Lemgo. Zum ersten Mal gastiert von Freitag, 12. September, bis einschließlich Sonntag, 14. September, der Circus Freiwald in Lemgo. In der gut zweistündigen Show „The Legend of Circus“ präsentieren sechs Mitglieder der Familie Freiwald und internationale Artisten die Geschichte des Zirkusses. Mit dabei sind 30 Tiere, darunter Kamele, Lamas, ein Zebra, Andalusierpferde und Ponys. Zudem bringt die Drahtseilartistin „Miss Jennifer“ Tiago und Tamika mit in die Manege, zwei große Ara-Papageien, die im Zelt frei herumfliegen. „Nur mit kleinen Leckerbissen zur Belohnung und viel Geduld habe ich den beiden die Kunststücke beigebracht“, sagt die 22-jährige Niederländerin. Die LZ hat den Zirkus während des Aufbaus auf dem Regenstorplatz besucht und dem 35 Jahre alten Juniorchef Jeffry Freiwald einige Fragen gestellt. Herr Freiwald, Sie legen in Ihrer Außendarstellung viel Wert auf artgerechte Haltung und weisen auf regelmäßige Kontrollen hin. Wie genau muss ich mir das vorstellen? Jeffry Freiwald: Die Amtstierärzte schauen bei jedem Standort vorbei. Manchmal geben sie uns bewusst erst Zeit zum Aufbauen, manchmal sind sie schon direkt beim Ein- und Ausladen dabei. Man sagt ja, gerade der Transport wäre stressig, aber unsere Tiere, auch temperamentvolle Hengste, kommen gechillt da raus, auf gut Deutsch gesagt. Das merkt ein guter Veterinär sofort. Und das sage ich auch dem Publikum – in der Pause können sich alle selbst ein Bild machen. Meiner Meinung nach spürt doch jeder gleich, ob es einem Tier gut geht, das ist wie bei Haustieren. Viele unserer Tiere sind schon deutlich älter geworden, als in Lehrbüchern steht. Auch das sagt doch etwas aus. Worauf achten Sie besonders bei der Haltung? Jeffry Freiwald: Die Pflege, die Aufmerksamkeit, das ist für uns oberste Priorität. Dass die Tiere immer unter Kontrolle und in menschlichem Kontakt sind. Es ist stets jemand da. Wichtig ist auch, die Tiere in Gruppen zu halten, wo es passt. Natürlich gibt es Charaktere, die nicht harmonieren – das berücksichtigen wir. Wir achten auf kurze Transportwege, Außengehege und sprechen die Plätze mit den Städten vorher sehr genau ab, damit es für die Tiere passt. Auf dem Regenstorplatz zum Beispiel liegt Schotter. Ein Problem? Jeffry Freiwald: Ein gutes Beispiel: Auf den ersten Blick könnte man das denken. Aber: Die Tiere haben Abwechslung. Mal stehen sie auf Wiese, wie an unserem letzten Standort, mal auf Schotter oder anderen festen Untergründen – das ist gut für die Hufe und sorgt für Anregung. Sehen Sie, es ist gut und wichtig, dass Menschen ihre Bedenken äußern und wir antworten. Unser Zebra Smiley etwa läuft manchmal nervös auf und ab - etwa wenn seine Freunde, die Ponys, gerade in der Manege sind. Nicht weil es gestört ist, sondern weil es seine Kumpels vermisst. Ein kurzes Video von diesem Verhalten würde aber nur den Ausschnitt zeigen, ohne Kontext. So etwas passiert leider immer wieder mal. Was macht für Sie den Reiz der Tiernummern aus? Sie sagen ja, diese seien die „emotionalen Höhepunkte“. Jeffry Freiwald: Das ist Faszination pur. Es ist die Verbindung von Mensch und Tier. Und die ist Jahrtausende alt. Jedes Tier hat seinen eigenen Charakter, so wie Menschen auch. Manche sind sportlich, andere gemütlich. Das Publikum spürt diese Echtheit sofort. Und wenn mal etwas nicht klappt, dann ist das so – wir zwingen die Tiere nicht. Was uns ja vorgeworfen wird, ist, wir seien zu streng mit den Tieren, die müssten immer funktionieren. Nein, müssen sie nicht. Entscheidend sind Respekt, Zuneigung und Vertrauen. Ihre Familie ist seit 250 Jahren in diesem Geschäft. Können Sie sich einen Zirkus ohne Tiere vorstellen? Jeffry Freiwald: Wir verstehen uns als Tierlehrer, sind auch im Berufsverband. Für uns gehört das Tier zum klassischen Zirkus, neben Clownerie und Artistik. Ein Zirkus ohne Tiere ist für uns ein Varieté. Wir sind seit acht Generationen im Zirkus tätig. Ich selbst bin zwischen Elefanten- und Giraffenbeinen groß geworden. Diese Verbindung prägt uns – und wir möchten sie bewahren. Natürlich entwickeln wir uns weiter, aber die Mischung aus Komik, Tier und Artistik bleibt der Kern. Sie möchten also zeigen, dass das geht: Einen Zirkus mit Tieren führen, auch in 20 oder 30 Jahren? Jeffry Freiwald: Ja, und das ist ein 24-Stunden-Job mit viel Verantwortung. Unser Wohnwagen steht nur wenige Meter entfernt, wir sind Tag und Nacht da. Es ist nicht immer leicht, aber es ist eine Leidenschaft. Wir wollen den Menschen zeigen: Tiere gehören zu unserem Leben, und sie können bei uns sehen, dass man sie gut pflegen und mit ihnen respektvoll umgehen kann. Was die Tiere einem dann zurückgeben, das ist unbezahlbar. Gibt es an jedem Ihrer Gastspielorte Kritik? Jeffry Freiwald: Wenn das so wäre, würden wir uns fragen: Massig Kritik an jedem Standort? Machen wir wirklich alles richtig? Aber so ist es nicht. Wir erfahren auch sehr viel Zuspruch. Ich finde es schön, wenn Familien mit Kindern kommen. Zirkus ist ein echtes Erlebnis, nicht virtuell, nicht der nächste Science-Fiction-Film mit schwebender Eisenbahn und Laserpistole. Zurück zu den Tatsachen. Mutter Erde, Tier, Mensch. Und ich sage es mal so: So lange es noch Tierprodukte in den Läden gibt, so lange machen wir - natürlich immer unter den behördlichen Auflagen - auch Zirkus. ZUR PERSON Jeffry Freiwald (35) ist der Juniorchef des gleichnamigen Zirkusses. Sein Vater Lutz Freiwald und seine Mutter Monika Freiwald-Spindler entstammen beide Zirkusfamilien. Bevor die beiden sich seit 2009 wieder einem reisenden Zirkus widmeten, betrieben sie auf mehreren Hektar Land eine Showtierfarm, auf der sie neben einem Elefanten Pferde, Zebras, Kamele, Stiere und viele weitere Tiere hielten. Diese wurden für Werbe- und Filmaufnahmen, Veranstaltungen aller Art und Auftritte in Zirkusmanegen gebucht. Nachdem der Circus Freiwald in den letzten Jahren in den Niederlanden tourte, läuft nun die erste Saison in Deutschland.