Leopoldshöhe-Asemissen. Edith Neufeld hat die Zeichen der Zeit erkannt. Sie gibt ihre Videothek in Asemissen auf. Damit schließt einer der letzten Läden dieser Art in Lippe. Das Geschäft könne dem Druck durch Streamingdienste nicht standhalten, sagt sie.
Neufeld war früher Kundin in „Chicos" Videothek. Der Spanier hatte den kleinen Eckladen im selben Gebäudekomplex. Chico gab den Laden auf, Neufeld übernahm. „Ich habe nicht lange überlegt", erinnert sich Neufeld. Seitdem hilft ihre Freundin Manuela Büchner mit. Die Frauen änderten den Namen der Videothek: aus Chicos (spanisch für „Junge") wurde Chicas („Mädchen"). Neufeld hatte zuvor bei der Westfalen-Tankstelle in Asemissen gearbeitet. Das war 2009. Die Videothek lief so gut, dass sie 2010 in den ehemaligen Schleckerladen umziehen und damit ihre Fläche verdoppeln konnte. Mit der Zeit verzehnfachte sie den Bestand an Filmen und Spielen.
Edith Neufeld kümmerte sich um das Sortiment, Manuela Büchner um die Buchhaltung. „Zu Anfang wusste ich auch noch, welche Filme wo stehen", sagt Büchner. Seitdem ist der Bestand so angewachsen, dass nur noch Neufeld den Überblick hat. „Die Kunden sind immer wieder fasziniert, wie ich mir das alles merken kann und wie gut und umfassend meine Beratung ist", sagt sie und nennt den Grund: „Ich habe mir alle Filme angesehen, bevor ich sie ins Regal stelle." Deswegen kämen Kunden gern, weil sie im Internet eben nicht die umfassenden Informationen bekämen wie bei ihr. Außerdem sei ihr Bestand aktueller als der in den zahlreichen Streamingportalen.
In den ersten drei Jahren lief das Geschäft richtig gut. Sie öffneten jeden Tag. „Es kamen vor allem junge Leute", sagt Neufeld. Es lief weiter – bis Weihnachten 2015. „Da kam ein Einbruch", erinnert sich Büchner. Den führen die Frauen auf Dienste wie Amazon Prime zurück. Das Streaming-Abonnement des Konzerns lockte viele ihrer Kunden an. In der Videothek muss ein Film etwa zehn Mal verliehen werden, damit allein die Anschaffungskosten und die Kosten für die Vermietungsrechte hereinkommen. „Außerdem will die GEMA auch noch Geld", sagt Büchner.
Unterdessen öffnen Neufeld und Büchner nur noch zwei Tage in der Woche den Laden: dienstags und samstags, jeweils bis 22 Uhr. Das kann Edith Neufeld fast allein bewältigen – und sie muss es auch, weil sie die einzige ist, die weiß, wo alles steht. Die Zeiten für Videotheken werden nicht besser. Neufeld entschloss sich daher, ihr Geschäft aufzugeben. Bevor es nicht mehr tragbar ist. Am kommenden Samstag veranstaltet sie von 14 bis 22 Uhr eine Sonderaktion zum Räumungsverkauf. Noch stehen die Regale voll. Außerdem soll es Bratwürstchen und Getränke geben. Nach der Schließung wird Neufeld an ihre alte Arbeitsstelle zurückkehren.
Paula erklärt's: "Fürs Filmgucken vor die Tür"
Wenn ihr Zuhause einen Film gucken möchtet, macht ihr das bestimmt am Computer. Ein, zwei Klicks – und schon könnt ihr euch unter Tausenden Filmen etwas aussuchen. Früher war das nicht so einfach. Da gab es nämlich noch keine Streamingdienste wie Amazon Prime oder Netflix im Internet. Wenn man unbedingt etwas Bestimmtes gucken wollte, musste man vor die Tür gehen.
In Videotheken wie in Asemissen konnte man sich dann Filme für kleines Geld ausleihen – und musste sie nicht gleich teuer kaufen. Allerdings war die Auswahl nicht so unendlich, wie das heute im Internet der Fall ist. Manchmal hatte man auch Pech, und ein anderer hatte den Lieblingsfilm schon mitgenommen. Oder er stand gar nicht erst im Regal.
Damals wurden Filme noch auf großen Kassetten mit einem aufgerollten Magnetband gespeichert. So ähnlich wie die Filmrolle im Kino – nur etwas kleiner und handlicher. Da es jetzt immer mehr Angebote im Internet gibt, sterben die vielen kleinen Videotheken aus. Denn keiner mag mehr vor die Tür gehen, wenn er nicht muss. Dabei hat das Stöbern in Videotheken immer viel Spaß gemacht.