Mit Fotos: Warum selbst Packeis diese Lemgoer nicht von ihrem Wohntraum abschrecken konnte

Lemgo-Lieme. Ein Paradies, sagt Nikolaus Risch - und eigentlich sei es noch viel schöner geworden als geträumt. Ein Refugium im Grünen, das er sich mit Bruder Rüdiger und ihren Familien mühsam aufgebaut hat. Stein für Stein, Balken für Balken haben sie in das alte Bauernhaus renoviert - &bdquo;irgendwelche Verrückten muss es ja geben“.

1986 war das, als sie auf das alte Hofbauerngut am Liemer Turmhof stießen. Eine Ruine damals, Dach und Grundmauern aber waren gut erhalten. Als gebürtiger Lemgoer war der Universitätsprofessor frisch zurück nach Lippe gezogen und suchte mit seinem Bruder nach einem neuen Zuhause. Ein Freund hatte die benachbarte Scheune auf der Hofanlage gekauft, Altenteil und alter Fluchtturm waren ebenfalls separat zu verkaufen, doch für die Rischs sollte es das Haupthaus werden. Auch, wenn der erste Besichtigungstermin durchaus hätte abschrecken können: Im Winter war das, kurz nach einem Hochwasser und im Keller, erinnert sich der heute 75-Jährige, &bdquo;war ein Meter Packeis gefroren“.

Jede freie Minute investiert Doch selbst das konnte sie nicht abhalten - und nein, eine konkrete Vorstellung von dem, was da auf sie zukommen sollte, hatten sie wohl nicht, erzählt der Chemie-Professor, der von 2008 bis 2015 Präsident der Universität Paderborn war, während er den Blick vom Wohnzimmer aus durch die bodentiefen Fenster in den Garten schweifen lässt; und ganz klar, ohne das Knowhow und den Sachverstand des Bruders, einem versierten Handwerker, wäre das Ganze wohl nichts geworden.

Doch so packten die Brüder mit ihren Familien an. Und Neffe Bennet Risch, der mittlerweile die im Erdgeschoss liegende Wohnung von Vater Rüdiger übernommen hat, war damals schon als Kind dabei. Jedes Wochenende verbrachten sie auf der Baustelle, im Campingwagen, im Zelt, um vorzubereiten, was die Handwerker im Anschluss übernehmen sollten. &bdquo;Ein Abenteuer war das, auch für uns Kinder“, und der Gemeinschaftsgeist von Familie und vielen helfenden Freunden hätte sie wohl angetrieben, wie Onkel Nikolaus Risch ergänzt.

Das Haus, dessen Ursprünge wohl ins 13. Jahrhundert zurückgehen, haben sie von Grund auf saniert. Bruchsteinmauern geputzt und erneuert, die alten Balken abgestrahlt und ergänzt. Am Liemer Turmhof hatte der Hof an der damaligen langen Wallanlage als Wachposten und vielleicht auch zur Zollerhebung gedient, einer von vier Turmhöfen, die entlang der gut 30 Kilometer langen Wehranlage rund um Lemgo gebaut worden waren. Aufgrund seiner historischen Funktion wurde er 1984 zum Denkmal erklärt.

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Deal mit dem Denkmalamt Und mit dem Denkmalschutz mussten sich auch die neuen Besitzer arrangieren. &bdquo;Betonboden samt Fußbodenheizung haben wir den Denkmalschützern damals abgehandelt“, erzählt Nikolaus Risch, ansonsten wäre es wohl auch allein aus akustischen Gründen mit den zwei Parteien im Haus nichts geworden. Während Nikolaus Risch mit Ehefrau und Sohn oberhalb der großen, hohen Deele einzog, nahmen Bruder Rüdiger und Familie den unteren Teil ein. Gut 140 Quadratmeter reine Wohnfläche seien so pro Wohnung entstanden, dazu noch massig Fläche für Lagerräume, &bdquo;und wie das so ist“, hat sich Nikolaus Risch der Situation ergeben, &bdquo;wenn man so viel Fläche hat, dann wird auch immer mehr angesammelt und gelagert“.

Noch gut kann er sich an die Bauzeit erinnern, als es fast jede Woche eine neue Herausforderung gab. Der Schornstein, der plötzlich abgetragen werden musste, die frei gestaltete Konstruktion, die sie spontan bauten, um kaputtes Fachwerk zu stützen oder auch den 13 Meter langen Holzbalken für die Decke, den sie per Flaschenzug nach oben ziehen mussten. Stück für Stück sei das damals gegangen, &bdquo;weiter haben wir auch gar nicht vorausgeschaut, sonst hätte uns vielleicht der Mut verlassen“.

