Oerlinghausen: Das Kontor des Carl David Weber

Oerlinghausen. Gediegene Bürokultur des 19. Jahrhunderts habe im alten Kontor des Leinenunternehmers Carl David Weber geherrscht. &bdquo;Wie oft musste ich diese stillen, geheiligten Räume betreten, wenn ich als zwölfjähriger Junge und Bote meines Vaters die Einladungen zu Besprechungen und Ratssitzungen zu überbringen hatte“, erinnerte sich der Chronist und spätere Bürgermeister August Reuter daran, dass er als Jugendlicher die Briefe oder Mitteilungen der Gemeindeverwaltung ablieferte. In dem großen Gebäude am Beginn der Detmolder Straße, wo heute das Gesundheitszentrum und eine Kita angesiedelt sind, lag das Zentrum des Textilhandelsunternehmens Ceweco (Carl Weber & Co.).&bdquo;Damals gab es noch keine Schreibmaschinen, an Stehpulten hatten die Bürovorsteher Wilhelm Wegescheid und Wilhelm Hofbüker die Korrespondenz zu erledigen“, schreibt Reuter über die Zeit zwischen 1890 und 1900. Die Juniorchefs Carlo Weber und Bruno Müller, Sohn und Schwiegersohn des Firmenpatriarchen Carl David Weber, saßen in einem kleineren Raum dahinter &bdquo;an Schreibtischen, auf denen die blank geputzten Petroleumlampen mit grüner Kuppel ins Auge fielen.“ Er bewunderte die im Kontor hängenden Bilder großer Spinnereien wie in Belfast in Irland und &bdquo;spürte Sehnsucht in die Fremde“.

Die Anfänge des jungen Unternehmers Aus kleinen Anfängen hatte sich das Kontorgebäude zum Zentrum eines weit verzweigten Handelsunternehmens für feinstes Leinen entwickelt. Um 1850 war der 25-jährige Bielefelder Leinenkaufmann Carl David Weber nach Oerlinghausen übergesiedelt. Er beantragte in Lippe die Konzession, ein Leinenhandelsgeschäft zu eröffnen. Bald erwarb Weber ein Haus für sich und seine Familie an der Detmolder Straße 10. Der junge Unternehmer setzte auf ein sogenanntes Verlagssystem: Er kaufte von vielen kleinen Hauswebern handgewebtes Leinen auf und vertrieb es an Kunden weltweit. Sogar an Fürstenfamilien oder Königshäuser.&bdquo;Sein Leinen war bis um das Achtfache teurer als das englische, maschinengewebte Leinen“, heißt es in der Chronik. &bdquo;Das Webersche Leinen wurde zu einem Begriff für Qualität“, schreibt Reuter, &bdquo;nach Petersburg, Kopenhagen, Den Haag, nach Frankreich, Spanien und Portugal gingen die schweren Kisten. Durch Hamburger Exporthäuser belieferte er sogar Südafrika und die Südseeinseln. &bdquo;Seine Tochter Herta erinnerte sich später daran, dass Briefe von der Königin von Hawaii in der Familie vorgelesen wurden, die sie anderntags mit in den Geografie- und Englischunterricht der Rektorschule mitnehmen durfte“, heißt es.Im Jahre 1869 kaufte Carl David Weber das danebenliegende Haus Nummer 6, in dem damals die Oerlinghauser Post lag, dazu. Nun gab es Platz für die gewachsene Verwaltung und die Veredlung der Textilien. Eine Leinenschererei, die Leinenabnahme und der gesamte Versand lagen jetzt hier. In dem neuen Flügel des Hauses siedelte er später auch eine Näherei an, in der die Stoffe zu hochwertigen Tischdecken, Bettwäsche und Ähnlichem verarbeitet wurden.Nach 1900 begann allmählich die Umstellung. Die dritte Generation, vor allem die Müller-Söhne Georg und Richard, brachten modernes Denken ins Unternehmen. Ihre Idee war es, Ceweco nicht nur als Handels-, sondern auch als Produktionsunternehmen auszurichten. Im Jahre 1903 wurde mit dem Bau eines großen Fabrikgebäudes im Norden Oerlinghausens begonnen, ein Jahr später lief die Produktion einer neuzeitlichen Weberei (heute Fa. Dr. Oetker) an.

Der Aufstieg und Zerfall von Ceweco Von nun an waren bei Ceweco die Herstellung der Textilien sowie Entwicklung, Vertrieb und Verwaltung räumlich getrennt. Aber auch die Verwaltung brauchte immer mehr Platz. Im Jahre 1923 gab es eine neue Lösung: Beide Häuser an der Detmolder Straße wurden zu einem großen Verwaltungsbau verbunden.Ceweco expandierte enorm nach dem Zweiten Weltkrieg und erwarb weitere Produktionsstätten wie eine Bleiche in Bielefeld-Quelle, eine Weberei in Isselhorst oder eine Flachsspinnerei in Hattorf am Harz. An die 1.500 Beschäftigte arbeiteten bei Weber und Co. noch bis zum Ende der 1950er Jahre. Dann setzte die internationale Krise in der Textilbranche dem Unternehmen immer mehr zu. 1973 schließlich kam das Aus für die zuletzt 300 Mitarbeiter. Man stellte die Produktion ein.Zwar nutzte die Nachfolgegesellschaft das alte Verwaltungsgebäude als Büro-, Lager- oder Vertriebsgebäude. Auch Mieter, wie eine Zahnarztpraxis oder eine Heißmangel kamen später hinzu. Doch ohne neue Ideen und frisches Kapital dämmerte die Immobilie dahin. Bis einer Investorengemeinschaft in den 2000er Jahren, bestehend aus Günter Weigel, Christel Somberg und Dieter Brechmann, mit einem neuen Konzept die Wende gelang.Heute, nach längerer Umbauzeit, ist nahezu der alte Glanz zurückgekehrt. Das Kontorgebäude zeigt sich in frischem Aussehen, mit einem modernen Innenleben und demnächst mit einem wiedereröffneten hübschen Park. Der Kreis Lippe hat die oberste Etage komplett übernommen und dort ein neuzeitliches Gesundheitszentrum eingerichtet, im Erdgeschoss liegt die Kita &bdquo;Weberpark“, eine Allgemeinmedizinerin praktiziert schon seit längerem in der unteren Etage und im Jahr 2026 wird eine Praxis für Kieferorthopädie hinzukommen.

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