Kriegsende in Brake: Bürgermeister Sackmann und sein Amt wider Willen

Lemgo-Brake. Es herrschte Chaos, Durcheinander, Lebensmittel waren knapp, Plünderungen mitunter an der Tagesordnung. Eindringliche Schilderungen von den letzten Kriegstagen in Brake und dem Einmarsch der Amerikaner hat der kommissarische Bürgermeister Robert Sackmann hinterlassen. Ein Bürgermeister wider Willen, wie seine Aufzeichnungen zeigen, die Karl-Heinz Richter wiedergefunden hat.

Vor Kurzem erst hat Karl-Heinz Richter die handschriftlichen Aufzeichnungen zwischen den Seiten des Brake-Buches wiederentdeckt. Der gebürtige Bräker und langjährige Vorsitzende des Vereins Alt Lemgo hat den Krieg selbst noch miterlebt; 1938 an der Lemgoer Straße geboren, sah er, wie die SA ganze Heerscharen von Fremdarbeitern vor sich her trieb, erlebte den Niedergang der Nationalsozialisten und das heillose Durcheinander der letzten Kriegstage. Von denen berichtet auch der damalige kommissarische Bürgermeister von Brake, Robert Sackmann, der sein Amt eher unfreiwillig übernommen hat.

Denn mit dem vorherigen Bürgermeister Heinrich Siekmann hatte es ein schlimmes Ende gefunden. Das Parteimitglied, Sturmführer der SA, wurde auf der Flucht erschlagen - es hieß, so schreibt Sackmann in seinen Aufzeichnungen, &bdquo;daß Siekmann bei seiner Vernehmung die Flucht ergriffen habe, im Felde westlich der Detmolder Straße in Höhe des Friedhofes jedoch eingeholt und mit Gewehrkolben erschlagen sei“. Die genauen Umstände des Todes des Braker Bürgermeisters sind bis heute nicht geklärt, doch Brake stand damit zum Kriegsende Anfang April ohne Gemeindeoberhaupt dar.

Dabei breitete sich das Chaos zunehmend aus und dafür hatten auch die Nazis Sorge getragen: Deren Ziel war es, den nahenden Amerikanern Chaos zu hinterlassen, wie auch Sackmann sich erinnert. &bdquo;Als die feindliche Kampffront immer näher rückte - ein bis zwei Tage vor dem Einmarsch in die Gemeinde - erhielt jeder zusätzliche Lebensmittelrationen, unter anderem Ostereier und große Mengen Spirituosen.“ Sackmann sah Frauen, die ganze Wassereimer, bis oben gefüllt mit Schnaps, nach Hause trugen, vermutlich, wie er schreibt, um den &bdquo;Mut zur Vernichtung allen Bestehenden (...) zu stärken“.

Frau flehte ihn an Am 4. April stand auch Brake unter Beschuss: Die &bdquo;Granaten sausten (...) überwiegend über den Ort hinaus“, doch die Bewohner waren in Panik, zumal es kaum neben dem Felsenkeller kaum bombensichere Keller gab. Die deutschen Soldaten hatten längst die Flucht gesucht und so rückten die Amerikaner am 4. April 1945 kampflos in Lemgo und Brake ein. &bdquo;Jedes Haus wurde übervoll, auch mit Negern belegt.“ Insgesamt aber, so konstatiert Siekmann, herrschte &bdquo;gute Kriegsdisziplin“.

Die Jagd nach hohen Parteimitgliedern begann und bald schon machte die Runde, dass Bürgermeister Siekmann erschlagen worden war. So war die Gemeinde ohne Bürgermeister und die vom Lemgoer Bürgermeister Becker zur Verfügung gestellte unbewaffnete Hilfspolizei machtlos gegen Plünderungen, die vor allem von freigelassenen Zwangsarbeitern ausgingen, wie Sackmann notiert und schreibt: &bdquo;Der Zustand war äußerst ernst, denn niemand von den Gemeinderäten, weil Nazis, kümmerte sich um die entstandene Lage und andere Bürger brachten nicht den Mut auf.“

Schon am 5. April seien Bürger dann zu ihm gekommen mit der Bitte, die Geschäfte des Bürgermeisters zu übernehmen. &bdquo;Auch Frau und Tochter wurden bestürmt.“ Händeringend hätte seine Frau ihn gebeten, abzulehnen und zitiert sie mit den Worten: &bdquo;Unsere kommen doch zurück. Unser Junge ist an der Ostfront vermißt und du wirst aufgehängt.“ Doch Sackmann ließ sich nicht abbringen - zumal sich kein anderer fand - und übernahm das kommissarische Amt. Am 9. April erhielt er die schriftliche Ernennung des Kommandanten.

Milch für die Kleinen Mit Hilfe fleißiger Frauen gelang es ihm, den Verwaltungsapparat wieder ans Laufen zu bringen, auch eine Übersetzerin war schnell gefunden. Mit etwas Druck war auch der vormalige Finanzverwalter wieder dabei. Vorrangige Aufgabe für Sackmann war es, die Versorgung mit Lebensmitteln zu sichern. &bdquo;Reichsbahn, Post, Kraftwagen lagen still. Die Milchwagen von außerhalb wurden durch die Polen umgeworfen“, schreibt er in seinen Aufzeichnungen. &bdquo;Milchhändler Heinrich Begemann (...) hat vom ersten Tage an Tag und Nacht und mit Gefahren verbunden, es verstanden, soviel von den Bauern und später zusätzlich von der Molkerei Lemgo heranzuholen, daß unsere Kleinen (...) keine Not gelitten haben. Manche Mutter (...) hat mir darob die Hand gedrückt.“

Die amerikanische Kommandantur führte ein strenges Regime. &bdquo;Alle Ortseingänge wurden besetzt, Häuser umstellt und die Soldaten herausgeholt und mit Lastwagen abtransportiert.“ Sackmann gelang es, den einzigen Schlachter in der Gemeinde wieder freizubekommen, &bdquo;so daß die Versorgung auf diesem Gebiet wieder intakt wurde“. Mit Einzug der Briten Ende April entspannte sich die Lage.

Wenngleich auch weiterhin unangenehme Aufgaben für den kommissarischen Bürgermeister bereitstanden: Kleider oder auch Möbel sollten von ehemaligen Nationalsozialisten eingesammelt werden, &bdquo;es gab viel Ärger und Verdruss“, wie Sackmann schreibt und bilanziert: &bdquo;Es ist keine leichte Aufgabe gewesen, in jenen schwern Tagen Bürgermeister von Brake zu sein.“

Lange musste er sein Amt nicht ausführen. Noch 1945 übernahm Fritz Schröder das Bürgermeisteramt, um es 1946 an Friedrich Berlin zu übergeben.

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