„Das grenzt an Kindeswohlgefährdung“: Diese Netz-Tipps gibt Expertin Silke Müller in Lemgo

Lemgo. &bdquo;Ihre Arbeit ist ein Weckruf, Verantwortung zu übernehmen“ - mit diesen Worten hat Jugendamtsleiterin Juliane Gaßmann den Vortrag von Silke Müller angekündigt. Die Schulleiterin ist als Digitalexpertin bekannt, hielt schon Vorträge im EU-Parlament und schrieb zwei Bestseller. Die Resonanz nannte Gaßmann &bdquo;überwältigend“. Die Stadt hätte leicht eine größere Halle als das Foyer des Innovation-Spin füllen können. Mehr als 90 Minuten referierte Müller über Risiken und Chancen von Smartphone-Nutzung sowie KI-Anwendungen und stellte sich in einer Podiumsrunde anschließend den Fragen. Die LZ fasst die fünf wichtigsten Erkenntnisse des Abends zusammen.

1. Technische Sperren reichen nicht aus Ein Vater wollte von Silke Müller wissen, wie er mithilfe von Jugendschutz-Apps eine absolut sichere Surf-Umgebung für seine Tochter erreichen kann. Antwort der Expertin: Gar nicht. Im Netz wimmle es vor Anleitungen, solche Sperren zu umgehen. Außerdem, so Müller, gebe es immer den einen Freund, der freien Zugriff habe - und über den verstörende Inhalte dann doch Einzug halten könnten. Müllers Appell: Verantwortung übernehmen, Kinder altersgemäß auf solche Inhalte vorbereiten und vor allem den Gesprächskanal offenhalten. &bdquo;Die Kinder suchen nicht explizit nach solchen Inhalten - sie stoßen darauf“, warnt sie. Gerade im Klassenchat würden von jenen, die nach Aufmerksamkeit gieren, &bdquo;völlig ungefiltert brutalste Videos“ weitergeleitet. Müller: &bdquo;Wir würden niemals 25 Kinder stundenlang im Klassenraum sich selbst überlassen - in der Whatsapp-Gruppe tun wir das aber. Warum?“

2. Wir brauchen Gesetze und Verbote Für Alkohol- und Tabakkonsum gebe es gesetzliche Regelungen, ebenso für viele andere &bdquo;jugendgefährdende“ Themen, nicht jedoch für den Umgang mit dem Smartphone und sozialen Netzwerken. Müller findet das fahrlässig. &bdquo;Einem Grundschüler das Internet in die Hosentasche zu packen - das grenzt für mich an Kindeswohlgefährdung.“ Eine Gesellschaft komme nie ohne Regeln und Gesetze aus, und gerade in diesem Bereich sieht sie Handlungsbedarf. Müller spricht sich zudem klar für ein Smartphone-Verbot an Schulen aus. Es gebe keinen Grund, die Nutzung auf dem Schulgelände zu erlauben. Selbst Cyber-Mobbing ließe sich so zumindest ein wenig eingrenzen.

3. Erwachsene sind schlechte Vorbilder Müller zeigt Fotos aus ihrem Freundeskreis: Lauter Erwachsene, die sich hinter ihren Smartphones verschanzen. &bdquo;Wir brauchen vielleicht auch Petitionen für handyfreie Gaststätten“, regt Müller an. Die heutigen Erwachsenen würden ihre Fotoalben über Apps wie Instagram plötzlich der ganzen Welt zeigen wollen. Noch heute seien sie es, die Kinderfotos unreflektiert im Netz teilten - etwas, das Müller scharf verurteilt, zumal es durch Künstliche Intelligenz noch leichter gewordenen sei, Bilder für kinderpornografische Machwerke zu missbrauchen. Ein weiterer Rat: &bdquo;Vereinbaren Sie digitalfreie Sonntage. Und: Kein Smartphone nach 20 Uhr im Schlafzimmer! Damit das Hirn zur Ruhe kommt.“

4. Eltern sind zu ahnungslos Spieleplattformen wie Roblox werden millionenfach genutzt. Dabei gelte genau wie für TikTok: &bdquo;Ihre Kinder sind dort nicht sicher.“ Es gebe Spielbereiche, die Hass auf Juden und Ausländer propagierten, wo Kinder manipuliert würden. Bei TikTok wiederum sei der Algorithmus so fein justiert, dass Nutzer in kürzester Zeit in einer Filterblase landeten. Reddit, eigentlich eine Foren-Plattform, sei voller verstörender Inhalte. Cyber-Grooming, also das Heranpirschen von Erwachsenen an Kinder im Netz, sei ein enormes Risiko für sexuellen Missbrauch, das Eltern kaum auf dem Schirm hätten. Dabei sei die Scham derer, die etwa ein Nacktfoto versendet hätten und dann erpresst würden, so groß, dass sie sich nicht trauten, sich an die Eltern zu wenden. Müller ruft Eltern dazu auf, sich damit stärker auseinanderzusetzen. Dies gelte allerdings auch für die Chancen im Netz, vor allem für KI-Anwendungen. &bdquo;Wir alle werden womöglich noch humanoide Roboter in unserem Alltag erleben“, ist Müller überzeugt. Die Aufgabe von Eltern und Pädagogen sei es, zu experimentieren und im Gespräch darüber zu bleiben.

5. Es gibt mutmachende Signale Bei der abschließenden Podiumsdiskussion trat auch ein Lemgoer Realschüler auf, der unlängst zum &bdquo;Medienscout“ ausgebildet wurde. Für Müller sind Initiativen wie diese der richtige Weg. So wurden über die Landesanstalt für Medien in NRW seit 2011 mehr als 8500 Schülerinnen und Schüler so geschult, dass sie anderen bei Fragen und Problemen unterstützen können. Allein in Lippe machen 13 Schulen mit. &bdquo;Und auch Sie machen mir Mut“, sagte Müller an das Publikum gewandt. &bdquo;Erziehen Sie Ihre Kinder zu Moral und Anstand.“ Ihre wichtigste Hausaufgabe für alle Anwesenden: &bdquo;Nehmen Sie Ihre Kinder in den Arm. Sagen Sie Ihnen, dass sie richtig sind, wie sie sind, und dass sie gemeinsam gut durch diese herausfordernde Zeit kommen werden.“

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