Leopoldshöhe. Es ist ein eher unscheinbares Gerät, das vor sieben Jahren an der Heilung der US-Amerikanerin Emily Whitehead beteiligt war. Die heute 14-Jährige ist die erste Krebs-Patientin, die mit der damals neuen sogenannten CAR-T-Zell-Therapie geheilt worden ist. Sie war mit ihrer Familie beim Hersteller des Gerätes zu Besuch, dem Medizintechnikhersteller Barkey in Leopoldshöhe.
Es ist eine Geschichte, die Eltern nicht erleben möchten. Am 27. Mai 2012 war Emily noch gesund, am Tag darauf schwer krank. Sie litt unter starken Schmerzen. Ärzte in Philadelphia diagnostizierten eine Akute lymphatische Leukämie (ALL). Schmerzen in den Knochen sind eines der Symptome. Bei der ALL entarten die Vorläuferzellen der Weißen Blutkörperchen.
Ihre Eltern sollten bereits Abschied nehmen
Immerhin: Mit intensiver chemotherapeutischer Behandlung werden mehr als 80 Prozent der Kinder wieder gesund. Zunächst schlug die Therapie auch bei Emily an. Ein paar Monate nach Abschluss der ersten, scheinbar erfolgreichen Therapie stellten die Ärzte jedoch einen Rückfall fest. Weitere Chemotherapien folgten – bis die Ärzte aufgaben und den Eltern rieten, die letzten Tage mit Emily zu genießen. Emilys Mutter Kari Whitehead arbeitete zu der Zeit an einer Universität in Philadelphia.
Das Gerät
Dort hatte sie von einer neuartigen Therapie gehört, der CAR-T-Zell-Therapie. Dabei werden T-Zellen, eine bestimmte Gruppe der weißen Blutkörperchen, aus dem Blut des Patienten entnommen, gentechnisch verändert, gezüchtet und dann dem Patienten über eine Infusion wieder zugeführt. Die Technik dafür stellt das Unternehmen Barkey in Leopoldshöhe her.
Nach der Infusion fällt Emily ins Koma
Das Verfahren war neu, noch nie angewendet und von der FDA, der US-amerikanischen Arzneimittelbehörde, nicht zugelassen. Kari Whitehead nahm Kontakt zu Ärzten des Kinderhospitals von Philadelphia auf. Sie entnahmen Emily Blut und veränderten die T-Zellen. Das dauerte sechs Wochen, Zeit, die Emily eigentlich nicht mehr hatte und die sie mit Hilfe von Chemotherapien überwand.
Zum Schluss bekam Emily eine Chemotherapie, die ihr Immunsystem nahezu ausschaltete. Nach Vorgaben der FDA bekam Emily über drei Tage hinweg eine Infusion mit ihren modifizierten T-Zellen. Am dritten Tag fiel sie ins Koma. Ihr Körper reagierte mit heftigen Entzündungen. 23 Tage nach der Behandlung stellten die Ärzte fest: Es sind keine Krebszellen mehr in Emilys Blut zu finden. „Das war ein Durchbruch. Das Prinzip ist genial", stellt Markus Diener fest, Vizepräsident der Schweizer Krebsstiftung.
Eine derartige Behandlung kostet eine halbe Million Dollar
Gleichzeitig warnt er vor zu viel Hoffnung. Die Therapie stehe noch am Anfang, sie sei nicht sehr breit anwendbar. Eine Behandlung koste etwa eine halbe Million Dollar. Es sei die Frage, ob das Gesundheitssystem diese Kosten tragen könne und wie die Kosten reduziert werden könnten.
Das Ärzteblatt schreibt von 90 Prozent Erfolg, aber auch von schweren, bisweilen tödlichen Nebenwirkungen. Seit Emilys Behandlung seien rund 500 Kinder in elf Ländern mit dieser Therapie geheilt worden, sagt der Vater der Patientin, Tom Whitehead. Er und seine Frau haben nach der Genesung ihrer Tochter eine Stiftung gegründet, mit deren Hilfe die Therapie vorangebracht werden soll.
Emily besucht seit einem Jahr die Highschool
Seine Frau arbeitet inzwischen dort, er ist weiter als Starkstromelektriker für einen Energieversorger unterwegs. Emily besucht seit einem Jahr die Highschool. Das einzig Gute an ihrer überstandenen Krankheit sei, dass sie nun viele Länder bereisen dürfe und so anderen Kindern helfen könne.
Barkey-Geschäftsführer Christian Barkey hatte Emily im Oktober während einer pharmakologischen Konferenz in den USA kennengelernt und sie nach Deutschland eingeladen. Barkey übergab fünf Plasmatherm-Geräte an die Familie Whitehead. „Die Geräte werden verkauft, und ihr Erlös wird zu 100 Prozent der Emily Whitehead Foundation zukommen", sagte Barkey.