Oerlinghausen. Der 14. November 1998 ist ein trüber und regnerischer Herbsttag. Doch Hunderte von Oerlinghausern sind an diesem Samstagnachmittag unterwegs, um „in die Röhre zu gucken": Der 492 Meter lange Autotunnel durch den Menkhauser Berg wird erstmals für Besucher freigegeben.
Aus diesem Anlass veranstaltet die LG Oerlinghausen den ersten und einzigen Tunnellauf, und die Besucher bummeln zum ersten Mal durch das hell erleuchtete Beton-Gewölbe. Die Bergwacht der Schützen schenkt „Tunnelschnaps" der Melmschen Apotheke aus. Aus Lautsprechern dröhnt Musik, und Imbiss- und Getränkestände geben der Eröffnung Volksfestcharakter.
Drei Tage später wirds dann offiziell: Vor deutlich weniger Besuchern halten der damalige Bürgermeister Martin Weber und Landespolitiker die Festreden, denn ab diesem Dienstag ist die Tunnelstraße offiziell für den Autoverkehr freigeben.
Der Tunnel gilt auch heute noch als das größte Bauprojekt in der Bergstadt. Doch er spaltete die Bürger über Jahrzehnte hinweg in zwei Lager: die Befürworter und die Gegner der Entlastungsstraße L 751 neu. Schon um 1960 wurde im Rat über eine Umgehungsstraße diskutiert, denn zahllose Autos und Lkw rollten täglich mitten durch die engen Straßen der Stadt oder entlang der Robert-Koch-Straße und dann nach Lämershagen oder Asemissen.
Erst Anfang der 70er Jahre wurden konkrete Trassenplanungen diskutiert. Durchs Schopketal oder einen tiefen Bergeinschnitt könnte die Umgehungsstraße verlaufen – oder durch einen Tunnel. Im Januar 1981 einigte sich der Stadtrat mit den zuständigen Behörden auf die jetzige Straßenführung mit einem „mindestens 560 Meter langen Tunnel". Wegen der hohen Kosten von etwa 40 Millionen Mark sollte das Projekt dann aber erst einmal auf die lange Bank geschoben werden.
Oerlinghausens damaliger Bürgermeister Horst Steinkühler zeigte sich kämpferisch. „Wenn das Land Nein sagt, muss etwas passieren", warnte er in einem Interview. Fast 20.000 Fahrzeuge seien an einem Tag gezählt worden, „das ist viel zu viel". Anfang der 90er Jahre kam richtig Druck von den Anwohnern der betroffenen Straßen. Bürgerinitiativen „Ruhiges Oerlinghausen" oder „Umgehungsstraße Jetzt" wurden gegründet. Mit „Fahrrad-Demos" protestierten Bewohner und die örtliche SPD mehrfach und blockierten den Autoverkehr. Steinkühler, der 1980 in den NRW-Landtag gewählt worden war, gelang es, immer mehr Abgeordnete für das Tunnelprojekt zu gewinnen.
„Ich habe viel außerparlamentarische Unterstützungsarbeit in der Düsseldorfer Altstadt leisten müssen", sagt er später humorvoll. Aber er schaffte es, die nötigen Landesmittel für den Bau der Straße nach Oerlinghausen zu lenken.
Die Bagger rollten im Frühjahr 1994 an. Gewaltige Erdmassen mussten bewegt werden. Ein Tunnelbauunternehmen aus Österreich bohrte mit einer Riesenfräse den Stollen in den Menkhauser Berg. Die Gegner der neuen Straße fuhren schweres Geschütz auf. Grundstücksbesitzer klagten, Umweltschützer machten mobil gegen den mittlerweile auf 490 Meter verkürzten Tunnel. Doch alle Klagen gegen die „Killer-Trasse" wurden abgewiesen.
Im Mai 1995 kam der Tag des Tunneldurchstichs. Von Norden und Süden hatten sich die Bergbauteams durch das Gestein gefräst und trafen exakt aufeinander. Noch dreieinhalb Jahre dauerte es aber, bis die Baumaßnahme abgeschlossen und Tunneltechnik komplett installiert war. „Danke Horst" war noch monatelang auf einem Transparent an der Robert-Koch-Straße zu lesen, mit dem die Anlieger Horst Steinkühler für seinen Einsatz dankten.