Oerlinghausens Traditionsbuchhandlung verkaufte früher auch Postkarten und Galanteriewaren

Oerlinghausen . Sie waren für ein ganzes Jahrhundert die einzige Buchhandlung zwischen Bielefeld und Lage, sie druckten schon zu Kaisers Zeiten hübsche Ansichtskarten und bebilderte Wanderführer, und in ihren Schaufenstern warteten Bücher, Puderdöschen, Armbänder und Ledergürtel auf Oerlinghauser Kunden und Touristen: Die Gebrüder Blume führten bereits im 19. Jahrhundert ein bekanntes Geschäft an der Hauptstraße. 1865 wurde das Unternehmen von Buchbindermeister Fritz Blume Senior, der aus Lemgo stammte, bei den lippischen Behörden angemeldet.

Damals noch an der Hauptstraße 50, etwa dort, wo heute das Altstadtdomizil liegt, eröffnete Gründer Fritz Blume im Hause des Schuhmachers Tölke seine erste Buchbinderwerkstatt. Ab 1878 wurden hier die ersten Drucksachen hergestellt. Plakate, Bekanntmachungen der Gemeindeverwaltung und Einladungskarten produzierte er mit Bleilettern in seiner Druckerpresse. Im Jahre 1906 bezog die Firma – nun in der nächsten Generation mit den Söhnen Fritz und Carl Blume – das heutige bekannte Stammhaus an der Hauptstraße/Ecke Ravensberger Straße. Das neue Geschäft bot Platz für die Druckerei, den Verlag von Drucksachen und einen Verkaufsraum für Bücher, Papierwaren, Bürobedarf, Schulartikel, Lederwaren und sogar &bdquo;Galanteriewaren“, also modische Gebrauchsartikel wie Parfümfläschchen, Armbänder oder Kettchen.

Ansichtskarten waren der Verkaufsschlager

Denn um 1900 blühte das bislang unscheinbare Dorf am Tönsberg auf. Der Tourismus begann in Oerlinghausen Fuß zu fassen. Um Gäste in die &bdquo;Sommerfrische“ und den &bdquo;Luftkurort“ zu locken, brauchte es hübsche Bilder vom Bergdorf. Vor allem Ansichtskarten waren der Renner. Die ersten von Fritz Blume gedruckten Postkarten zeigen die idyllische Landschaft, die Straßen des Ortes mit liebevoll angefügtem Blumen- oder Rankendekor. Auch Blicke ins Schopketal, Ansichten des Pfarrhauses, der Windmühle oder der Müllerburg waren dabei.

Um 1910 wurden 40 verschiedene Ansichtskarten von Oerlinghausen angeboten. Die Käufer waren zum einen Teil Bürger des Ortes, die die Karten manchmal sogar sammelten, zum anderen Teil aber die Feriengäste des Ortes.

Die auswärtigen Gäste wollten natürlich auch die Gegend erkunden und brauchten Anleitungen für ihre Wanderungen und Spaziergänge. So druckten die Gebrüder Blume erste Reise- und Wanderführer für Oerlinghausen, die der damalige Verkehrs- und Verschönerungsverein in Auftrag gegeben hatte. In liebevoll-antiquierter Reklamesprache heißt es da: &bdquo;Freundlich mutet das Dorf an mit seinen sauberen Straßen und zum Teil villenartigen Häusern inmitten grünender Gärten. Es fehlen nicht mancherlei Annehmlichkeiten der Stadt, wie Gehbahnen, Telephon, elektrisches Licht.“ Die beiden Brüder Blume ergänzten sich hervorragend. Während Carl Blume für die Druckerei zuständig war, bildeten der Bücherverkauf, der Vertrieb von &bdquo;Reise-Andenken“, Schreibwaren und Briefpapier das Hauptgeschäft seines Bruders Fritz.

Blume sollte Notgeld drucken

Während des Zweiten Weltkriegs beschränkte sich das Geschäft vor allem auf den Druck von örtlichen Bekanntmachungen, auf Bezugsscheine für Lebensmittel oder Brennholz sowie auf Plakate und Blätter für Notverordnungen. Im Chaos der ersten Nachkriegstage sollte Blume sogar Geld drucken, denn in der Stadtkasse fehlten im April 1945 etwa 100.000 Reichsmark. Doch ohne Bargeld lief auch bei den Aufräumarbeiten nicht viel. Allein die ständigen Ausgaben der Stadt beliefen sich auf monatlich 25.000 Reichsmark. Man beschloss, eigenes Oerlinghauser Geld zu drucken. Die Firma Blume erhielt den Auftrag, sich um das Problem zu kümmern und das nötige Geld anzufertigen. 500.000 Mark sollte im ersten Durchgang aus Blumes Druckmaschine kommen. Firmenchef Fritz Blume stimmte zu, konnte aber das Geld ohne genaue Druckvorlage nicht drucken. Doch da griff die amerikanische Militärverwaltung mit neuen Bestimmungen ein. Es erfolgte die Zuteilung von Geld unter Aufsicht der Alliierten, und Blumes Gelddruckmaschine brauchte nicht angeworfen zu werden.

Unter der Leitung der nächsten Generation, Fritz Blume junior und seiner Frau Hedi, die aus Wien stammte, erlebte die Buchhandlung Blume nach dem Zweiten Weltkrieg einen enormen Aufschwung. Alle Oerlinghauser Schulkinder bezogen zum Beispiel ihre Bücher und Hefte bei Blume oder aber von der genau gegenüberliegenden Papierwarenhandlung Lange-worth. 1985 schließlich endete die Ära der Inhaberfamilie Blume, das Ehepaar zog sich zurück. Die Druckerei übernahm Paul Oster – für genau drei Jahrzehnte, dann war Druckschluss.

Die Buchhandlung hingegen wurde im 21. Jahrhundert zu neuer Blüte geführt. Von Carola Backofen übernahm 2005 Martina Lange die Buchhandlung und setzte gemeinsam mit ihrem Partner Jörg Czyborra immer wieder neue Akzente im kulturellen Leben Oerlinghausens.

Und in diesem Jahr erfolgte der jüngste Wechsel im Buchgeschäft der Bergstadt: Cerrin Wehrmann-Ristau leitet nun das Traditionsunternehmen. Aber noch wirkt die Gründerfamilie Blume mit, denn im Buchhandlungsteam arbeitet auch Melanie Hoffmann, geborene Blume, die eine Urenkelin des Firmengründers Fritz Blume ist.

Oerlinghausens Traditionsbuchhandlung verkaufte früher auch Postkarten und Galanteriewaren

Mit verkaufsoffenem Sonntag: Alle Infos zum Bergstadt-Advent in Oerlinghausen

Konsum, Kneipen, Kolonialwaren

Oerlinghauser Grundschüler bekommen Lesestoff

Nürnberger Museum gibt NS-Raubkunst an Lion-Erben zurück

Wo jüdische Oerlinghauser badeten

Oerlinghausen leuchtet: Bunte-Lichter-Bummel begeistert

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus

0,99 € im ersten Monat

Angebot: Jahresabo nur 99 €