Frau kann’s: Ellinor Dräger und ihr Hof in Voßheide

Lemgo. Ellinor Dräger kennt die Blicke, die skeptischen Anmerkungen, wenn sie von ihrem Zuhause erzählt. Hof, Scheune, Tiere, dazu zwei Hektar Grund und das als Frau, als alleinerziehende Mutter? Die 49-Jährige muss lachen: &bdquo;Na klar, warum nicht.“

Ellinor Dräger hat sich einen Traum erfüllt. In Voßheide, an der Haselbeke, hat sie ihr Zuhause gefunden: einen alten Hof, 1738 erbaut, mit Scheune und Anbauten und ganz, ganz viel Land drumherum. Noch gut kann sie sich an das erste Gespräch mit dem damaligen Besitzer erinnern. Vor zehn Jahren war das, als sie über eine Anzeige auf den Hof stieß und den Bauern kontaktierte. Eine Frau, alleinstehend mit Kindern - und die will den Hof bewirtschaften? &bdquo;Ja, schaffen Sie das denn?“

Die Skepsis war groß, doch die Mosebeckerin ließ sich nicht abwimmeln und kam zum Besichtigungstermin vorbei. &bdquo;Und dann war es um mich auch schon geschehen“, erzählt sie von den ersten Empfindungen, als sie das alte Haus betrat. So groß, so hell, so viel Wiese außen vor - &bdquo;ich wusste sofort, wie es werden konnte“. Schnell wurde sie sich mit dem Landwirt einig und auch der damalige Lebensgefährte, ein Baudenkmalpfleger, gab grünes Licht.

&bdquo;Ich wusste sofort, wie es werden könnte“ Gemeinsam begannen sie das alte Anwesen zu renovieren, schlugen den Putz von den Wänden ab, verlegten im Erdgeschoss Eichenparkett, erneuerten Leitungen und Rohre und schon nach einem halben Jahr zogen sie ein.

Viel Arbeit, wie die Blomberger Gymnasiallehrerin erzählt, während sie durch das Fotoalbum blättert. Stockige Flecken an den Wänden, herabhängende Leitungen, &bdquo;das habe ich in meiner Begeisterung damals alles gar nicht gesehen“. Gemeinsam haben sie angepackt und das Gesicht auf einem der Fotos von der älteren Tochter spricht Bände - Ellinor Dräger lacht, &bdquo;sie hatte dann auch mal genug“.

Doch der Aufwand hat sich gelohnt. Heute wohnt Ellionor Dräger allein mit der jüngeren Tochter im großen Anwesen. Ein Paradies für die neunjährige Linora, die begeistert durch das große Haus und die weitläufige Anlage führt. Sechs Schlafzimmer liegen alleine in der oberen Etage, längst sind nicht mehr alle genutzt und bieten reichlich Platz und Raum zum Spielen, Verstecken und Toben. Unten grenzt das Wohnzimmer an die offene Küche und den Essbereich. Viel Licht fällt durch die großen Fenster, durch die Terrassentür schaut Dalmatiner Josefine herein, während Linora im Schaukelstuhl vor dem Ofen mit der Katze Chiara kuschelt.

Büro, Waschküche, ein zweites Wohnzimmer und Gäste-WC hat das Mutter-Tochter-Duo im Erdgeschoss noch zu bieten. Alles abgetrennt von der alten Deele, in der Geräte und Futter lagern, und den anliegenden Pferdeställen. Pelletheizung und zwei Öfen sorgen auch im Winter für ausreichend Wärme. &bdquo;Und die Bruchsteinmauern halten Kälte und Hitze gut außen vor.“

Auf Pony Puschel das Reiten lernen Drei Ponys, zwei Pferde, zwei Katzen, Hund Josefine, drei Hühner und Hahn Carlos gehören zur Familie. Das alte Pony Puschel grast auf der Wiese an der Auffahrt, gleich vor der kleinen Ausreitfläche, stolze 40 Jahre alt, &bdquo;auf ihm haben viele Kinder aus dem Dorf reiten gelernt“. Gut zwei Hektar Grund gehören zu dem Hof, auf dem zum Teil die Pferde stehen. Zwei kleine Wohnungen über Deele und Pferdestall hat Ellionor Dräger vermietet, ebenso wie einen Großteil der Scheune, 1927 erbaut.

Das Haupthaus des damaligen Lübbeke Hofes wurde 1738 erbaut, wie die Balken über dem alten Torbogen verraten, in den folgenden Jahrhunderten um Anbauten und Scheune ergänzt und nach einem Brand 1920 mit einem Bruchsteinbau erneuert. Eine historisch gewachsene Hofanlage in intakter kulturlandschaftlicher Einbindung, wie ein Baugutachten bestätigt und den Hof als kulturlandschaftlich prägend einstuft. Schließlich bildete die Anlage zusammen mit den Nachbarhöfen den Auftakt zur sogenannten Waldhufensiedlung, also jenen Höfen, die von rund 200 Meter breiten Ackerfluren umgeben waren. Und es ist eben diese Weite, die Lage, die Ellinor Dräger so genießt. Als Pferdemädchen hatte sie schon als 15-Jährige den Traum, gemeinsam mit den Tieren zu leben und sich diesen Wunsch in Voßheide erfüllt. &bdquo;Mit den Pferden den Tag zu beginnen, morgens im Schlafanzug in den Stall oder zu den Hühnern zu gehen, was könnte schöner sein?“, bringt sie es zufrieden auf den Punkt, während die lebendigen blauen Augen strahlen.

Abends statt aufs Sofa in den Stall Eine Frau, ein Hof - für sie gar keine Frage. &bdquo;Natürlich schaffe ich das, aber natürlich bedeutet das auch reichlich Arbeit.“ Morgens um 6 Uhr vor der Arbeit in den Stall, abends bei Wind und Wetter noch in Gummistiefeln raus, wenn andere ihren Feierabend auf dem Sofa genießen. Nein, Angst vor der Arbeit dürfe man auf dem Hof sicher nicht haben und alles tiptop sauber zu halten? Davon habe sie sich schon lange gelöst.

&bdquo;Es ist ein Lebensgefühl, mit Geld kann man das nicht aufwiegen.“ Und mehr brauche sie eigentlich nicht: Familie, Tiere, Natur - &bdquo;vier Tage Urlaub, mehr ertrage ich nicht“, muss sie lachend eingestehen, dass es für sie keinen schöneren Ort gibt.

Und doch - manchmal überlegt sie, ob es mittlerweile nicht doch etwas kleiner sein könnte. Mit fast 50 Jahren und einer älter werdenden Tochter will sie rechtzeitig die Weichen stellen und weiß genau, wie sie in absehbarer Zeit wohnen will: &bdquo;Genauso, nur etwas kleiner, dann bin ich wunschlos glücklich“.

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