Betrüger spähen Daten Pflegebedürftiger aus

Lügde-Rischenau. In Lippe ist eine neue Betrugsmasche aufgetaucht, mit der Anrufer versuchen, an die Sozialversicherungsdaten und Unterschriften von älteren und pflegebedürftigen Menschen zu gelangen. Ein älteres Ehepaar aus Rischenau ist von einer Mitarbeiterin der Firma &bdquo;Deutsche Pflege" angerufen worden. Die Anruferin gab an, im Auftrag der Barmer zu handeln und Hilfestellungen in Sachen Pflegeleistungen geben zu wollen. Doch die Krankenkasse spricht von Telefonbetrug und betont: &bdquo;Wir haben keinerlei Aufträge erteilt."

&bdquo;Unter dem Vorwand, dass noch nicht alle Pflegeleistungen von den Versicherten ausgeschöpft worden sind, versuchen die Anrufer, an die persönliche Daten, Sozialdaten und Leistungsdaten zu kommen", heißt es in einer Pressemitteilung der Barmer. Niemals Daten am Telefon preisgebenIm Rischenauer Fall hatte sich die &bdquo;Deutsche Pflege" direkt zum Hausbesuch angekündigt. Glücklicherweise erfuhr der Sohn davon, warnte die Eltern und sorgte dafür, dass die Haustür verschlossen blieb. Wer einen solchen Anruf erhalte, sollte möglichst sofort auflegen und seine Versicherung sowie die Polizei informieren, rät Barmer-Pressesprecher Andreas Reinwand auf LZ-Anfrage. Er mahnt: &bdquo;Die Angerufenen sollten am Telefon keine Auskünfte zu ihren finanziellen Verhältnissen, Pflegegraden oder Pflegegeldansprüchen geben oder Leistungen per App bestätigen." Für einen echten Leistungsanspruch ergehe von der Barmer vorab immer und in jedem Fall eine entsprechende schriftliche Mitteilung per Post an die Versicherten.

Auch fordere die Barmer keine Unterschriften für Leistungsanträge über das private Handy der Versicherten ein, betont die Krankenkasse.Werden Verbraucher ohne vorherige Einwilligung angerufen, so ist dies rechtswidrig. Betroffene können gegen den jeweiligen Anbieter Beschwerde bei der Bundesnetzagentur einlegen. Darauf weist die Verbraucherzentrale Hessen hin. Auch bei der Verbraucherzentrale NRW haben sich Bürgerinnen und Bürger wegen der betrügerischen Anrufe der &bdquo;Deutschen Pflege" oder &bdquo;Deutschen Pflegeallianz" gemeldet, berichtet Verena Querling, Referentin für Pflegerecht. Firma distanziert sich von fingierten AnrufenWoher die Anrufe wirklich kommen und woher die Anrufer die Nummer haben, ist nicht nachzuvollziehen. Die AOK Niedersachsen hat nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung Strafanzeige gegen die &bdquo;Deutsche Pflegeallianz" bei der Staatsanwaltschaft Hamburg gestellt.

Firma distanziert sich von "fingierten Anrufen"

Die Firma mit Sitz in Hamburg distanziert sich auf ihrer Homepage jedoch von den &bdquo;fingierten Anrufen", bei denen es sich &bdquo;um versteckte Werbeanrufe oder gar um versuchten Datenraub" handele: &bdquo;Wir warnen daher strengstens vor Betrügern, welche sich telefonisch bei Versicherten melden, um dort Phishing-Anrufe durchzuführen. Wenn Sie noch kein Kunde der Deutschen Pflegeallianz sind, werden Sie von uns nicht telefonisch kontaktiert", heißt es dort. Eine konkrete Anfrage der LZ ließ die Firma unbeantwortet.Die Verbraucherschützer beschäftigen sich auch mit Schreiben, die die &bdquo;Deutschen Pflegeallianz" verschickt. Dort werden die Angeschriebenen laut Verbraucherzentrale zur Bestellung von &bdquo;Pflegehilfsmitteln zum Verbrauch" aufgefordert.

Nicht immer gehe es nur um die gewünschten Pflegehilfsmittel, sondern es würden auch allerlei sensible Sozialdaten wie etwa Geburtsdatum, Pflegekasse, Leistungsdaten, Versichertennummer, Pflegegrad und Betreuungsstatus abgefragt, warnen die Verbraucherschützer.Der Brief erscheine auf den ersten Blick hochoffiziell, zumal die &bdquo;Pflegeallianz" betont, selbst &bdquo;Leistungserbringer der Pflegekassen" zu sein. Alles solle dauerhaft zuzahlungsfrei bleiben, weil die Abrechnung direkt mit der Pflegekasse erfolge. Offenbar werde dadurch der falsche Eindruck erweckt, die Abwicklung der Bestellung erfolge in Absprache mit der eigenen Pflegekasse. Die Verbraucherzentrale NRW prüfe deshalb, welche Maßnahmen ergriffen werden können, sagte Querling.

Einmalhandschuhe auf Lebenszeit Auch das Rischenauer Ehepaar war von der &bdquo;Deutschen Pflegeallianz" angeschrieben worden und orderte sein Pflegehilfsmittelpaket in gutem Glauben. Nun erhält es Monat für Monat Einmalhandschuhe, OP-Masken und Flächen- und Handdesinfektionsmittel – so viel, wie die Familie niemals verbrauchen kann.

Zwar kosten die Produkte das Ehepaar nichts extra, denn Pflegebedürftige haben bei Pflegehilfsmitteln zum Verbrauch derzeit Anspruch auf die maximale Erstattung von 60 Euro pro Monat. Dennoch: In diesem wie in vielen anderen Fällen wird Geld zum Fenster herausgeschleudert für Mittel, die überhaupt nicht benötigt werden – bedarfsgerechter ginge es beim Einkauf in einem örtlichen Sanitätshaus oder einer Apotheke kaufen.Das hat offenbar inzwischen auch der GKV-Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen gemerkt – er kündigte Ende September einen Rahmenvertrag mit der &bdquo;Deutschen Pflegeallianz", den jeder Lieferant benötigt, der mit gesetzlichen Kassen abrechnen will. Er läuft zum Jahresende aus.

Dass Paket-Order und Betrugsanruf im Rischenauer Fall zusammenhängen, lässt sich nur mutmaßen. Das Ehepaar will jedoch die Paketlieferung wieder stoppen.

Betrüger spähen Daten Pflegebedürftiger aus

Betrugsmasche mit Pflegeleistungen: So schützen Sie sich

Zahl der Pflegebedürftigen steigt auch in Lippe

Wie Pflegegrade festgestellt werden - und welche es gibt

Pflege von Angehörigen kann Rentenansprüche erhöhen

Alternative zum Heim: Passt eine Pflege-WG zu mir?

So findet man einen ambulanten Pflegedienst

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus

0,99 € im ersten Monat

Angebot: Jahresabo nur 99 €