Sport bei Krebs: Patienten im Kreis Gütersloh profitieren von neuartiger Behandlung

Gütersloh. Bei einer Grippe verschreibt der Arzt normalerweise viel Schlaf und Ruhe, auf Sport sollte man erst einmal verzichten. Ähnliche Anweisungen galten lange auch bei einer Krebsdiagnose: möglichst schonen, wenig Belastung. Diese Ansicht ist heute aber längst überholt, sagt Siegfried Rösel, leitender Oberarzt für Innere Medizin, Hämatologie und Onkologie am Klinikum Gütersloh.

Wissenschaft und Medizin seien mittlerweile davon überzeugt, dass sich körperliche Aktivität positiv auf die körperliche und psychische Verfassung von Krebserkrankten auswirkt. Aus diesem Grund möchten Rösel und weitere Beteiligte auf ein erfolgreiches Netzwerk im Kreis Gütersloh aufmerksam machen.

Eine Krebsdiagnose sei immer erst mal ein Schock, weiß Sportwissenschaftler Sebastian Mäueler, Geschäftsführer der Physiotherapiezentren &bdquo;Mobilo“. &bdquo;Der Patient verfällt in eine Schockstarre, von da an bewegt er sich erfahrungsgemäß deutlich weniger.“ Die Nebenwirkungen einer Chemotherapie oder Bestrahlung, wie chronische Erschöpfung, Schmerzen oder Übelkeit halte die Patienten erst recht von Bewegung ab.

Training erhöht die Überlebenswahrscheinlichkeit Dabei wären viele unerwünschte Nebenwirkungen vermeidbar, die Krankheit weniger belastend, würde der Patient nur so früh wie möglich mit dem Sport beginnen, sagen die Experten. Sportliche Aktivität verhindere Muskelabbau, regeneriere Nervenschäden und verbessere die Sauerstoffaufnahme.

Das krankheits- und therapiebedingte Training vergrößere gleichzeitig die Überlebenswahrscheinlichkeit signifikant, sagen die Experten. Außerdem reduziere sich die Wahrscheinlichkeit, nach Genesung einen Rückfall zu erleiden.

Gütersloh mit Bewegungstherapie gut aufgestellt Natürlich sei niemandem geraten, direkt nach der Diagnose mit Hochleistungssport zu beginnen. Seit 2018 gibt es die Onkologische Trainings- und Bewegungstherapie (OTT) - entwickelt von der Sporthochschule Köln und dem Zentrum für integrierte Onkologie (CIO) Köln-Bonn - im Kreis Gütersloh. Je nach Diagnose und körperlicher Voraussetzung des Patienten wird ein individueller Trainingsplan entsprechend der medizinischen Behandlungsleitlinien erstellt. In Gütersloh, Werther und Halle bietet das Sebastian Mäueler in seinen Behandlungsräumen an.

&bdquo;Die Patienten kommen mit ihrer ärztlichen Diagnose zu uns. Daraus erstellen wir dann eine individualisierende Therapie, die immer therapeutisch begleitet wird“, sagt Mäueler. Dazu gehört ein Basistraining sowie ein modulspezifisches Training abgestimmt auf die Nebenwirkungen des jeweiligen Patienten.

Auch in Schloß Holte-Stukenbrock bei Physio Balance und in Clarholz bei Physiotherapie Jeschke wurden Therapeuten für die Arbeit mit Krebspatienten ausgebildet. &bdquo;Wir sind im Kreis Gütersloh gut aufgestellt. In Bielefeld dagegen gibt es das so nicht“, sagt Mäueler.

Nicht alle Krankenkassen übernehmen die Bewegungstherapie Dabei würden Krebspatienten, die regelmäßig trainieren, von mehr Lebensqualität und einer körperlich und psychisch besseren Verfassung berichten. &bdquo;OTT wirkt wie ein Medikament“, sagt Siegfried Rösel bestimmt. &bdquo;Körperliche Aktivitäten regen die Selbstheilungskräfte an und unterstützen das Immunsystem.“ Diese Patienten würden erfahrungsgemäß außerdem deutlich schneller wieder in das Berufsleben einsteigen, als gänzlich untrainierte.

Dennoch sei diese Form der Therapie längst nicht allen Patienten und Ärzten bekannt. Das große Problem ist die Finanzierung. Bisher werde die Behandlung von nur wenigen Krankenkassen übernommen. &bdquo;Wir reden immer über die hohen Medikamentenkosten und dann werden sie völlig unproblematisch von den Krankenkassen übernommen“, sagt Rösel.

&bdquo;Ärzte leisten in der Regel keinen Widerstand, wenn sie die Wirksamkeit einer Therapie anerkennen. Es ist nur immer die Frage: Wie wird das bezahlt?“, sagt Rösel. Die OTT koste für einen Patienten für drei Monate etwa 1.300 Euro. Viele Ärzte hätten Angst, die Behandlung am Ende aus eigener Tasche bezahlen zu müssen.

Großes Netzwerk in Gütersloh aufgebaut Unter den Krankenkassen, die diese Behandlung finanzieren, sind beispielsweise regionale Betriebskrankenkassen. &bdquo;Betriebskrankenkassen sind speziell auf die Versorgung der Region ausgerichtet“, sagt Stefan Döding, Geschäftsbereichsleiter der Bertelsmann BKK. &bdquo;Darum sind wir auch bemüht, die Gelder hier in der Region zu platzieren.“ Genau wie die Miele BKK übernimmt sie die Kosten für die OTT.

Ein Netzwerk aus Ärzten, Physiotherapeuten und Krankenkassen sei ganz wichtig. Dieses Netzwerk habe sich im Kreis Gütersloh mittlerweile gebildet. &bdquo;Die Patienten müssen nur mit einer Diagnose vom Arzt zu uns kommen und wir regeln den Rest“, sagt der Geschäftsführer von &bdquo;Mobilo“. Er sorge dafür, dass jeder Patient barrierefreien Zugang zu der Therapie erhält, &bdquo;die nachgewiesenermaßen unterstützt“. &bdquo;Niemand soll hier eine Kontakthemme haben, jeder Patient ist willkommen“, sagt Mäueler.

In Gütersloh besteht insbesondere ein hoher Kooperationsgrad mit dem onkologischen Zentrum am Klinikum Gütersloh unter der Leitung von Gero Massenkeil sowie dem Brustzentrum Gütersloh unter Leitung von Wencke Ruhwedel. Darüber hinaus ist in Gütersloh nahezu jede gynäkologische Praxis Teil des OTT-Netzwerks.

Dennoch wollen vermehrt über die Therapie aufmerksam machen. Eine Krebsdiagnose kann jeden treffen, plötzlich und ohne Vorbereitung. Darum: &bdquo;Wir brauchen dieses Medikament in Gütersloh als flächendeckende Maßnahme“, sagt Rösel.

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