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Oerlinghausen

Flüchtlinge von einst sind integriert

Oerlinghausen. In der Debatte um die aktuellen Flüchtlingsströme gerät die größte Einwanderergruppe der Aussiedler und Spätaussiedler beinahe in Vergessenheit. Vor allem Ende der 80er und in den 90er Jahren zog es insbesondere sogenannte Russlanddeutsche in die Bundesrepublik und auch in die Bergstadt. Nach Auskunft des Kreises Lippe waren es von 1990 bis 1999 in Oerlinghausen exakt 873. Nicht für alle ist die Integration problemlos verlaufen.

Eine Studie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge hat ihre Situation analysiert. Herausgekommen ist, dass gerade junge Aussiedler weiterhin Schwierigkeiten haben, sich heimisch zu fühlen, aber auch viele Ältere nie wirklich angekommen sind. Dennoch, sagt Arthur Rempel (46), Pastor der Mennoniten-Brüdergemeinde in Helpup, könne man die Situation der Aussiedler und Spätaussiedler kaum mit denen der Flüchtlinge dieser Tage vergleichen. Er selbst ist mit seiner Familie schon im Jahr 1975 nach Deutschland gekommen. "Wir waren die ersten in Bechterdissen und schnell integriert."

Es sei eine große Offenheit dagewesen und es habe Eingliederungshilfen gegeben. Einer der größten Pluspunkte, die das Einleben erleichterten: "Wir haben Deutsch gesprochen, mussten die Sprache also nicht erst lernen." Zudem sei die Religion ähnlich der evangelischen. Als 1989 und in den 90er Jahren Spätaussiedler in einer großen Welle gekommen seien, hätten sich diese Gruppen schnell auf die Ballungsräume konzentriert. "Dort haben sie in großen Gemeinden intensiv ihre eigene Kultur gelebt."

Rempel führt das auf das lange praktizierte Koloniedenken, auf Verfolgung, Unterdrückung und Existenzangst zurück. "Anfangs war es vielen wichtig, die eigene Identität zu schützen". Das habe sich über die nachfolgenden Generationen hinweg längst geändert. Die meisten Jugendlichen könnten heute mit dem Mennonitentum nicht mehr viel anfangen. Gerade sei er in Amerika gewesen, erzählt Rempel und hebt die Vielfalt der dort nebeneinander gelebten Religionen hervor. Eine Herausforderung, die nun auf Deutschland und andere europäische Länder zukomme, "aber ich bin optimistisch".

Die Bereitschaft zu Dialog und Toleranz müsse nach Rempels Meinung im Vordergrund stehen und der Abbau von Vorurteilen. Wie bei den Aussiedlern und Spätaussiedlern werde es aber sicherlich einige Generationen brauchen, bis sich Normalität einstelle. "Die anfangs ablehnende Haltung in der Bevölkerung hat sich nach und nach gelegt." Wohl auch deshalb, weil diese Gruppe die Wirtschaft angekurbelt, weil sie Häuser gebaut, Familien gegründet und sich auch, was das Bildungsniveau betreffe, integriert habe. Die Mennoniten-Brüdergemeinden Oerlinghausen und Helpup haben zusammen derzeit rund 600 Mitglieder.

Johannes Stefan Müller, Leiter des Instituts für Migrations- und Aussiedlerfragen, der Heimvolkshochschule St. Hedwigs-Haus, sieht die Integration der Aussiedler und Spätaussiedler "im Nachhinein als sensationelle Erfolgsgeschichte". Durch ihre Biographien hätten sich die Menschen sogar besser positioniert, durch ihr Schicksal neu orientiert. "Es gab eine größere Aufmerksamkeit für das neue Umfeld." Aussiedler seien am Arbeitsmarkt erfolgreicher als andere Migranten. "Die Russlanddeutschen zeichnen sich durch ihre demographische Vitalität aus." Das zeige sich mittlerweile sehr deutlich. Und: "Sie integrieren sich wachsend", ihr Anteil steigt kontinuierlich.

Auch der aktuelle Zuzug von Flüchtlingen könne ein Segen sein, glaubt Müller. "Die Volkswirtschaft braucht junge Menschen, aber sie müssen sich den Spielregeln unterwerfen." Hier komme es nicht zuletzt darauf an, wie man es kommuniziere.

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