Oerlinghausen: Zeitzeuge John Gibson warnt vor Wehrpflicht

Oerlinghausen. Das neue Wehrdienstgesetz, das die Musterung aller Männer ab dem Geburtsjahr 2008 vorsieht, ist aktuell in aller Munde. Tausende junger Menschen sind in vielen Städten und Regionen auf die Straße gegangen und haben demonstriert. Wäre John Gibson noch jünger und mobiler, dann hätte er sich ihnen sicherlich angeschlossen. Der 88-jährige gebürtige Brite ist einer der letzten Pflichtsoldaten gewesen und hat während seiner Zeit in der Armee unter anderem Hilfeleistung bei der Sturmflugkatastrophe im Hamburg im Februar 1962 geleistet.John Gibson ist in Little Sutton, einem Vorort von Liverpool aufgewachsen. &bdquo;Ich war drei Jahre alt, als 1940 die ersten Bomben fielen“, erinnert er sich daran, dass an einem einzigen Tag 166 Menschen starben, an den drei Weihnachtstagen sogar 365, &bdquo;so viele, wie das Jahr Tage hat“. Liverpool sei die am zweitmeisten bombardierte Stadt in Großbritannien gewesen.Oft saß die Familie im Luftschutzkeller und bangte um ihr Leben. Oder John Gibson schlief mit seiner Mutter unter der Treppe im Haus. Das Bild, wie sie sich vor Angst die Ohren zuhielt, ist eines, das im Gedächtnis geblieben ist. Ebenso wie das von zerstörten Häusern und aufsteigendem Rauch. &bdquo;Obwohl ich noch so jung war, werde ich das nie vergessen“, sagt Gibson. Am Ende starben 4000 Zivilisten, weite Teile der Infrastruktur wurden zerstört. &bdquo;Krieg“, sagt der 88-Jährige, &bdquo;ist immer sinnlos, bringt nur Leid und Zerstörung.“

Einsatz in Deutschland Als John Gibson Ende 1959 zur Armee kam, war der Dienst verpflichtend. &bdquo;Eigentlich hätte ich aufgrund meiner Ausbildung noch warten können, aber ich wollte es hinter mich bringen“, erzählt Gibson von jugendlicher Unbekümmertheit. &bdquo;Ein Jahr später kam die Neuregelung der Freiwilligkeit.“ Mit seinem Regiment hätte der Brite nach Süd- oder Nordkorea geschickt werden können. Dass er stattdessen nach Deutschland kam, bezeichnet er noch heute als großes Glück, &bdquo;denn sonst würde ich heute wohl nicht mehr hier sitzen“. Die Geschichte von John Gibson ist eine mit vielen Kapiteln. Bei der Armee wurde der technische Zeichner zum Lkw-Fahrer ausgebildet und nach Osnabrück versetzt. &bdquo;Dort habe ich von 1958 bis 1960 meine Pflichtjahre absolviert“, sagt er. In dieser Zeit sei der Befehl gekommen, &bdquo;ein paar Wochen in einem Ort namens Oerlinghausen zu arbeiten.“Aufgabe der Engländer war es 1959, an der Landebahn des Segelflugplatzes mitzuarbeiten. &bdquo;Wir waren für den Unterboden zuständig“, berichtet John Gibson vom Aushub mit großen Geräten und einem Dieselroller, der Erde und Steine platt walzte. Untergebracht waren die britischen Soldaten damals in Zelten für 50 Mann.

Soziales Jahr statt Wehrpflicht Gibson, der später ein Ingenieurstudium absolvierte, lernte seine erste Frau kennen. &bdquo;Sie kam als Flüchtling aus Pommern“, erzählt er. &bdquo;Sie hat erlebt, was der Krieg mit Menschen macht.“ An Depressionen leidend, starb sie mit nur 34 Jahren. Gibson blieb mit den vier kleinen Söhnen allein, lernte später seine zweite Frau kennen, mit der er in Oerlinghausen bis zu ihrem Tod lebte. John Gibson spricht sich statt der Wehrpflicht dafür aus, dass junge Menschen ein soziales Jahr absolvieren sollten. &bdquo;Auf jeden Fall sollten sie selbst entscheiden.“ Gibson, der Ehrenvorsitzender der deutsch-britischen Gesellschaft, Bundesverdienstkreuzträger und Vorsitzender des Beirates im AWO-Seniorenzentrum Müllerburg ist, zitiert die Worte seiner Mutter. Sie hatte angesichts der Kriege auf der Welt gesagt: &bdquo;Man sollte die ganzen Staatschefs auf eine Insel schicken, sie würden sich sicherlich nicht gegenseitig umbringen“, sondern womöglich doch eine Lösung für den Frieden finden. &bdquo;Hass“, sagt er, &bdquo;ist das schlechteste Wort, das ich kenne.“ Und: &bdquo;Lieber 30 Jahre miteinander reden, als 30 Jahre gegeneinander kämpfen.“

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