Wie Tierpsychologin Silvia Dober in Lemgo ihr Rudel managt

Lemgo . Morgens, zehn Uhr vor einem Haus am Waldrand: Vor der Haustür steht ein Paar Wanderschuhe, darauf ein zusammengefaltetes Handtuch. Eindeutig die Visitenkarte einer Hundehalterin, Utensilien, die sie dringend zum Gassigang und zum Pfotenabputzen im Anschluss braucht. Auf das Klingeln meldet sich ein mehrstimmiger Hundechor, Schritte nähern sich. Hier wohnt also ein Rudel, und damit liegt Hausherrin Silvia Dober absolut im Trend: Immer mehr Hundeliebhaber halten mehr als einen. Doch wie klappt das?

Sobald Silvia Dober die Haustür öffnet und die Reporterin begrüßt, ist das Gebell abrupt verstummt – und zwar ohne lautstarkes Kommando ihrerseits. &bdquo;Bellen ist bei uns erlaubt, aber sie wissen, dass ich mich kümmere, und dann ist Ruhe", erklärt die Tierpsychologin, während Kangal-Schäferhund-Mix Ellie mit wachem Blick, aber in gebührendem Abstand dem Besuch und ihrer &bdquo;Regierung" ins Haus folgt und sich neben ihr niederlässt.

Aufs Sofa nur mit Freigabe

Ein Blick in die Runde: Hundekörbe allerorten, dazu eine große, mit Laken abgedeckte Sofalandschaft: &bdquo;Wir wollen es gemütlich haben, und unsere Hunde auch." Allerdings: &bdquo;Aufs Sofa dürfen die Hunde nur nach Freigabe", Silvia Dober ist ganz klar die Entscheiderin. Jetzt kuscheln sich Bardino-Podenco-Mischling Theo und Schäferhund-Cattle-Dog-Mischling Franzi in ihre Körbe, während die 47-jährige Hundetrainerin von den Anfängen ihrer Hundeliebe erzählt. Ein altes Foto zeigt sie als Dreikäsehoch mit einer der zwei Doggen ihres Vaters an der Leine, buchstäblich auf Augenhöhe mit dem Hunderiesen.

Ausbildung und Job – lange konnte sie keinen eigenen Hund halten, engagierte sich stattdessen als Gassigängerin im Tierheim. Das Haus am Waldrand bot ideale Voraussetzungen für den ersten eigenen Hund: Paddy, ein Bordercollie-Husky-Mix, kam als Welpe ins Haus, und es blieb nicht bei einer Fellnase. Warum ein zweiter Hund, dann noch ein dritter? – &bdquo;Komisch, bei einer Mehrkinderhaltung fragt das auch keiner", sagt sie augenzwinkernd. Es war wohl einfach das Gefühl, dass da noch Platz und Liebe genug war für weitere Fellnasen.

Ohne Konsequenz gibt es Chaos

Aber: Der Mensch muss wissen, was er tut. Konsequenz, klare Regeln Geduld und eine gute Kommunikation sind dabei unabdingbar. Gute Kommunikation bedeutet für Silvia Dober nicht, auf die Tiere einzuquatschen: &bdquo;Ich rede natürlich mit meinen Hunden, aber das meiste läuft über Körpersprache."

Das ist schon bei einem Hund nicht einfach, bei mehreren aber unabdingbar: Wollen Ellie, Theo und Franzi mit rausgehen, dann wissen sie haargenau, was nun folgt: &bdquo;Früher habe ich ,Treppe’ gesagt, jetzt machen sie es von ganz allein." Will sagen: Alle drei nehmen artig auf den untersten Treppenstufen Platz und warten geduldig, bis die &bdquo;Regierung" sie nacheinander angeleint hat und das Zeichen zum Aufbruch gibt.

Übrigens immer in haargenau derselben Reihenfolge: Rudelführerin Ellie zuerst, dann der kastrierte Rüde Theo und am Ende Jungspund Franzi. &bdquo;Damit unterstütze ich die bestehende Rangordnung." Ellie darf zuerst aufs Sofa, Ellie bekommt zuerst ihr Futter. Ellie ist auch die einzige, die aus dem unteren Fach im Wohnzimmerschrank selbstständig Spielzeug holen darf.

Privilegien, die die kluge Hündin zu nutzen weiß: &bdquo;Wenn Franzi auf dem Sofa liegt, wo Ellie eigentlich hinwill, dann holt sie ein Spielzeug raus. Spielt da mit rum, macht es so richtig interessant, bis Franzi heiß drauf ist und ihren Platz preisgibt. Das ist dann genau der Moment, den Ellie für sich nutzt, um mit meiner Erlaubnis aufs Sofa zu kommen."

