Celsy Dehnert rechnet in Lemgo mit dem System ab

Lemgo. In eindringlichen Worten, mit spürbarer Wut, aber auch großer Menschlichkeit hat Autorin und Aktivistin Celsy Dehnert in einer Lesung ihr Buch &bdquo;Das Gefühl von Armut“ (2024) im Wippermannschen Haus vorgestellt. Eingeladen hatte die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Lemgo Christiane Osterhage und die Volkshochschule, vertreten durch Dr. Sonja Girod. Die konnte rund 40 Gäste begrüßen.

Das Publikum wurde mit einer unbequemen Wahrheit über unsere Gesellschaft konfrontiert. Während die Zahl der Millionäre in Deutschland auf drei Millionen wachse, liege die Zahl der armutsgefährdeten Menschen bei 13 Millionen. &bdquo;Es ist nicht zu wenig Geld da, es ist nur ungleich verteilt und wir trauen uns nicht, es von denen zu holen, die es in Überfluss haben“, lautet die Devise von Celsy Dehnert, die selbst in Armut aufgewachsen ist.

Selbsthass wegen Armut Dehnerts Buch ist kein nüchternes Sachbuch, kein distanzierter Blick auf Armut. Sie will den erschütternden Armutsstatistiken ein Gesicht verleihen. Es ist ein persönliches Zeugnis, eine Anklage gegen ein System, das immer mehr Menschen zurücklässt. Mit klarem Blick beschreibt sie, wie sich Armut anfühlt: als Herzrasen an der Supermarktkasse, wenn die EC-Karte wegen Überziehung streikt und der Einkaufswagen wieder ausgepackt werden muss.

Es ist die Angst vor unerwarteten Ausgaben und die Scham, seinen Kindern keine warme Mahlzeit kochen zu können. Aus eigener Erfahrung stellt sie dar, wie Armut nicht nur den Geldbeutel betrifft, sondern die Psyche ein Leben lang bis hin zum Selbsthass prägt. Es ist das Gefühl permanenter Unsicherheit und Panik vor der Mangelspirale.

Armut sei kein individuelles Versagen, sondern strukturell verankert. Armut gehe längst über die viel zitierte &bdquo;Unterschicht“ hinaus. Unter den steigenden Lebenshaltungskosten und stagnierenden Löhnen leideten viele, denen ein angemessener Mindestlohn vorenthalten werde. Insbesondere nahm sie alleinerziehende Mütter in den Blick, von denen 43 Prozent in Armut leben würden. Statt ein kostenloses Mittagessen in Betreuungseinrichtungen und einen armutsfesten Mindestlohn einzuführen, führten Politiker eine Scheindebatte, wie sie den angeblichen Missbrauch des Bürgergeldes bekämpfen wollen, um von den wirklichen Problemen abzulenken.

Arme Kinder rechnen besser In ihrer Lesung verband Dehnert ausgewählte Passagen ihres Buches mit persönlichen Anekdoten und gesellschaftspolitischen Einordnungen. Sie sprach über die gesellschaftliche Abwertung von Armen und &bdquo;sozial Schwachen“, die beschuldigt würden, mit Geld nicht umgehen zu können und arbeitsscheu zu sein.

Das Gegenteil sei jedoch der Fall. Kinder aus armen Familien könnten oft viel besser rechnen als reiche Kinder, weil sie gelernt hätten, jeden Euro umzudrehen. Sie ging auch darauf ein, warum ausgerechnet Menschen in prekären Lebenslagen dazu neigen, Parteien zu wählen, die für Armutsbekämpfung nichts übrig hätten.

Die Angst mache blind fürs große Ganze und verleite dazu, schlichten Parolen von Rechtspopulisten auf den Leim zu gehen. Armutsbekämpfung könne daher den Rechtsruck in der Gesellschaft aufhalten. In einer Gesprächsrunde mit dem Publikum wurde das Thema vertieft.

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