank-Schule ist keine Notunterkunft mehr. (© Archivfoto: Thomas Reineke)

Nach dem geplanten Auszug der Berufspraxisstufe der Astrid-Lindgren-Förderschule, die wieder am Standort Leese zusammengelegt wird, will die Stadt die Anne-Frank-Schule als Asylbewerberheim selbst nutzen. Für etwa hundert Menschen werde Platz geschaffen, rechnet Bürgermeister Dr. Reiner Austermann vor. In der Notunterkunft waren es weniger.

Jedoch seien Lemgo die 150 Notplätze bei der Zahl der Flüchtlinge angerechnet worden, die regulär bis zum Abschluss ihres Asylverfahrens in der Stadt blieben. Somit sei für die kommenden vier Monate mit 150 Sonderzuweisungen zu rechnen, so Austermann.

Der Umbau der Frank-Schule zielt vor allem auf die Verpflegung, müssen die regulären Flüchtlinge doch selbst kochen. In einer Noteinrichtung, daran erinnerte Christine Förster von der Stiftung Eben-Ezer, würden die Menschen verköstigt. Diese Aufgabe übernahm die Stiftung.

Anfang August 2015 hatte die Bezirksregierung die Stadt aufgefordert, innerhalb von drei Tagen für 150 Menschen Schlafplätze zu stellen. "Das war sportlich", erinnerte Austermann. Seitdem hat der Krisenstab mindestens einmal in der Woche getagt. Anfangs halfen Feuerwehr, Technisches Hilfswerk, Ehrenamtliche des DRK und Reservisten, ehe das Rote Kreuz die Einrichtung hauptamtlich übernahm. Dabei hätten alle so gut reagiert wie Eben-Ezer, das auch mal binnen weniger Stunden 50 Mittagessen mehr zubereitet hätte, lobt Maximilian Nitschmann.

Insgesamt gingen in dem guten halben Jahr 600 Asylbewerber durch die Notunterkünfte. Sie kamen hauptsächlich aus Syrien und Irak. 21 Mitarbeiter hat das DRK beschäftigt, so dass die Heime nach Schätzung von Geschäftsbereichsleiter Frank Laukamp monatliche Kosten von 150.000 bis 200.000 Euro verursacht haben dürften. Das Geld bekommt die Stadt vom Land NRW noch erstattet.

Helfer und Bewohner nehmen tränenreich Abschied

"Das ist schon traurig", seufzt Sandra Sommer, während sie mehrsprachige Informationsschilder von den Türen abreißt. Das gesamte Inventar der bisherigen Notunterkunft an der Menkestraße wird rausgeschafft.

Gemeinsam mit Yannic Winter hat sie vor gut einem halben Jahr alles für die Flüchtlinge hergerichtet. "Wir waren die ersten, die hier aufgebaut waren, und sind die letzten, die hier abbauen", erzählt Yannic Winter. Beide arbeiten im Sozialdienst des Roten Kreuzes. "Das ist nicht einfach ein Beruf", sagt Winter. Seine Kollegin nickt. "Hier steckte viel Herzblut drin. Das ist jetzt wirklich schwer."

Etwa 60 bis 70 Menschen aus verschiedenen Kulturen haben in der Notunterkunft gelebt, hauptsächlich Familien. Aufgabe der Mitarbeiter war nicht nur, sie mit allem Notwendigen zu versorgen. Sie organisierten auch das Zusammenleben und machten Angebote für die Kinder, um sie auf andere Gedanken zu bringen. "Wir haben mit ihnen Deutsch gelernt. Der Lieblingssatz der Kinder war ,Hallo, mein Schatz?", erinnert sich Sandra Sommer.

Es war nicht immer alles leicht, denn die Menschen haben auch ihre Geschichten erzählt. Die Bösingfelderin ist davon noch immer tief bewegt. Die letzte Familie, die erst am Vormittag abgereist war, sei drei Monate hier gewesen - als sie am Morgen gingen, seien Tränen geflossen. Überhaupt hätten sich die Bewohner, aber auch die Mitarbeiter gut verstanden, ergänzt Yannic Winter.

Das Aufräumen geht schnell. Die Flüchtlinge hätten die Räume sauber und ordentlich hinterlassen, sagen die Helfer. Leer sind die Flure, durch die tags zuvor noch Kinder tobten. Yannic Sommer und Sandra Winter werden jetzt in der Notunterkunft in Herford anfangen: "Das ist eine neue Herausforderung."

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