Kräftemessen nicht ausgeschlossen

Es könnte sein, dass es irgendwann mal zum Schwur kommt, wenn Junghündin Franzi sich daran macht, der alten Rudelchefin den Rang abzulaufen. &bdquo;Das muss ich im Blick haben", weiß Silvia Dober. Nicht immer spielt Ellie ihre Stellung aus: Beim ausgelassenen Spiel auf der Wiese ist sie auch mal die Unterlegene, lässt Fünfe gerade sein. Und wenn Theo und Ellie dem jungen Gemüse mal zeigen, was eine Harke ist, geht, wie ein Handyvideo beweist, der Blick der Kangal-Hündin immer wieder zur &bdquo;Regierung": &bdquo;Ist das auch okay, was ich mache?"

Silvia Dobers Stellung im Mensch-Hunde-Gespann ist unverrückbar, und auch das unterstreicht die Hundetrainerin im Alltag oft nonverbal. Schon ein bestimmter Blick, eine Augenbewegung reicht. &bdquo;Hunde lesen uns sehr genau." Das lässt sich ausnutzen. &bdquo;Ich setze mich manchmal mit meinem Essen auf dem Teller auf den Fußboden und stelle ihn vor mir ab. Einfach, weil ich es kann. Keiner der drei würde es wagen, zu klauen." &bdquo;Formale Dominanz", das schafft Vertrauen und Sicherheit bei den Hunden.

&bdquo;Wichtig ist, dass ich ruhig und gelassen bin. Und dass ich weiß, was ich will." Antiautoritäre Erziehung beim Hund funktioniert nicht, schafft eher Unsicherheit und Fehlverhalten. &bdquo;Es geht um ein emotionales Gleichgewicht. Auch ein Nein ist Liebe."

Jeder Hund bringt eine eigene Baustelle mit

Alles Regeln, die auch für einen einzelnen Hund im Haushalt gelten. Aber was, wenn nun ein weiterer dazukommt und dann noch einer? &bdquo;Man muss sich darüber klar sein: Mehr Hunde bedeuten viel mehr Arbeit und viel mehr Kosten." Pro Hund rechnet die Halterin monatlich mit 200 Euro, medizinische Notfälle nicht mitgerechnet. Und: &bdquo;Jeder neue Hund bringt eine eigene Baustelle mit und verändert das Gefüge innerhalb des Rudels."

Die erste Kontaktaufnahme zwischen den Vierbeinern sollte immer auf neutralem Boden, am besten bei gemeinsamen Spaziergängen, passieren. &bdquo;Es gibt auch Hunde, die einfach kein weiteres Familienmitglied wollen. Wenn Sie spazieren gehen und Ihr Hund findet alle Artgenossen doof, ist das schon mal ein Indiz."

Und: &bdquo;Wer einem alten Hund einen Welpen vorsetzt, muss das moderieren, weil der Kleine Gefahr läuft, dem Alten auf die Nerven zu fallen, was für keinen gut wäre." Und der Gedanke, dass eine vorhandene Fellnase den Neuankömmling schon erziehen werde, sei ein Trugschluss: &bdquo;Das werden, wenn man Pech hat, Partner in Crime."

Abschiednehmen gehört dazu

Und wieder geht es auch um Reihenfolge: Der neue Hund steht ganz unten in der Hierarchie und sollte keinesfalls bevorzugt werden, weil er es doch bestimmt ganz schwer hatte.

&bdquo;Theo hat Franzi am Anfang echt gehasst, sie hat ihn genervt. Ich habe allerdings gesehen, dass er das nicht ernsthaft so meint, und mit ihrer ersten Läufigkeit war es auch vorbei. Dann durfte sie plötzlich alles bei ihm." Theo kam kastriert aus dem Tierheim, sonst hätte Silvia Dober eine anstrengende Zeit, wenn die Hündinnen läufig werden. &bdquo;Man muss wirklich wissen, was auf einen zukommt, und das ist anstrengend."

Trotzdem möchte sie auf keinen ihrer Lieblinge verzichten. Und wenn dann doch mal die Zeit der Trennung gekommen ist, wird es für alle hart. Ihr wird immer noch schwer ums Herz, wenn sie an Paddys Tod denkt und an Ellie, die ihren Hundekumpel immer wieder anstupste, nachdem der Tierarzt ihn eingeschläfert hatte. &bdquo;Es ist ungeheuer wichtig, dass die anderen Hunde Abschied nehmen dürfen und wirklich begreifen können, was los ist." Das ist hart, &bdquo;aber der Tod gehört zum Leben dazu".

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