Eigener Fuhrpark am Haus Nach knapp zwei Jahren konnten sie einziehen - und sind froh, schon damals auf moderne Technik und Ausstattung gesetzt zu haben. Einen gemütlichen Rundofen haben Rischs im Wohnzimmer installiert, befeuert mit dem Holz aus dem eigenen Wald. Dank zum Teil offener Fachwerkwände sind die Räume großzügig und hell gestaltet. Die bodentiefen Fenster zum Park hinaus konnte er dem Denkmalschützer abringen. &bdquo;Das moderne Auge“ habe der es damals genannt. Große Holzfenster mit Streben, die Licht hinein lassen und den Blick hinaus ins satte Grün gewähren.

70 Holzfenster sind in dem Haus verbaut, Fachwerk dominiert; es ist vor allem das viele Holz und diese besondere Atmosphäre, die Bennet Risch so liebt. Gut beschützt hinter den dicken Bruchsteinmauern, die im Sommer die Hitze draußen und im Winter die Wärme drinnen lassen.

Aufgewachsen auf dem alten Hof, zog der heute 49-jährige Physiotherapeut nach Lemgo und tauschte später die Wohnung mit den Eltern. Hier sind seine Kinder zur Welt gekommen, und eine andere Heimat können sie sich wohl nicht mehr vorstellen. Mehr als zwei Hektar bewirtschaften sie gemeinsam mit den anderen Besitzern von ehemaliger Scheune, Altenteil und Fluchtturm auf dem weiten Areal - inklusive eigenem Fuhrpark mit Treckern, Baggern, Anhängern und Aufsitzmähern.

Holz aus dem eigenen Wald Im gepflegten Garten haben sie sich einen überdachten Pool gebaut, gleich gegenüber von der 500 Jahre alten Eiche und dem kleinen Pfad, der hinunter zum Sitzplatz an der vorbeiplätschernden Ilse führt. Ein Gerüst versperrt aktuell ein wenig den Blick auf das große Haus, das im vergangenen Jahrhundert um einen zweigeschossigen Anbau und einen Turm erweitert wurde. Das Fachwerk muss ausgebessert werden, doch danach, hofft Nikolaus Risch, &bdquo;sind wir mit dem Sanieren wohl erst einmal durch“.

Holz zum Heizen kommt aus dem eigenen Wald, dazu gibt es noch eine Streuobstwiese und nicht zu vergessen, die eigens angelegte Laufstrecke. Die führt Leistungssportler Nikolaus Risch einen Kilometer rund um das Gelände, die Wege dafür mäht Neffe Bennet mit dem GPS-gesteuerten Mähroboter aus. Und während sich Orientierungsläufer Risch auf dem Laufpfad fit macht, um die nächsten deutschen Meisterschaften zu gewinnen, zieht es Neffe Bennet zum Hochsitz hinaus.

Revier direkt vorm Haus Als passionierter Jäger hat er sein Revier direkt vor der Tür, die Rehe kommen schon einmal bis in den Garten, und auch die Störche wissen ihr Nest hoch oben auf dem Pfahl Jahr für Jahr zu schätzen.

&bdquo;Schöner kann man es doch nicht haben“, erklärt dann auch Bennet Risch, der frisch aus der eigens eingerichteten Werkstatt kommt, im Brustton der Überzeugung, während Nikolaus Risch den Lieblingsplatz an den hinteren Wiesen unter den dicht behangenen Walnussbäumen zeigt. &bdquo;Ein Paradies“, wie er sagt, &bdquo;doch das erfordert unglaublich viel Arbeit“. Viel Arbeit, die sie neben dem Beruf in der eigenen Physiotherapiepraxis und im Vorstand der Heinz-Nixdorf-Stiftung zu bewältigen haben. Denn: &bdquo;Ein schnuckliges Fachwerkhäuschen in der Innenstadt ist das nicht.“

Irgendwo gibt es immer etwas zu tun. Und dann seien da noch die vielen weiteren Möglichkeiten, wie etwa auf dem Dachboden. Fußballfeldgroß sei der - ein Gartenhaus hat sich Nikolaus Risch dort eingerichtet, erzählt er lachend. Doch all das müsse man wollen - halt eine Lebensaufgabe.

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