Lemgoer Schlaganfall-Lotsin hilft Patienten auf dem Weg in den Alltag

Lemgo. Es ist wohl eines der einschneidensten Erlebnisse: ein Schlaganfall. Die Symptome sind sehr unterschiedlich, reichen von Schluckbeschwerden, über nicht richtig sprechen oder auch sehen können bis hin zur möglichen Lähmung einer Körperhälfte. Reha und Therapien schließen sich nach dem Krankenhausaufenthalt an. Und viel Bürokratie. Um den Menschen und ihren Angehörigen in dieser Situation zu helfen, gibt es am Klinikum Lemgo die Schlaganfall-Lotsen. Eine von ihnen ist Meike Finkler (52).

Meike Finkler ist ausgebildete Arzthelferin, an der Uni Bielefeld hat sie zudem Case-Management studiert. Seit 2005 arbeitet sie unter anderem als Reha-Beraterin, später im Sozialdienst des Klinikums Lippe und betreut derzeit im Rahmen des Schlaganfall-Lotsen-Projekts &bdquo;STROKE OWL“ 30 Patienten. Und: Sie kennt die Situation als Angehörige, ihre Mutter ist selbst pflegebedürftig.

Ärzte suchen, passende Therapien finden, Anträge ausfüllen: Für Patienten und ihre Angehörige ist in einer solchen Situation nicht nur die persönliche Situation aufreibend, vieles muss geplant und organisiert werden. Gespräche mit Ärzten, die Frage, wann es mir oder der Mutter, dem Vater, Bruder, Ehemann, wieder besser geht, ob jemals wieder alles &bdquo;normal“ wird treibt Patienten und ihre Familien um. In dieser Situation können die Schlaganfall-Lotsen wie Meike Finkler helfen und Betroffenen einiges abnehmen.

Erster Kontakt bereits im Krankenhaus

&bdquo;Den ersten Kontakt zu den Patienten knüpfen wir bereits im Krankenhaus“, erklärt die 52-Jährige. So wie zu Margitta Müller* (*Name geändert), die im Oktober 2019 einen Schlaganfall erlitt. Die linke Hirnhälfte war betroffen, sprich die rechte Körperhälfte beeinträchtigt. Laufen, Sprechen, Schlucken, das alles fiel der 75-Jährigen unheimlich schwer, der rechte Arm ist noch heute geschwächt. Nach dem Krankenhaus ging es für Margitta Müller* für fünf Wochen zur Reha nach Bad Oeynhausen, von da aus wollte sie wieder nach Hause. Bis dato hatte sie allein in Obergeschoss eines Zweifamilienhauses gewohnt, unter ihr ihr Sohn, zwei Häuser weiter die Tochter.

&bdquo;Ich habe sie in der Reha besucht, viel mit ihr und ihrer Tochter darüber gesprochen, wie es weiter gehen könnte“, beschreibt Finkler ihre Arbeit. Die größten Herausforderungen für Patienten liegen vor allem in den Behördengängen und den Anträgen, schließlich kennen sich Laien mit vielem nicht aus. So kann der Schlaganfall-Lotse Patient und Angehörige unterstützen, Papierkram abnehmen, sich in Absprache mit den Ärzten frühzeitig um weitergehende Therapiemaßnahmen kümmern, bei der Suche nach Ärzten für die Betreuung nach Krankenhaus und Reha helfen, Hilfen für Zuhause organisieren oder beim Beantragen eines Pflegegrads helfen.

Aber auch rechtliche Fragen können geklärt werden oder mögliche finanzielle Unterstützung etwa für einen Badezimmer-Umbau – &bdquo;Hier arbeiten wir mit unseren Netzwerkpartnern zusammen“, betont die Lotsin. Sie wissen, welcher Schritt zunächst eingeleitet werden und an wen man sich wenden muss. Vieles, mit dem die Betroffenen sonst allein da stehen oder was sie nicht ohne weiteres bedenken würden.

"Der Wille des Patienten steht an erster Stelle"

Doch die Schlafanfall-Lotsen sind noch mehr: Ansprechpartner und Vertrauensperson. Manches könne oder wolle der Patient nicht mit dem Partner oder den Kindern besprechen, etwa, um diese nicht weiter zu belasten. &bdquo;Statt dessen wenden sie sich an uns. Wir bieten eine Art Hilfe zur Selbsthilfe, immer in enger Absprache mit dem Patienten. Will er etwas selbst machen oder soll ich das für ihn übernehmen?“ Wichtig dabei: Der Patient entscheidet, denn sein Wunsch und Wille stehen an erster Stelle, wie Finkler betont.

Doch was, wenn der Patient auf einmal nichts mehr möchte, in eine Depression verfällt? Es sei nicht selten, dass Schlaganfall-Patienten unter depressiven Stimmungen leiden. Eine Situation, die alle vor eine neue Herausforderung stellt. &bdquo;Hier gucken wir, eventuell gemeinsam mit den Angehörigen, wie es weitergehen könnte.“ Auch ein Arzt könnte eingeschaltet werden, manchmal helfen Medikamente. Allerdings: &bdquo;Das ist schon eine Gradwanderung“, gibt die Lotsin zu. Denn etwas gegen den Willen des Patienten zu machen, wäre ein Vertrauensbruch.

Durch Corona hat sich auch die Arbeit der Schlaganfall-Lotsen verändert. &bdquo;Wir telefonieren jetzt häufiger, Treffen sind seltener und nur mit Maske und Mindestabstand möglich, aber die Betreuung ist dennoch sichergestellt“, so Finkler. Ein Problem während des ersten Lockdown waren auch die fehlenden Angebote an Physio- und Ergotherapie sowie Logopädie. &bdquo;Manche Patienten wollten dann nach dem Lockdown auch nicht mehr weiter machen, hatten Angst vor Ansteckung.“ Hier habe sie dann motivieren und Mut zusprechen können. Der größte Pluspunkt an dem Projekt? &bdquo;Das jemand da ist, der unterstützt, den Patient in dieser schwierigen Situation an die Hand nimmt und ihm hilft, wieder in seinen gewohnten Alltag hineinzufinden“, ist Meike Finkler überzeugt.

Das Projekt der Schlaganfall-Lotsen

Meike Finkler, 52 Jahre alt, ausgebildete Arzthelferin und Case-Managerin, ist Schlaganfall-Lotsin im Projekt &bdquo;STROKE OWL“ der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe. Derzeit betreut sie 30 Patienten parallel, insgesamt sind es 115 gewesen. In OWL werden werden insgesamt rund 1600 Patienten von Schlaganfall-Lotsen betreut, immer für die Dauer von einem Jahr. Über 1000 davon haben das Projekt bereits planmäßig nach diesem einen Jahr wieder verlassen.

Ziel des Projektes ist es, die Therapietreue zu erhöhen und dadurch das Rehabilitationsergebnis und die Lebensqualität des Patienten zu verbessern, Pflegeaufwände zu verringern oder Pflege zu vermeiden, einen längeren Verbleib in der eigenen Wohnung zu ermöglichen sowie einen wiederholten Schlaganfall zu verhindern. Das Projekt wird mit 7,1 Millionen Euro aus dem Innovationsfonds des Bundes gefördert und läuft noch bis September 2021. Doch auch danach soll es weitergehen und das Lotsen-Modell flächendeckend allen Schlaganfall-Patienten in Deutschland ermöglicht werden.

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