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Wie sich rot-weiße Riesen durch Lothe schieben

Silke Buhrmester und Marianne Schwarzer

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Der heikle Moment bei der Durchfahrt durchs Bärental ist überstanden. - © Marianne Schwarzer
Der heikle Moment bei der Durchfahrt durchs Bärental ist überstanden. (© Marianne Schwarzer)

Schieder-Schwalenberg/Lothe. Man muss auch mal Glück haben. Wochenlanger Niederschlag hat den Transport und die geplante Aufstellung der drei Windkraftanlagen nahe Brakelsiek verzögert. Doch als am Dienstagmorgen das erste Rotorblatt vom Umladeplatz nahe Hagedorn die fünf Kilometer lange Strecke über Feldwege und durch Lothe in Richtung der Baustelle zurücklegen soll, passt alles: Die Sonne scheint und, viel entscheidender, es ist nicht windig.

Um 9 Uhr sollte es losgehen. Nun ist es kurz vor 10. Chris Mahler steht entspannt auf dem Platz, orangene Hose, grauer Fleecepullover, graue Mütze, Sonnenbrille. Seit Jahren steuert er die Selbstfahrer im Auftrag der Paderborner Firma Hofmann-Kran, da hat er schon die dollsten Sachen erlebt. Fanatische Naturschützer, die jede Eidechse einzeln zählten, aber auch Verbalattacken: „Beim Transport schrien sie aus dem Fenster: Was Hitler und der Russe nicht zerstört haben, zerstört ihr jetzt." Oder aufgebrachte Menschen, die Kaffeebecher hinter seiner Truppe herwarfen.Ja, die Gemüter sind erhitzt, Windkrafträder polarisieren – in Deutschland besonders, hat er festgestellt. In Polen oder Dänemark dagegen, wo er schon Schwertransporte begleitete, sei man da entspannter.

Fotostrecke: Windpark Brakelsiek

Von den Ostlippern hat er dagegen bislang keine Anfeindungen gespürt. Jedenfalls nicht in der Form. Kritische Stimmen werden im Verlauf der Tour trotzdem laut: Friedel Moll kann den riesigen Aufwand beim Bau der Anlagen nicht verstehen: „Da zahl ich doch bis an mein Lebensende ab", sagt er. Und auch Dietmar Köller winkt ab: „Was hier schon an CO2 frei wurde, das ist doch Wahnsinn." Immerhin werde schon seit Monaten an den drei Bauplätzen für die Windkraftanlagen auf der Brakelsieker Flur gearbeitet. Gleichwohl sind die beiden Brakelsieker fasziniert vom Anblick des Rotorblattes.

Behörden beschränken Transportzeit

Derweil hat das Team bei Hofmann mit ganz anderen Problemen zu kämpfen. Ursprünglich, berichtet Mahler, sollten werktags sogar zwei Transporte rüber nach Brakelsiek gehen – zwischen 6 und 9 Uhr und 16 und 19 Uhr herrschte Sperrzeit, wegen des Berufs-. und Schülerverkehrs. Dann habe sich aufgrund des Wetters mal ein Transport verzögert – und schon habe es Beschwerden der Busfahrer gegeben: „Als ob das so schlimm ist, wenn die Schüler mal etwas später kommen – die können doch auch den ganzen Tag frei machen, wenn sie auf Demos gehen", schüttelt er den Kopf. Die Beschwerden jedenfalls hätten dazu geführt, dass die Behörden nun nur noch einen Transport pro Tag genehmigten.

Entlang der Strecke, die über einen Feldweg von der Hagedorner Straße auf die Lother Straße und dann durchs Lother Dorf führt, haben sich einige Schaulustige versammelt, die mit ihren Handys das ungewöhnliche Spektakel filmen und fotografieren. „Ich habe alles stehen und liegen gelassen", erzählt Kirsten Bolte, die auf ihrem E-Scooter angefahren kommt. „Das musste ich mir doch erst mal angucken", sie ist wie viele andere fasziniert, als sich der Selbstfahrer mit insgesamt 64 Rädern und dem tonnenschwere Rotorblatt wie ein neuzeitliches weiß-rotes Monster durch die Dorfstraße schiebt.

