Christiane Thiel hilft manchmal der Blick von ganz oben

Lemgo. Morgens Bösingfeld, dann zwei Stunden Bünde, direkt weiter von Haustür zu Haustür in Vlotho, abends noch nach Lüdge und zum Abschluss dann nach Elbrinxen. &bdquo;Nur für mich, zum Runterkommen, ein Foto von den Störchen." Die Tage von Christiane Thiel sind prall gefüllt, doch Ermüdungserscheinungen? Die kennt sie nicht, zu groß ist der Elan, die Menschen von sich und ihrer Partei zu überzeugen.

Mit 18 Jahren ist die Lemgoerin in die Union eingetreten, tief beeindruckt von einer Klassenreise nach Berlin. 1989 war das, der Geist des Umbruchs in Ostberlin schien fast zum Greifen. &bdquo;Die haben friedlich und mutig für eine neue Gesellschaft gekämpft", erinnert sich die 50-Jährige noch heute bewegt zurück, danach war für sie klar: &bdquo;Auch ich will etwas für die Gesellschaft leisten." Sie beginnt, sich in der Kommunalpolitik zu engagieren, schrammt bei den Wahlen zweimal knapp am Ratsmandat vorbei und nachdem die jüngste Tochter 2020 aus der Grundschule ist, legt sie richtig los. 2021 übernimmt sie den CDU-Stadtverbandsvorsitz und hat schnell das Ok von Partei und der Familie, für den Landtag zu kandidieren. &bdquo;Das ist genau das, was dir Freude macht und was du willst", habe die Tochter gesagt – nur nach Düsseldorf sollten sie nicht ziehen.

&bdquo;Verbündete suchen, einen langen Atem haben, nicht aufgeben" Für ihr Landtagsmandat sieht sich Christiane Thiel gut gerüstet. Nicht alles sei in der Politik sofort umzusetzen, doch sie habe gelernt, damit umzugehen: &bdquo;Verbündete suchen, einen langen Atem haben, nicht aufgeben", sei dann die Devise. Gerade war sie auf der Domäne Oelentrup, zwei Stunden hat sie sich über Schweinezucht und Biogas informiert. Hat nachgefragt, wo die Probleme liegen, was es für die weitere Entwicklung auch angesichts der aktuellen Krise braucht. &bdquo;Zuhören, sprechen, aufnehmen und darauf reagieren", beschreibt sie ihren Stil und so anstrengend die letzten Tage vor der Landtagswahl auch sind – &bdquo;es macht mir Riesenspaß". Als Reiseleiterin und Stadtführerin falle ihr der Umgang mit Menschen leicht, habe sie gelernt, nach Informationen und Fakten zu suchen. Und eben damit will sei auch als Landtagsabgeordnete punkten. &bdquo;Damit kann ich dann die Voraussetzungen mitgestalten, dass die Infrastruktur in den Kommunen passt."

Im Kopf- an Kopfrennen mit dem Sozialdemokraten sieht sich die Ur-Lemgoerin in ihrem Wahlkreis (Lippe II/Herford III) um das Direktmandat und wenn das nicht reicht, klappe es mit Rang 34 vielleicht über den Listenplatz. Und während sie in der grünen Oase hinter ihrem schmalen Haus in der Lemgoer Altstadt sitzt, erzählt sie von den vielen Begegnungen, von den Menschen, die sie im Wahlkampf mit ihren Themen erreichen will. Klar schlage ihr Herz als Reiseleiterin für Kultur und Tourismus, doch natürlich brauche es Geld, um zu finanzieren, was sie &bdquo;Seelenfutter" nennt. Und dafür setzt sie auf Einklang von Industrie und Naturschutz. &bdquo;Wirtschaft und Klimaschutz können sich ergänzen", ist sie überzeugt. Wichtig sei es auch, das digitale Netz auszubauen, für Stadt und Land, nicht nur für Schulen und Homeoffice, sondern auch für die Landwirtschaft. &bdquo;Urban und ländlich dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden", ist die zweifache Mutter überzeugt. Handwerkliche und akademische Ausbildung sollten gleichermaßen wertgeschätzt werden und ein verpflichtendes Schüler-Praktikum im Handwerk würde zu deutlich mehr Nachwuchs in den Betrieben und weniger Studienabbrecher führen. 1000 Meter Mindestabstand vom Windrad zur Bebauung nennt sie einen weiteren Punkt, und ja, es gebe durchaus Schnittmengen mit den übrigen Parteien, doch die Wege dahin seien eben sehr verschieden.

Jetzt will sie noch einmal Gas geben, die Wähler überzeugen, dass sie die Richtige ist. Und wenn es dann doch einmal stressig wird, dann nimmt die Stadtführerin den Schlüssel vom St. Nicolai und klettert die vielen Stufen hinauf bis an den Aussichtspunkt. &bdquo;Der Blick von da oben, der bringt mich ganz schnell wieder runter." Manchmal helfe eben auch der Blick von ganz oben.

Werdegang Christiane Thiel ist gebürtige Lemgoerin. Sie ist 50 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Töchter im Alter von 13 und 22 Jahren. Sie hat Geschichtswissenschaften studiert, dann aber abgebrochen, um sich ganz der Tätigkeit als Reiseleiterin und Stadtführerin zu widmen. Seit 1989 ist sie Mitglied in der CDU und hat sei 2021 den Vorsitz des Stadtverbandes inne, außerdem ist sie Mitglied im erweiterten CDU-Kreisvorstand.

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