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Missbrauchsskandal in Lügde: Gibt es nun doch keine Ermittlungen gegen Polizei und Jugendämter?

Lothar Schmalen und Janet König

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Der Missbrauchsskandal auf dem Campingplatz Lügde beschäftigt am Donnerstag den NRW-Landtag. - © Bernhard Preuß
Der Missbrauchsskandal auf dem Campingplatz Lügde beschäftigt am Donnerstag den NRW-Landtag. (© Bernhard Preuß)

Düsseldorf/Lügde. Im Fall um den jahrelangen Missbrauch auf dem Campingplatz "Eichwald" soll die Generalstaatsanwältin von Hamm keinen Grund sehen, gegen die mit dem Fall befassten Polizisten und Jugendamtsmitarbeiter vorzugehen. Das gehe aus einem vertraulichen Bericht von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) zu dem Vorgang hervor, der dem "Kölner Stadt-Anzeiger" vorliegt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat auf  Anfrage der LZ Stellung bezogen.

Demnach ließen sich aus den Ausführungen der Detmolder Staatsanwaltschaft nicht alle für die strafrechtliche Bewertung relevanten Gesichtspunkte erkennen. Aus diesem Grund habe man die Detmolder Staatsanwaltschaft um einen erneuten Bericht gebeten. Dieser liegt noch nicht vor. "Das ist ein dynamisches Verfahren", sagt Oberstaatsanwalt Tim Engel, Pressedezernent der Generalstaatsanwaltschaft Hamm. Auch wenn ein erneuter Bericht zu einem ähnlichen Ergebnis kommt, würden die Ermittlungen nicht einfach eigestellt. Die ganze Thematik müsste sensibel ausgelotet werden. Zu den den Fall betreffenden Einzelheiten konnte Engel daher auch keine weiteren Angaben machen.

Laut Bericht des Kölner Stadt-Anzeigers wird die Generalstaatsanwältin in dem vertraulichen Dokument mit den Worten zitiert. "Nach meiner Bewertung rechtfertigt der berichtete Sachstand nicht die Aufnahme des Anfangsverdachts strafrechtlich relevanten Verhaltens gegen Beamte der Kreispolizeibehörde Lippe und Mitarbeiter der Jugendämter der Kreise Hameln und Bad Pyrmont."

Nach derzeitigen Erkenntnissen sind auf dem Campingplatz in Elbrinxen mindestens 31 Kinder im Alter zwischen vier und dreizehn Jahren missbraucht worden. Drei Tatverdächtige sitzen in Haft. Polizei und Jugendämter hatten wiederholt Hinweise auf einen möglichen Missbrauch erhalten. Ein Verfahren wurde aber damals nicht eingeleitet. Deswegen wird derzeit noch gegen verantwortliche Mitarbeiter von Polizei und Jugendämtern wegen Strafvereitelung und Verletzung der Fürsorgepflicht ermittelt.

Missbrauchsskandal Thema im Innenausschuss

NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) hat es als alarmierend bezeichnet, dass im Fall des Kindesmissbrauchs von Lügde offenbar alle Frühwarnsysteme bei den betroffenen Jugendämtern, Schulen und Kitas versagt hätten. In einem Bericht für die Sitzung des Familien- und Jugendausschusses am Donnerstag kündigt der Minister einen ganzen Katalog von Überprüfungen und Maßnahmen an.

Reul äußert sich zu polizeilichen Konsequenzen

Der Düsseldorfer Landtag befasst sich am Donnerstag gleich zweimal mit dem Fall Lügde. Nicht nur im Familien- und Jugendausschuss ist er Thema, sondern am Nachmittag auch im Innenausschuss des Landtags. Hier wird ein Bericht von Innenminister Herbert Reul (CDU) über den Ermittlungsstand und über polizeiliche Konsequenzen daraus erwartet.

Auch wenn die Aufsicht über die Jugendämter eigentlich Aufgabe der Kommunen ist, sieht Stamp sein Ministerium in der Pflicht zu analysieren, ob bei den Jugendämtern in punkto Verhinderung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder "strukturelle, personelle, organisatorische und fachliche Defizite vorliegen".

Dabei werde es um die "quantitavive und qualitative personelle Ausstattung" der Ämter gehen. Auch die Frage, ob die Jugendämter in ihrer bisherigen Organisationsstruktur die nötige Größe hätten, um handlungsfähig zu sein, werde eine Rolle spielen. Bislang haben große Städte und mittlere kreisangehörige Städte in NRW eigene Jugendämter. Für kleinere Gemeinden sind die Jugendämter der Kreisverwaltungen zuständig.

Anforderungen an Pflegefamilien im Fokus

In den Blick genommen werden müssten auch die qualitativen Anforderungen an Pflegefamilien und deren Begleitung durch das Jugendamt, so Stamp. Im Fall Lügde stellt sich bekanntlich die Frage, warum der Hauptbeschuldigte trotz seiner Lebensverhältnisse überhaupt Kinder betreuen durfte.

Schwere Vorwürfe werden auch gegen die beteiligten Jugendämter erhoben, weil sie möglicherweise ihrer Aufsichtspflicht nicht in ausreichendem Maße nachgekommen seien. Unklar ist allerdings noch, ob die Staatsanwaltschaft tatsächlich gegen die Jugendamtsmitarbeiter ermitteln wird.

Wie schon im Interview mit der Neuen Westfälischen regte Stamp auch in dem Bericht an den Familien- und Jugendausschuss an, über eine Verschärfung des Sexualstrafrechts oder notwendige Schritte im Bereich der Überwachung strafrechtsrelevanter Aktivitäten im Internet (Kinderpornografie) nachzudenken.

Im Fall Lügde soll ein 56-jähriger Dauercamper über Jahre hinweg Kinder sexuell missbraucht haben. Auch sein 33-jähriger Komplize aus Steinheim, der ebenfalls zweitweise auf dem Campingplatz gelebt hat, und ein 48-jähriger aus Stade sitzen in U-Haft. Letzterer soll in mindestens zwei Fällen per Livechat beim Missbrauch zugeschaut und Anweisungen gegeben haben.

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