
Minden / Detmold. Nach einem Flugzeugabsturz im Herbst 2011 muss sich ein 68-jähriger Sportflieger aus Minden wegen Gefährdung des Luftverkehrs vor dem Amtsgericht Detmold verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm "grob pflichtwidriges Verhalten" vor. Der Mann hatte sich und seine Frau gefährdet, weil er - ohne es zu dürfen - im Dunkeln geflogen war. Dem Piloten droht nun der Entzug seiner Fluglizenz.
Es kommt einem Wunder gleich, dass der Mindener und seine Frau den Abend des 24. Oktober 2011 überlebten. Im Landeanflug auf den Flugplatz Oerlinghausen streift ihr Ultraleichtflugzeug in der herein brechenden Dunkelheit einige Baumwipfel und stürzt kopfüber auf den Waldboden. Das Ehepaar übersteht den Einschlag nahezu unverletzt und klettert aus dem Cockpit. Zu Fuß legen sie rund einen Kilometer durch den Wald in Richtung Flugfeld zurück und melden sich beim dortigen Tower. Obwohl es schon der dritte Landeversuch war, hat niemand den Unfall bemerkt.

Die Gegend südlich des Flugplatzes ist dicht bewaldet. Da das Ehepaar die Absturzstelle nicht genau beschreiben kann, sucht die Besatzung eines Polizeihubschraubers mit Nachtsichtbrillen nach dem Wrack – ohne Erfolg. Erst in den frühen Morgenstunden wird die Maschine südwestlich des Flugplatzes gefunden.
Was wie ein glückliches Ende anmutet, ist jedoch der Beginn eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Wie üblich in solchen Fällen wird die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) in Braunschweig informiert. Nach ersten Untersuchungen stoppen die Mitarbeiter jedoch ihre Ermittlungen. "Unsere Aufgabe ist es, den Luftverkehr durch unsere Untersuchungen sicherer zu machen. Doch dieser Absturz war eher ein Fall für die Justiz", berichtet ein Ermittler. "Hier hat offenbar jemand sehr viel falsch gemacht."
Der Sportflieger war am Tag des Absturzes auf dem Weg von der Nordseeküste zurück nach Oerlinghausen und wollte dort gegen 18 Uhr landen. Bei der Polizei sagte er später aus, dass starker Gegenwind die Flugzeit verlängerte. Ob der dadurch bedingte höhere Spritverbrauch Grund für eine Zwischenlandung am Flugplatz Damme (Landkreis Vechta) war, ist unklar. Fest steht, dass der Pilot um 18.23 Uhr in Richtung Oerlinghausen startete - gegen die eindringliche Warnung des dortigen Flugplatzpersonals. "Sie fliegen in die Dunkelheit hinein", soll der damalige Flugleiter gesagt haben.
Hintergrund ist eine Regelung in der Zivilluftfahrt, dass unter Sichtflugbedingungen generell nur bis Sonnenuntergang (plus 30 Minuten) geflogen werden darf. In Damme ging am 24. Oktober die Sonne um 18.14 Uhr unter, in Oerlinghausen um 18.12 Uhr. Wann genau der Mindener zum ersten Landeversuch ansetzte, ist unklar. Die Entfernung zwischen Damme und Oerlinghausen beträgt rund 70 Kilometer Luftlinie. Der Platz ist für den Flugbetrieb bei Dunkelheit jedoch nicht ausgelegt - die Landebahn besitzt keine Beleuchtung.
Auch Ultraleichtflugzeuge sind für Nachtflüge nicht zugelassen. Dementsprechend gibt es beim Erwerb der Fluglizenz für ein Ultraleicht-Fluggerät auch keine Einweisung in den Nachtflug nach Sichtflugbedingungen, wie es bei einem Privatpilotenschein üblich ist.
"Oerlinghausen ist von Wald umgeben. Wenn die Dunkelheit hereinbricht, fehlen dem Piloten Referenzpunkte am Boden", sagt ein Vertreter der zuständigen Landesluftfahrtbehörde. "Mit dem Start in Damme nach Sonnenuntergang ist der Pilot ein hohes Risiko eingegangen."
Warum am Flugplatz Oerlinghausen niemand die beiden vergeblichen Landeversuche sowie den Crash bemerkte, kann derzeit nicht beantwortet werden. Aufgrund des laufenden Verfahrens möchte sich vom Personal niemand äußern. Prozesstermin ist Anfang August vor dem Amtsgericht Detmold.
Verunglückte Landeanflüge gehen nur selten so glimpflich aus wie in Oerlinghausen. Am 31. Mai 2010 stürzt eine einmotorige Maschine einen Kilometer östlich des Flugplatzes Bielefeld-Windelsbleiche nahezu senkrecht in einen Wald. Das Flugzeug war morgens in Katowice (Polen) gestartet.
Die Pilotin sowie drei Passagiere hatten keine Überlebenschance. Laut dem Untersuchungsbericht der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) führte ein Strömungsabriss zum Unglück: Die überladene Maschine hatte eine enge Kurve mit zu wenig Geschwindigkeit geflogen. Die schlechte Witterung (niedrige Wolkendecke) spielte dabei eine Rolle.
Tiefhängende Wolken waren ebenfalls ein Faktor beim Absturz eines Sportflugzeugs am 18. Juli 2008 nahe Minden. Die aus Stade kommende Mooney M 20 war im Landeanflug auf den Flugplatz Porta Westfalica, als sie in den wolkenverhangenen Kamm des Wiehengebirges einschlug. Die Maschine fing Feuer, der Pilot und sein Fluggast starben beim Aufprall. Rettungskräfte brauchten mehrere Stunden, um das Wrack im steilen Gelände zu lokalisieren.