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Dieses Holz verzeiht Wolfgang Koch keine Fehler

Till Brand

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Vorne sind die Original-Schmuckbalken zu sehen, hinten bearbeitet Wolfgang Koch die zukünftige Kopie, die am Schwalenberger Rathaus wieder eingebaut wird. - © Till Brand
Vorne sind die Original-Schmuckbalken zu sehen, hinten bearbeitet Wolfgang Koch die zukünftige Kopie, die am Schwalenberger Rathaus wieder eingebaut wird. (© Till Brand)

Schieder-Schwalenberg/Dörentrup-Spork. In Spork wird Arbeit zur Ehrensache: Nicht nur, weil Wolfgang Koch verdienter Rentner und trotzdem noch fit genug ist, spricht er von einem Privileg, dem er seit einigen Tagen in seiner Werkstatt in dem Dörentruper Ortsteil nachgeht. Vielmehr bezeichnet der Holzschnitzmeister es als „echte Ehre, an etwas zu arbeiten, das Jahrhunderte gehalten hat - und hoffentlich wieder halten wird“.

Die Rede ist von zwei Schmuckbohlen, die die Stadt Schieder-Schwalenberg gerade am Schwalenberger Rathaus erneuern lässt. Das Fachwerk ist aufgrund von Wettereinflüssen morsch geworden, erklärt Reinhard Büker als zuständiger Fachbereichsleiter. Deshalb sind die beiden Eichenholzbohlen nun bei Koch zur Kopie.

Doch so einfach wie „Copy & Paste“ am Computer oder die Kopie eines Briefes ist das nicht. Tatsächlich steckt stundenlange, minutiöse Arbeit in den beiden 1,20 Meter langen Schmuckstücken, die der Hauptfront an der Rathaus-Nordfassade zur Ehre gereichen. Am ehemaligen Ratskeller künden sie mit Justitia und einem Teil des Wortes „anno“ (Jahr) von früherer Funktion (Gerichtsbarkeit) und Alter des Gebäudes.

Ab ist ab

Bei seiner Eins-zu-Eins-Kopie darf Holzschnitzer Koch keine Fehler machen. „Da guckt der Denkmalschutz genau hin“, weiß der handwerklich begabte Dörentruper, der früher im Detmolder Freilichtmuseum die Mühlen bedient und hier und da auch kleinere Schnitzereien erledigt hat. Holzhammer und Stechbeitel unterschiedlicher Größen und Krümmungen verzeihen keine Fehler. Ein falscher Hieb - und ab ist ab.

Am Rathaus Schwalenberg sind die Schmuckbohlen ausgebaut und bei Wolfgang Koch zur Nachbildung in der Werkstatt in Dörentrup. - © Reinhard Büker
Am Rathaus Schwalenberg sind die Schmuckbohlen ausgebaut und bei Wolfgang Koch zur Nachbildung in der Werkstatt in Dörentrup. (© Reinhard Büker)

Von den morschen Schmuckbohlen, die laut Koch „nur noch von ein wenig Farbe zusammengehalten wurden“, hat der Schnitzmeister die Konturen auf Folie abgezeichnet. Auf die bereits von der Bad Lippspringer Firma Nüthen am Rathaus passgenau zugeschnittenen neuen Rohlinge hat Koch dann die Konturen mit Kohlepapier übertragen. Nun beginnt die eigentliche Schnitzarbeit, zunächst mit den tief liegenden Furchen und Flächen, später mit dem Ausarbeiten der Ornamente. „Von grob zu fein“, erklärt Koch seine Strategie.

Nur wenige Gleichgesinnte

Am Ende werden etwa 30 Stunden in jeder der beiden Tafeln stecken. Eine Arbeit, die in Ostwestfalen-Lippe nur noch wenige Menschen beherrschen, wie der Dörentruper bedauert. Obwohl inzwischen im 71. Lebensjahr und nur noch im Nebenerwerb tätig, erhält Koch ob des Schnitzer-Mangels bezeichnenderweise immer noch Anfragen für reichlich Arbeiten - von Vereinen, Privatpersonen, Unternehmen und der öffentlichen Hand.

So freut sich der Holzschnitzmeister schon auf den Moment, wenn die Schwalenberger Schmuckbohlen wieder an Ort und Stelle und somit ein beliebtes Fotomotiv für Besucher sind. „In anderen Städten kann ich auch nicht widerstehen, Aufnahmen zu machen, wenn ich so etwas Tolles sehe“, kann der Handwerker jeden verstehen, der die Justitia vor die Linse nimmt.

Dabei fehlt es Koch wahrlich nicht an den ganz großen Vergleichen. So hat der Lipper vor einigen Jahren an dem Wiederaufbau der „Goldenen Waage“ in Frankfurt am Main mitgewirkt, einem Projekt der Liemer Altbauspezialisten Kramp & Kramp. Die jahrelange Schnitzarbeit von Giebel & Co. ist das Werk des Dörentrupers, der damals nach nur einem erhaltenen Eckpfosten und ansonsten historischen Schwarz-Weiß-Fotos arbeitete. Denn die „Goldene Waage“ von 1619 war im März 1944 durch Brandbomben zerstört worden.

Regenschutz geplant

Dieses Schicksal hat das Schwalenberger Rathaus nicht getroffen, und so sind es „nur“ die zwei Schmuckbohlen mit Justitia, Rose, Kreuz auf Wappenschild, Schwalenberger Stern und Schwalbe, die aktuell auszubessern sind. Dabei geht Wolfgang Koch davon aus, dass das Holz noch das Original von 1579 ist. „Was fast 450 Jahre gehalten hat, soll nun wieder 400 Jahre halten“, sagt Koch über seine Arbeit.

Das Kolorieren übernimmt nach Aussagen von Fachbereichsleiter Reinhard Büker später eine Malerfirma. Nach seiner Auskunft wurde für die Kopien extra lang gelagertes Eichenholz ausgesucht, das nur noch eine ideale Restfeuchte von 14 bis 17 Prozent aufweist. „Mit Zapfen, Winkeln, Löchern, Schrägen und Leisten wurden die Rohlinge an der Fassade passend zugeschnitten“, erklärt Büker.

Noch im Frühjahr sollen die beiden Schmuckbohlen nach Möglichkeit wieder an der Fassade eingesetzt werden. Die Kosten bewegen sich insgesamt im niedrigen fünfstelligen Bereich.

Weil sich die Fassade des Schwalenberger Rathauses nach hinten neigt, tropft es bei Regen stetig auf die 14 bis 15 Meter lange Reihe Schmuckbohlen. Die Hoffnung Bükers ruht nun noch auf der möglichen Nachrüstung einer Tropfkante. Die Abstimmungen mit dem Denkmalschutz zu dem Mini-Regendach laufen.

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