Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Die ungewöhnliche Geschichte von der "Heirat" zweier Schaustellerbetriebe in Lemgo

Liebe bringt Fisch und Fleisch zusammen

Von Judith Stracke

Anke Wiehemeier-Friedt (Zweite von rechts) mit Ehemann Siggi (links) und Tochter Lea sowie ihren Eltern Ernst und Ursula Friedt. - © Foto: Stracke
Anke Wiehemeier-Friedt (Zweite von rechts) mit Ehemann Siggi (links) und Tochter Lea sowie ihren Eltern Ernst und Ursula Friedt. (© Foto: Stracke)

Lemgo. Kirmesgänger in Lemgo und weit darüber hinaus kennen "Wiehemeiers Fischhafen" und den Schinderhannes. Was viele nicht wissen dürften: Die beiden unterschiedlichen kulinarischen Stationen sind eins.

Die Geschichte der beiden Unternehmen "Wiehemeier Fischhafen" und "Schinderhannes Spießbraten" hat etwas von einem Märchen, und am besten beginnt man so: Es war einmal in Lemgo ein Mädchen mit Namen Anke Wiehemeier. Papa Ernst ist gelernter Fliesenleger und mit Ursula, einer gelernten Bäckereifachverkäuferin, verheiratet.

Die Wiehemeiers handeln furchtbar gerne. Bereits Urgroßvater Christian fährt um 1900 mit dem Zug auf Wochenmärkte, um Eier zu verkaufen. Sein Sohn, ebenfalls mit dem Namen Ernst, führt den Handel von Eiern und Geflügel fort. 1971 lässt sich dann auch der Fliesenleger Ernst anstecken. Als der Onkel stirbt, übernimmt er dessen Marktwagen und legt mit genau 365 Mark Restkapital in der Tasche los, um Fisch mit Überlandfahrten an den Mann zu bringen.

1973 folgt der 1. Standplatz auf dem Wilbaser Markt - der Beginn und Durchbruch einer Erfolgsgeschichte mit Frischware, die bis heute aus Bremerhaven, Kiel und vom Steinhuder Meer bezogen wird. Bis zu 54 Standplätze in einem Jahr, davon alleine 25 auf Schützenfesten: Das Geschäft floriert in den 1970ern. Mit 17 Jahren steigt Anke Wiehemeier nach Abschluss der Höheren Handelsschule in das Familienunternehmen in vierter Generation ein.

Wir schreiben inzwischen das Jahr 1985. Libori-Kirmes in Paderborn. Nur zwei kleine Wagen von "Wiehemeier Fischhafen" entfernt, hat sich Siggi Friedt mit Spießbraten und "Schinderhannes" platziert. Die Fischfrau und der Fleischmann aus Idar-Oberstein im Hunsrück verlieben sich. Daraus entsteht der Zusammenschluss von den Wiehemeiers und den Friedts, dem "Fischhafen" und dem "Schinderhannes". 1995 wird Hochzeit gefeiert. "Es war gut, nach unserer ersten Begegnung auf die Landkarte zu schauen, wo Lemgo überhaupt liegt", erzählt Siggi Friedt lachend. 

Szenenwechsel ins Jahr 2013 nach Lemgo: Anke Wiehemeier sitzt mit ihren Eltern und Ehemann Siggi am Tisch. Vor ihnen die Bestellliste für den Saisonstart beim Frühjahrsmarkt in Lage am 8. März. Das Familienunternehmen beschäftigt heute 4 Festangestellte und 25 Aushilfen.

In den Wochen nach Kläschen ist der Fuhrpark mit insgesamt 21 Fahrzeugen instand gesetzt und winterfest gemacht worden. Jetzt geht es wieder für den 47-Jährigen an den Grill und für seine Frau an die  Backfischfriteuse. Mama Ursula erinnert sich: "Als der Siggi zum ersten Mal bei uns übernachtet hat und seine Arbeitssachen im Keller aufhang, wurde ich morgens wach und habe gedacht, dass das Haus brennt, so haben die Sachen nach Rauch gerochen."

80-Stunden-Wochen, mehr als 40 Veranstaltungen im Jahr in   Verden, Eisleben oder auch im  Sauerland, (fast) kein freies Wochenende und 20 Wochen im Wohnwagen - Schaustellerleben, das Siggi Friedt so beschreibt: "Dafür musst du geboren und mit dem Herzen dabei sein. Sonst kann es dich nicht glücklich machen."

Ernst Wiehemeier, seit zehn Jahren glücklicher Pensionär, nickt: "Ich bin leidenschaftlicher Angler, habe aber während meiner Schaustellertätigkeit nicht einmal eine Rute in den Händen gehalten." Auch heute hilft er, der Fisch bereits zum Frühstück liebt und inzwischen das Räuchern von Makrelen, Lachs und Schillerlocken  hobbymäßig betreibt, noch gerne aus. Generationsarbeit mit einem Erfahrungsschatz, den nicht nur Tochter Anke zu schätzen weiß. "Er ist nicht nur der Meister im Backfischschneiden. Wir haben 27 verschiedene Artikel im Angebot. Pro Saison gilt es ein paar 100 Kilo Fisch auf die frischen Bäckerbrötchen aus dem eigenen Gärofen zu bekommen."  

Die Geschichte ist noch nicht zu Ende erzählt. Tochter Lea (14) weiß bereits, was sie werden will: Schaustellerin…

Gegrillt wird auf Buchenholz

Ein Stück alte Heimat hat "Wahllipper" Siggi Friedt nach Lemgo mitgebracht. "Im Hunsrück brennt in jedem Garten ein offenes Feuer, über dem gegrillt wird. Wir kennen keine Holzkohle und keine Kompromisse", verrät der gelernte Metzger aus Idar-Oberstein mit einem Lächeln. Der Chef steht im "Schinderhannes" persönlich am Grill und sorgt dafür, dass jedes Steak mit einem Rohgewicht zwischen 330 und 350 Gramm vor Ort frisch geschnitten und eigenhändig nach der Geheimrezeptur seines Vaters gewürzt wird. Mehr als 25 Meter Buchenholz gehen pro Saison am Grill des "Schinderhannes" durch.

Copyright © Lippische Landes-Zeitung 2025
Inhalte von lz.de sind urheberrechtlich geschützt.
Weiterverwendung nur mit Genehmigung der Chefredaktion.