Zu zweit manövrieren Mahler und sein Kollege Michael Maack das 67 Meter lange Rotorblatt über die kurvige, bergige Strecke. Maack ist erst 25 Jahre alt und gelernter Heizungsbauer. Seit eineinhalb Jahren darf er nun die komplizierte Technik bei Hofmann bedienen. Gibt’s da so was wie einen Trainingsstand wie bei Piloten? – Er winkt ab: „Nee, das lernt man nur im Betrieb."

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Sein „Lehrmeister" Chris Mahler weiß, was man für den Selbstfahrer braucht: „Führerschein Klasse 2, viel Erfahrung am lebenden Objekt und ein bisschen verrückt sein", sagt er lachend und fasst sich dabei an den Kopf. Und am besten keine Familie oder eine sehr tolerante. Denn die Sache ist ganz schön gefährlich: Erst vor kurzem ist Mahler durch eine Unaufmerksamkeit zwischen einem Frachtstück und der Maschine eingeklemmt worden. „Meine Freundin macht sich immer Sorgen, ob ich denn auch heil nach hause komme." Dennoch liebe er seinen Job – und das Unternehmen: „Hofmann ist wirklich ein toller Familienbetrieb, unser Chef hat immer ein offenes Ohr, auch für Privates."

Kurz, aber heftig

Die Route ist zwar kurz – Mahler und sein Team sind andernorts auch mal 15 Kilometer zu Fuß oder im Begleitfahrzeug im Schneckentempo unterwegs –, aber dennoch eine Herausforderung. Für die fünf Kilometer, schätzt Mahler, braucht der Tross etwa vier Stunden. Durch Kurven und Senken geht es besonders langsam, dann muss das Rotorblatt gedreht oder angehoben werden, um Bäume, Häuserdächer und andere Hindernisse unfallfrei zu passieren. Maßarbeit und Teamwork sind gefragt.

Guck mal Mama, da kommt es: Der kleine Lukas ist ganz aufgeregt, als sich der Flügel ihm entgegenschiebt. - © Marianne Schwarzer
Guck mal Mama, da kommt es: Der kleine Lukas ist ganz aufgeregt, als sich der Flügel ihm entgegenschiebt. (© Marianne Schwarzer)

Nikolas Margaritis, Projektleiter von ABO Wind, und seine Kollegin Sophie Dippel begleiten den Transport heute ebenfalls. „Schnee ist für uns kein Problem, nur windig darf es nicht sein", sagt Margaritis. Und so hat das neue Windrad im Bärental innerhalb weniger Tage an Höhe gewonnen. Mittlerweile ist das erste Rotorblatt in den Feldweg dorthin eingebogen, durch Brakelsiek selbst müssen nur die sechs Blätter für die anderen beiden Standorte. Jetzt wird es noch mal ein bisschen knifflig. Die steile Senke im Bärental und die Böschung zu beiden Straßenseiten macht die Sache schwierig.

ABO Wind hat Spezialplatten auf dem Feldweg anbringen lassen, die das Ganze stabilisieren, und tatsächlich steuert Michael Maack das Gefährt souverän und ohne Zwischenfall bis zur Baustelle. Es ist kurz vor eins, alle sind erleichtert: In den nächsten beiden Tagen folgen die fehlenden Blätter für diesen Standort, nächste Woche die sechs anderen.Doch eine Frage bleibt: Werden die Lother wie gewohnt fürs Schützenfest schmücken können, ohne dass Girlanden und Schwertransporte sich ins Gehege kommen? – „Ich finde solche Traditionen toll", sagt Nikolas Margaritis. „Wir wissen bis jetzt noch nicht so genau, wo die Girlanden hängen sollen. Aber wir werden eine Lösung finden, mit der alle zufrieden sind."

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