Vor 65 Jahren: Wie Leese in Minuten durch einen Wirbelsturm verwüstet wurde

Lemgo-Leese. Innerhalb weniger Minuten hatte sich der Himmel über Leese in eine dunkle Wand verwandelt. Vor genau 65 Jahren, am 13. Juni 1960, fegte ein Wirbelsturm über den Lemgoer Ortsteil hinweg und richtete in kürzester Zeit massive Schäden an.

&bdquo;Das werde ich nie vergessen“, sagt Gerhard Repp. Er war damals fünf Jahre alt und stand mit seiner Familie im Hausflur, als plötzlich ein Blitz ins Gebäude einschlug. &bdquo;Über meinem Kopf kam eine kleine Stichflamme. Die Sicherungen sind rausgeflogen und ich habe gesehen, wie draußen reihenweise Bäume umgefallen sind“, erzählt Repp. Die große schwarze Wolke sei so schnell wieder verschwunden, wie sie gekommen war.

Seltenes Naturereignis Das Wohnhaus der Familie blieb weitgehend verschont, doch nur wenige Meter weiter sah es ganz anders aus: Die &bdquo;Freie Presse“ titelte das Ereignis vom 14. Juni 1960 mit &bdquo;Wirbelsturm verheerte gestern in 15 Minuten Leeses Zentrum“. Darin ist von einem seltenen Naturereignis die Rede.

Im Umkreis von etwa 500 Metern Durchmesser sei kaum ein Dach unbeschädigt geblieben. Zahlreiche seien abgedeckt, Giebel eingedrückt, Bäume wie Streichhölzer abgeknickt oder mit ihren Wurzeln aus dem Boden gerissen worden.

Fünf Familien wurden obdachlos Gleichzeitig habe ein Hagelschauer die Straßen und Wege im Leeser Ortskern in reißende Schlammfluten verwandelt. Nach geschätzten zehn bis 15 Minuten habe sich das Unwetter ausgetobt. &bdquo;Zurück blieb ein Bild trauriger Verheerung“, heißt es in dem Bericht.

Kein Mensch sei zu Schaden gekommen, doch fünf Familien seien innerhalb weniger Minuten obdachlos geworden. Sie wurden daraufhin in Notunterkünften untergebracht. Drei Häuser seien schwer und drei weitere leicht beschädigt worden. Zwei Häuser mussten abgerissen werden.

Besonders betroffen gewesen seien die alte Schmiede sowie die Besitze der Familien Kuhlenkotten und Althöfer: Auf dem Hof Kuhlenkotten habe der Sturm eine alte Eiche mitsamt Wurzeln aus dem Boden gerissen und auf das Wohnhaus geschleudert.

Walnussgroße Hagelkörner Bei der Schmiede Althöfer sei eine festgemauerte Giebelwand etwa 25 Zentimeter tief eingedrückt worden. Auch viele neue Siedlungshäuser seien nicht verschont geblieben. Entwurzelte Bäume blockierten Zufahrtsstraßen, zerrissene Telefon- und Lichtleitungen sorgten für weitere Probleme.

Die walnussgroßen Hagelkörner hätten vor allem in Feldern und Gärten erhebliche Schäden angerichtet. Die Ernte innerhalb des Wirbelzentrums sei vernichtet worden. &bdquo;Von Kartoffeln, Bohnen und anderem Gemüse ragen nur noch die entlaubten Strünke gespenstisch in die Luft“, heißt es in einem Zeitungsbericht.

&bdquo;Im nur drei Kilometer entfernten Lemgo dagegen schien zur gleichen Zeit die Sonne vom blauen Himmel“, schreibt Günter Rhiemeier in dem Buch &bdquo;Leese, aus der Geschichte eines lippischen Dorfes“. In den Nachbarorten sei lediglich ein Hagelschauer niedergegangen. Die volle Wucht des Sturms traf allein Leese.

Brief an den Bundeskanzler Nur wenige Tage nach dem Unwetter wandte sich der damalige Bürgermeister des Dorfes, August Göhner, in einem Brief an Bundeskanzler Konrad Adenauer. Darin heißt es: &bdquo;Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! In der Annahme, dass Sie auch während Ihres Urlaubs in Cadenabbia über Fernseh- und Rundfunk von dem Schicksal unserer kleinen Gemeinde Leese, Kreis Lemgo, beziehungsweise gesehen oder gehört haben, stelle ich hiermit die bittende Frage: Welche finanzielle Hilfe kann seitens der Regierung geleistet werden, um Betroffenen zu helfen?“

Bürgermeister Göhner schätzte den Schaden damals &bdquo;in die Hunderttausende“. Die Bundesregierung ließ den Vorfall prüfen. In einem Antwortschreiben heißt es, die Kreisverwaltung Lemgo habe das Ausmaß der Schäden erhoben. Demnach beliefen sich die Schäden bei den betroffenen Einwohnern – ohne landwirtschaftliche Betriebe – auf rund 8000 D-Mark.

Keine finanzielle Bundeshilfe Die Schäden an landwirtschaftlichen Betrieben seien durch Versicherungen gedeckt gewesen. Finanzielle Bundeshilfe könne jedoch nur gewährt werden, wenn eine Existenzgefährdung vorliege, so das Schreiben weiter. In diesem Fall sah die Bundesregierung keine Möglichkeit zur Unterstützung.

An das Unwetter von 1960 erinnert heute kaum mehr etwas – außer den Erinnerungen derjenigen, die es miterlebt haben. &bdquo;Die beschädigten Häuser wurden damals abgerissen. Dort stehen jetzt schon lange neue Häuser“, sagt Repp. Sehr viel sei in Eigenleistung wieder aufgebaut worden, erinnert sich Hildegard Limberg. Die Aufräumarbeiten gingen über Wochen. Auch den Leeser Krug habe das Unwetter getroffen. Limberg erinnert sich an viele Schaulustige, die einkehrten, um sich das beschädigte Dach anzuschauen.

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