Neuer Hospizdienst in Lemgo sucht Ehrenamtliche: Was Sterbende am meisten brauchen

Lemgo. Im Gespräch mit ihr fällt sofort auf: Benita Deppe brennt für ihr Thema. Emotional wird sie, wenn sie in ihrem Büro im St. Loyen Altenzentrum am Schloss von der letzten Etappe eines menschlichen Lebens erzählt. Von der Schwere des Abschieds, aber auch vom Schönen, das in der Begleitung derer liegt, die von uns gehen. Seit vielen Jahren ist sie, die gelernte Krankenschwester und Palliativ-Fachkraft, für Menschen am Lebensende da. In ganz unterschiedlichen Umgebungen und in verschiedenen Positionen hat sie sich damit befasst, was Sterbende sich wünschen und am meisten brauchen.

Dabei arbeitete sie schon &bdquo;auf Station“, in einem stationären Hospiz, aber auch als Koordinatorin im lippischen Ärztenetz. &bdquo;Wenn man sich einmal mit palliativen Themen befasst hat, bleibt man für immer dabei“, berichtet sie von ihrer Erfahrung. Jetzt ist die gebürtige Polin seit Juli 2025 Koordinatorin für den neuen Hospizdienst aller drei St.-Loyen-Häuser der Hansestadt. &bdquo;Wir brauchen in den Altenheimen den Blick von innen“, sagt Deppe.

Näher dran sein Das Johanneswerk hat bereits vor 40 Jahren in Bielefeld einen Hospizdienst gegründet. Die Ehrenamtlichen betreuen sowohl Menschen in Heimen als auch zu Hause. &bdquo;Seit 2017 wird dieses Angebot auf immer mehr Standorte der Altenhilfe ausgeweitet“, erklärt Pastor Stefan Berk, Leiter der Hospizarbeit des Trägers. Insgesamt neun seien es nun NRW-weit, Lemgo ist ab sofort einer davon. Zwar kooperiere das Johanneswerk bereits mit Vereinen wie dem Ambulanten Hospiz- und Palliativ-Beratungsdienst Lippe - und die Zusammenarbeit werde nicht gekappt. Es gebe jedoch gute Gründe, die Expertise direkt in die Heime zu holen. &bdquo;Wir sehen uns“, sagt der Pastor, &bdquo;nicht als Konkurrenz zu den Vereinen, sondern als Ergänzung.“

So sei eher gewährleistet, dass niemand, der als Sterbender Unterstützung wünsche, übersehen werde, da die Verantwortlichen näher dran seien. Auch könne, wer die Senioren bereits länger kennt, besser den passenden Ehrenamtlichen finden - Voraussetzung für das Verständnis und damit das Gelingen. Ideal sei es, wenn eine Begleitung rechtzeitig, möglichst Monate vor der finalen Phase beginne. Dann können die Ehrenamtlichen echte Wegbegleiter sein. Dafür müsse zuerst jemand die feinen Signale der Bewohner wahrnehmen und lesen können. Appetitverlust könne ein solches Zeichen sein, oder intensive Träume über die Eltern, alte Wohnorte, erklärt Deppe. Doch auch ein spontanes, kurzfristiges Eingreifen sei gut und wertvoll.

Begleitung statt Heilung Die Ehrenamtlichen werden laut Deppe in einer 100-stündigen Ausbildung darauf vorbereitet, möglichst offen und ohne Agenda in die Kontakte zu starten. &bdquo;Es geht darum, sich dem, was ich mitbringe an eigenen Erfahrungen im Umgang mit Tod und Trauer, bewusst zu werden“, sagt Benita Deppe. Dadurch sei gewährleistet, sich dem Sterbenden und dessen Bedürfnissen wirklich zuwenden zu können.

Als Gast kommen, möglichst &bdquo;nichts Eigenes“ mitbringen: Berk betont, dass er manchmal Menschen, die durch eigene Erfahrungen und Schmerz noch zu nah dran seien am Thema Abschied, zu einem späteren Einstieg in das Ehrenamt rate. Überhaupt sei die intensive Ausbildung zwar kostenfrei und stehe grundsätzlich jedem offen. Dennoch behalten die Experten sich vor, Interessierte auf ihre Eignung für diese anspruchsvolle Aufgabe hin einzuschätzen und auszuwählen.

Bewegende Begegnungen Was Ehrenamtliche in der Sterbebegleitung dann an Anerkennung erlebten, an kleinen Gesten, unglaublichen Fragen, Dankbarkeit, tiefgreifender Begegnung, sei beinahe unbeschreiblich. &bdquo;Jede und jeder von ihnen kann Anekdoten erzählen, die unfassbar sind, berührend und bewegend“, stimmt Pastor Brink ihr zu. Auch die Angehörigen benötigten oft Zuspruch, hätten Fragen. Auch hier können die Ehrenamtlichen auffangen und unterstützen. &bdquo;Es geht auch darum, dass die, die bleiben, gut weiterleben können.“

&bdquo;Sei da“ Ihr Anspruch sei, dass alle Menschen die Möglichkeit hätten, eine solche Begleitung freiwillig in Anspruch zu nehmen. &bdquo;Wir wollen all unsere Ressourcen einsetzen, damit niemand am Lebensende allein sein muss“, so Benita Deppe. Pastor Brink betont, dass der Umzug in ein Altenheim für die meisten bereits ein sehr schwerer Gang sei. &bdquo;Es ist dann klar, dass man diesen Ort nicht lebendig wieder verlassen wird. Das macht etwas mit den Menschen.“ Umso wichtiger sei es, die Würde zu gewährleisten. &bdquo;Und wir sind die Würdebringer“, sagt er, und Benita Deppe nickt zustimmend.

Natürlich sei die Gründung des Lemgoer Hospizdienstes auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Pflegerinnen und Pfleger in der angespannten Personalsituation kaum Zeit und Ruhe hätten für Gespräche und Zuwendung dieser Art, auch wenn es den meisten von ihrer Berufsehre her eigentlich wichtig wäre. Daher habe sich das Miteinander von Hospiz-Mitarbeitenden und Pflegepersonal zuletzt auch grundsätzlich verbessert.

Nichts sei schöner für sie als zu erleben, wie Sterbende sich entspannten und Ängste, die durch das Alleinsein getriggert würden, loslassen könnten, sagt Benita Deppe. &bdquo;Sei da“, zitiert sie einen Leitsatz der Hospizbewegung - &bdquo;das ist der größte Wunsch der Sterbenden“. Anwesenheit, Aushalten, Nähe: &bdquo;Am Lebensende gibt es keinen Raum für Halbwahrheiten“, so Deppe. Authentisch, wahr und roh sei so ein Abschied, und dadurch eine tiefgreifende Erfahrung. &bdquo;Das Sterben“, ist sie überzeugt, &bdquo;bringt uns weiter für unser Leben.“

Info & Termine Der Informationsabend zum Kurs für ehrenamtliche Hospiz-Begleiterinnen und -Begleiter findet am Donnerstag, 9. Oktober, um 16 Uhr in St. Loyen Zentrum, Leopoldstraße 61c, in Lemgo statt. Der Kurs für rund zehn Teilnehmer selbst beginnt dann Ende November und dauert ein halbes Jahr. Anmeldung und weitere Informationen per E-Mail an Benita.Deppe@johanneswerk.de.

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