Mit Fotos: So viel Lemgoer Geschichte steckt in dem Haus der Krügers

Lemgo. Ursula Borsdorf kennt das Haus. In der heutigen Küche hat sie als Mädchen geschlafen, unter dem Dach haben nach dem Zweiten Weltkrieg die Flüchtlinge gelebt. Auf den Wiesen haben sie gespielt, im Anbau die Hühner gefüttert. Seit Bau 1927 ist das Haus an der Blomberger Straße 41 in Familienbesitz und ganz frisch auf die Denkmalliste der Stadt gerückt.

In Alleinlage steht das Haus auf der Anhöhe an der Blomberger Straße, weit entfernt von der Braker Stadtgrenze. Das war damals schon außergewöhnlich und auch heute noch, erzählt Nicole Krüger, gibt es nur zwei Reaktionen, wenn sie von ihrem Wohnsitz erzählt. &bdquo;Da hinten, da steht doch gar kein Haus mehr“, sei die eine Reaktion, die andere: &bdquo;Ich wollte schon immer wissen, wer dort wohnt“.

&bdquo;Wer wohnt denn da?“ Nun, die Antworten sind einfach: Das Haus gibt es ganz offensichtlich und Besitzer ist die Familie Krüger. Mario Krüger, Neffe von Ursula Borsdorf, Ehefrau Nicole Krüger und der 13-jährige Sohn leben mit Hund im Haupthaus, die Mutter wohnt gleich nebenan in der ausgebauten ehemaligen Scheune. Ein sogenanntes Kaffeemühlenhaus mit Walmdach, quadratisch und schlicht in der Optik, das damit die Reformarchitektur widerspiegelt, die sich kurz vor dem Ersten bis nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte. Sie stehe für den Verzicht von Ausschmückungen und den wachsenden Stellenwert des Wohnraumes, wie das Denkmalamt in seinem Gutachten schreibt.

Pauline Kaufmann, die Großmutter von Ursula Borsdorf, ließ das Gebäude 1927 zusammen mit ihrem Mann Wilhelm Strunk bauen, damals in Nebenerwerbslandwirtschaft mit knapp einem Hektar Acker und Wiesen. Auch Ur-Enkel Mario Krüger wuchs in dem Haus auf und hat es von Vater Rainer, dem Bruder von Ursula Borsdorf, übernommen. Der Grafik-Designer war es auch, der aktiv nach dem Denkmalstatus fragte. &bdquo;Eigentlich wollte ich es zum 100. Geburtstag des Hauses angehen“, erzählt er, doch nach einem Gespräch mit dem Denkmalbeauftragten der Stadt, Martin Kämper, ging es dann ganz schnell. Zwei Ortsbesichtigungen, ein städtisches Gutachten und einige Monate später darf er die Denkmalplakette an das Kaffeemühlenhaus hängen.

Mit Ehefrau Nicole wohnte er zunächst in dem in den 2000er zum Wohnhaus umgebauten Stall, bevor sie vor gut zwölf Jahren die Wohnungen mit den Eltern tauschten. Allerdings nicht, ohne zuvor im Haupthaus einiges umzubauen. Die dunklen Vertäfelungen an den hohen Decken rissen sie herunter, ebenso etliche Lagen Tapete von den Wänden. Unter den Teppichen kamen dicke Eichendielen zum Vorschein, nur der Flur, der machte ihnen zu schaffen. &bdquo;Die Handwerker rieten uns ab. Das sei nicht mehr zu retten“, erinnert sich der 49-Jährige schaudernd an die vielen Schichten Kleber, die in zäher gelber Masse den Boden dick bedeckten.

Schicht um Schicht abgelöst Doch sein Ehrgeiz war geweckt: Wie viele Stunden sie letztlich mit dem Schaber auf den Knien im Flur verbrachten? Auf alle Fälle jede Menge Arbeit, die sich letztlich lohnen sollte: Zutage kam der historische gut erhaltene Boden mit hellgrauen sechseckigen Steingutplatten, umrahmt von schwarzen Fliesen. Die kennt Tante Ursula Borsorf noch aus den Kindertagen: &bdquo;Wie oft haben wir diesen Boden gewischt.“

Die Wand zwischen Esszimmer und Küche, dem ehemaligen Mädchenzimmer von Tante Ursula, ließen die Krügers einreißen, um Platz für eine Kochinsel zu schaffen und Licht hineinzulassen. Auch das breite Treppenhaus mit dem original erhaltenen Flügeltüren im Rundbogen gingen sie an und ließen Fliesen und Dielen an der Treppe zum Vorschein kommen. Die Wände wurden verputzt und in weiten Teilen analog zu den damaligen Farben gestrichen. Graue und grüne Farbstreifen im oberen Bereich der hohen Wände greifen die ursprüngliche Farbgestaltung auf.

Das breite Treppenhaus bleibt weiterhin unbeheizt; im ersten Stock geht es direkt über den offenen Rundbogen in den Bereich, in dem ursprünglich die zweite Wohnung lag und heute die Schlafzimmer untergebracht sind. Eine schmale Treppe führt weiter hinauf bis unters Dach. Dort unter den noch original verputzten roten Hohlpfannen hat als Kind Vater Rainer Krüger als Kind geschlafen. Ohne Heizung, ohne Dämmung, lässt es Mario Krüger angesichts der Temperaturen erschaudern - &bdquo;da half im Winter nur das dicke Federbett vor dem Frieren“.

Zeugnis der Braker Geschichte Vieles ist in dem alten Haus trotz Umbauarbeiten noch erhalten, so dass das Denkmalamt das Haus in weiten Teilen unter Denkmalschutz stellte. Für Mario Krüger und seine Familie ein Zeichen der Wertschätzung und des bewussten Bewahrens eines Stückes der regionalen Geschichte. Denn das stattliche Gebäude stehe auch für die Geschichte der damaligen Gemeinde Brake, die im 19. Jahrhundert florierte und zur Ansiedlung von Gewerbe, kleinerer Industrie und damit auch zu neuer Wohnbebauung führte.

Dem zollt auch die Unterdenkmalstellung der Werkstatt Rechnung. Gebaut nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte sich der Schwiegersohn damals dort als selbstständiger Tischler, bevor er in die feste Anstellung zu Schlingmann wechselte - nur einem der damals florierenden Möbelhersteller aus Lemgo. Fenster, Türen und auch Decke sind in der Werkstatt noch im Originalzustand erhalten, die alte Kreissäge aber musste weichen. Mario Krüger kann sich noch gut an das spitze Sägeblatt erinnern, &bdquo;doch meine Mutter hatte Angst um uns Kinder und bestand darauf, die Säge abzubauen“.

Ein Haus mit Geschichte und vielen Geschichten. Und eben die wollen die Krügers erhalten. Angst, Auflagen oder auch Forderungen des Denkmalschutzes erfüllen zu müssen, hat Mario Krüger nicht. Ganz im Gegenteil hofft er, von der Expertise zu profitieren. Nächstes Projekt sei es, die Fenster auszutauschen, damit sie in alter Höhe, mit Zweiteilung und Oberlicht dem Haus wieder seinen historischen Charme verleihen. Ein durchaus kostspieliges Unterfangen, für das Martin Kämper vom städtischen Denkmalamt nach Möglichkeit nicht nur Fachwissen, sondern auch Fördergelder beisteuern will - im Sinne der Krügers und der Lemgoer Geschichte.

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