Schieder-Schwalenberg. Noch ist der Vertrag über den Kauf nicht geschlossen, aber es ist beschlossene Sache, dass es so kommen wird. „Mit großer Mehrheit“, so betont Bürgermeister Jörg Bierwirth, hat der Rat für den Erwerb eines leer stehenden Hauses in der Brakelsieker Kurzen Straße gestimmt. Bierwirth verhehlt auch nicht, dass die meisten Lokalpolitiker nur mit knirschenden Zähnen zugestimmt hätten: „Nicht, weil sie das so toll finden, dort eine Flüchtlingsunterkunft einzurichten, sondern einfach, weil sie die Notwendigkeit anerkannt haben.“
Händeringend sucht die Stadt nach mehr Wohnraum für all die Flüchtlinge, die das Land ihr zuweist. Aber warum gerade nach Brakelsiek, ausgerechnet in ein Haus, das so eng von anderen Wohnhäusern umstanden ist und lediglich über einen handtuchgroßen Garten verfügt?
„Viel zu viele Leute“
Regina Jaehne versteht das nicht. „Ich finde, das kann man auch den Menschen nicht zumuten, die hier untergebracht werden.“ Und sie glaubt, dass die sozialen Konflikte unausweichlich seien, wenn hier tatsächlich bis zu 18 Menschen - jeweils zwei in einem Zimmer - untergebracht werden. „Das sind einfach viel zu viele Leute. Wenn da zwei Familien einzögen, dann würde ich hingehen, einen Kuchen vorbeibringen und sie begrüßen, ganz egal, woher die kommen.“ Aber so viele auf so engem Raum, das verändere die Lebensqualität der Nachbarn und senke den Wert der Häuser ringsum. „Natürlich kann man 18 Leute ins Dorf integrieren, aber doch nicht alle auf einer Stelle.“

Die Rentnerin, die selbst nur einen Steinwurf weit entfernt von dem mit Holz vertäfelten Haus wohnt, hat die Sache in die Hand genommen und gemeinsam mit einigen anderen die Nachbarn zusammengetrommelt. Mehr als 50 folgten der Einladung. „Ich will Euch heute erst mal über den Stand der Dinge informieren und das Okay bekommen, dass ich quasi im Namen der Anwohner spreche“, leitete sie das informelle Treffen auf einem Garagenvorplatz unter freiem Himmel ein. „Wir hatten Gerüchte gehört, und dann habe ich mit dem Bürgermeister gesprochen“, berichtet sie.
Sie habe gefordert, dass Jörg Bierwirth zu einer offiziellen Bürgerversammlung einladen solle, damit alle Betroffenen auf den gleichen Informationsstand kämen. „Aber er will nicht vor 300 Leuten sprechen, er hat gesagt, die grillen mich doch alle“, berichtete sie.
Gegenüber der LZ erklärt Bierwirth im Nachhinein auf Nachfrage: „Ich habe damit gemeint, dass der Zugang zu einer Versammlung reglementiert sein sollte, damit nicht Leute von außerhalb auf den Zug aufspringen und Stimmung machen“, räumte er ein.
Dass die Brakelsieker kritisieren, im Vorfeld nicht in die Entscheidung einbezogen worden zu sein, kann er zwar verstehen, aber das sei nicht anders zu machen gewesen: „Unser Plan war, nach dem Ratsbeschluss in Einzelgespräche mit den Nachbarn zu gehen, doch das wurde ja verhindert, weil irgendjemand aus dem Rat die Information sofort weitergegeben hat.“
Doch nur mit einzelnen Nachbarn zu sprechen, hält Regina Jaehne sowieso für falsch. Die Allgemeinheit in Brakelsiek solle informiert werden. „Das betrifft doch viel mehr Menschen als die direkten Nachbarn.“
Wilde Gerüchte kursieren
Aber, so betont sie, ihr Motiv sei keineswegs Fremdenfeindlichkeit. „Ich will auch keine AfD hier haben und ich lasse hier auch keine rassistischen Äußerungen zu“, sagte sie in der improvisierten Versammlung. Dass derlei dennoch bei einigen Anwesenden anklang - „Wir müssen unsere Kinder schützen“, und „die meisten wollen sich nicht integrieren“, konnte Jaehne allerdings an diesem Abend nicht ganz verhindern.
Die Brakelsiekerin fordert Aufklärung, zumal bereits kurz nach Bekanntwerden des Ratsbeschlusses wilde Gerüchte kursiert seien. Unter anderem hatte irgendjemand aus den angedachten 18 Bewohnern in dem geplanten Flüchtlingsheim lauter 18-jährige Männer erdichtet.

„Vollkommener Unsinn“, sagt der Bürgermeister dazu. „Denn wie wir diese Unterkunft belegen, hängt doch davon ab, wer uns überhaupt zugewiesen wird.“ Das könnten die alleinstehenden Männer genauso wie Familien sein. „Wir können das nicht steuern, aber wir haben uns immer schon bemüht, das möglichst sozialverträglich zu gestalten.“
In Lothe, Schwalenberg und Schieder sei das auch überhaupt kein Problem. „Wenn es da zu Konflikten kam, dann in der Regel wegen interner Streitigkeiten der Bewohner untereinander und nicht, weil es Stress mit der Bevölkerung gab.“
Versammlung geplant
Dass das Haus so eng an andere Wohnhäuser grenzt, sei in der Tat ein Manko, das auch von der Politik kritisiert worden sei. „Aber wir haben einfach keine Wahl. Wir brauchten ein Haus, das derzeit unbewohnt aber sofort einzugsfertig ist, und das haben wir.“ Bei den Verkäufern handelt es sich um eine Erbengemeinschaft, zu der auch ein Ratsmitglied gehört. „Der hat sich aber für befangen erklärt und weder an der Beratung noch an der Abstimmung teilgenommen“, bestätigt Bierwirth.
Wie geht es nun weiter? - Regina Jaehne und ihre Mitstreiter werden sich jetzt um einen Versammlungsraum bemühen und baldmöglichst eine Bürgerversammlung mit der Verwaltung anberaumen.