Schieder-Schwalenberg. Das Wetter ist so richtig mies, aber Sabrina strahlt trotzdem über das ganze Gesicht, als sie die schwere Lastwagentür aufmacht und sich behände auf den Fahrersitz schwingt. „Das ist mein Hugo, ich parke den mal eben um“, ruft sie, und schon geht sie sicher mit dem grasgrünen Sattelschlepper in die Kurve.
Der Spaß, den die zweifache Mutter hier ausstrahlt, ist unübersehbar, ihren Job als Lastwagenfahrerin liebt sie offensichtlich. „Das liegt bei uns in der Familie“, wird sie später nach ihrer Schicht, am heimischen Esstisch erzählen, „schon mein Vater war ein Trucker, und ich bin halt ein Trucker-Babe“, spielt sie auf die gleichnamige Fernsehserie über Frauen am Steuer von 40-Tonnern an.
Eine Welle der Hilfsbereitschaft
Dass sie allerdings jetzt an die familiäre Tradition angeknüpft hat, wäre vielleicht niemals passiert ohne jenen Schicksalsschlag vor gut drei Jahren, der ihren erst 39 Jahre alten Mann von ihrer Seite riss und sie mit zwei kleinen Kindern - dem damals noch ungeborenen Bela und dem damals dreijährigen Sam allein zurückließ.
Als die LZ seinerzeit über sie berichtete, löste die Geschichte der jungen Witwe eine Welle der Hilfsbereitschaft aus. Der Rotary Club Detmold-Blomberg hatte sich damals sogar bereit erklärt, ihr eine neue Heizung zu finanzieren. Insgesamt kamen damals rund 22.000 Euro an Spenden zusammen. Bis die neue Heizung richtig lief, hat es quälend lange gedauert, aber die Rotarier, insbesondere Christoph Kraus, hätten nicht eher geruht, bis alles lief. Sabrina ist dankbar für die Unterstützung, die sie erfahren hat. Zur Trauerbewältigung angesichts ihres großen Verlustes hat sie sich keine Hilfe gesucht: „Ich bin stolz, dass ich es allein geschafft habe.“
Was man nicht alles tut, wenn man jemanden liebt
Es ist dank der neuen Heizung an diesem Tag mollig warm in der Wohnung, als sich die kleine Familie zum Adventskaffee zusammenfindet. Sie sind wieder zu viert: Nach dem schweren Verlust verliebte sich Sabrina in Alex Krüger, mittlerweile haben die beiden geheiratet, aus Sabrina Galsterer wurde Sabrina Krüger. Der gelernte Tischler, der in einem Garten- und Landschaftsbaubetrieb arbeitet, hat sich voll und ganz auf die junge Witwe und ihre beiden Kinder eingelassen: „Natürlich ist das eine Herausforderung gewesen, aber so etwas tut man, wenn man jemanden liebt“, sagt der 36-Jährige schlicht dazu.

Und so unterstützte Alex Krüger seine Frau auch, als die sich nach dem Verlust ihres Jobs bei der Blomberger Holzindustrie beruflich neu orientierte. Sie machte vor einem Jahr den LKW-Führerschein, und mittlerweile darf sie auch Gefahrstoffe transportieren. Die Fortbildung dafür absolvierte sie mit Unterstützung ihres neuen Arbeitgebers, Hötger Brennstoffe in Schieder.
Ein Job für Männer? Mitnichten!
Seither fährt sie Pellets, Container, Heizöl - was gerade so anliegt. „Ich glaube, ich bin die einzige Frau in ganz OWL, die das macht“, sagt die 38-Jährige stolz. Chefin Ann Hötger findet es gut: „Das ist ein Job, den natürlich auch eine Frau machen kann. Es sollte wirklich mehr Frauen geben, die Lastwagen fahren.“
Sabrina ist ihrerseits sehr dankbar: „Ich habe einen ganz tollen Arbeitgeber, der viel Rücksicht auf mich nimmt. Wenn mit meinen Kindern was ist, dann kann ich sofort alles stehen und liegen lassen.“ Die Touren bleiben halbwegs in der Umgebung, so dass sie nicht zu lange von zuhause weg ist.
Derweil besuchen Sam und Bela die Kita in Wöbbel, Sabrina holt sie ab, wenn sie um 15 Uhr mit der Arbeit fertig ist. Nachdem ihre Mischlingshündin Loona im vergangenen Jahr mit elf Jahren gestorben ist, gehört auch noch ein „Kalb“ zur Familie. Könnte man jedenfalls denken, wenn der zweijährige Herdenschutzhund ins Zimmer tritt, der dem auf dem Stuhl sitzenden Besuch im Stehen übers Ohr lecken kann - und es auch mal eben tut. „Der hat 75 Kilo, aber er ist sehr lieb und bellt nicht“, versichert die junge Mutter.
„Der hört, wenn ich Platz sage“, erzählt Dreikäsehoch Sam stolz. „Manchmal zumindest“, schmunzelt seine Mama. Sie hat sich durchgekämpft, trotz all der Wunden, die ihr das Leben geschlagen hat. Nach Weihnachten wird sie wieder oben auf dem Bock sitzen, ein Stück über allen anderen Autofahrern auf Lippes Straßen. Und wissen: So leicht lässt sie sich nicht unterkriegen.