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Lemgoer halfen 1976 nach Erdbeben in Italien

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Vor Ort: Das Foto aus den 1970er Jahren zeigt eine Delegation aus Lemgo, die sich nach dem Erdbeben in Italien umsieht, um dort die Lage zu begutachten. Ulrich Faßhauer (ganz rechts) reiste mit Kollegen ins Friaul. - © privat
Vor Ort: Das Foto aus den 1970er Jahren zeigt eine Delegation aus Lemgo, die sich nach dem Erdbeben in Italien umsieht, um dort die Lage zu begutachten. Ulrich Faßhauer (ganz rechts) reiste mit Kollegen ins Friaul. (© privat)

Lemgo. Im Mai 1976, vor 40 Jahren, erschütterte ein starkes Erdbeben einen ganzen Landstrich im Norden Italiens: Im Friaul war danach nichts mehr wie zuvor. Einige Dörfer hatte es besonders hart getroffen – beispielsweise Lusevera und Pradielis. Dank starker Lemgoer Hilfe konnte in den beiden Orten einige Jahre später wieder Normalität einkehren.

„Es war bereits ein Jahr vergangen, als wir erfuhren, wie schlimm die Lage im Friaul wirklich war“, erinnert sich Lemgos ehemaliger Stadtdirektor Ulrich Faßhauer. Das Erdbeben hatte große Schäden angerichtet. Viele Häuer waren zerstört worden. Durch einen Fernsehbeitrag sei der mittlerweile verstorbene Volkshochschulleiter Wilhelm Schönlau darauf aufmerksam geworden.

„Er erzählte im Stadtrat davon und schlug vor, dass wir dort helfen sollten“, unterstreicht Fasshauer. So kam es, dass eine Lemgoer Delegation, bestehend aus Schönlau, Faßhauer, den damaligen drei Fraktionsvorsitzenden Helmut Holländer, Dr. Herbert Hitzemann, Wilfried Meier sowie Gerd Wellmer, in Richtung Italien aufbrach.

„In Pradielis, einem Nebenort von Lusevera, haben wir das ganze Ausmaß der Katastrophe gesehen. Kein Haus war hier mehr ganz. Das einzige Gebäude, das das Erdbeben überstanden hatte, war der Kirchturm“, erzählt Ulrich Faßhauer. Die Menschen in Pradielis lebten in Wohncontainern. Aufbauarbeit? Fehlanzeige, erinnert sich der Architekt.

„Es gab Wellblechbuden als Notläden für den täglichen Bedarf. Und eine Kneipe.“ Vor Ort sprachen die Delegierten aus Lemgo mit Bürgermeister Sergio Sinicco. Er habe berichtet, so Faßhauer, dass es den Leuten im Ort am meisten an einem Rückzugs- und Versammlungsort fehlte. Ein Ort, an dem der reisende Arzt Patienten sehen oder auch der Rat zusammenkommen könnte, kurzum: einem neuen Gemeindehaus.

Von diesem Gedanken berichtete die Lemgoer Delegation nach ihrer Rückkehr der Öffentlichkeit in der alten Hansestadt. Der Plan war gefasst: Man wollte in Pradielis ein Gemeindezentrum bauen. Um die Kosten dafür zu stemmen, wurden zahlreiche Benefizveranstaltungen organisiert. „Wir brauchten etwa 250.000 Mark“, erzählt Ulrich Faßhauer. Hilfe kam damals von vielen Stellen; und das Geld kam schnell zusammen. „So etwas habe ich weder vorher, noch nachher jemals erlebt“, sagt Faßhauer. Die Resonanz bei den Lemgoern sei überwältigend gewesen. „Es war ein Anliegen der organisierten Bürgerschaft“, meint er.

Schnell wurde klar, dass die Stadt Lemgo auch selbst für den Bau des Gemeindehauses zuständig sein wollte. „Es sammelte sich eine Gruppe um Wilhelm Schönlau. Freunde, Architekten, Leute aus der Stadtverwaltung. Wir fuhren nach Italien, transportierten das Material dorthin und fingen an zu bauen“, sagt Faßhauer. Das sei nicht immer ganz einfach gewesen. „Wir lebten dort in Zelten. Viele von uns verbrachten jeden Familienurlaub dort. Die Frauen kochten, während wir an dem Haus arbeiteten“, erzählt der Architekt.

Besonders wichtig sei der Kommission gewesen, den Bau vor erneuten Erdbeben zu sichern. „Ich erinnere mich an eine Nacht, als es wie wild stürmte. Wir hatten gerade das Holzständerwerk hochgezogen. Ohne uns abzusprechen, standen wir alle nachts sorgenvoll vor dem Gebäude und sicherten es mit weiteren Brettern“, erzählt Faßhauer.

In Rekordzeit stand das Gemeindehaus, das „Centro Sociale Lemgo“, wie es bis heute heißt. Im Oktober 1978 wurde es eingeweiht: als erstes Haus, das in Pradielis wieder stand. „Die Dankbarkeit, die wir dort erfahren haben, war überwältigend“, sagt Faßhauer. Der Kontakt hielt noch einige Jahre, die Erinnerungen bis heute.

Zum Herunterladen
  1. Zeitungsartikel vom 13. September 1977
  2. Zeitungsartikel vom 22. August 1978
  3. Zeitungsartikel vom 30. Oktober 1978
  4. Zeitungsartikel vom 26. Oktober 1979

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