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Unter Nebenkläger-Vertretern herrscht nicht nur "eitel Sonnenschein"

Silke Buhrmester

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Detmold. Die Leichen in den Holocaust-Filmen nur Gummipuppen? Der „Führer“ der größte Feldherr, der am Ende nur von seinem Arzt falsch behandelt wurde? Noch in den 80er Jahren wurde Ernst von Münchhausen – Jahrgang 1966 – am Grabbe-Gymnasium ausgerechnet durch seinen Geschichtslehrer vermittelt, dass der Nationalsozialismus doch gar nicht so schlimm gewesen sei.

Damals alarmierten von Münchhausen und ein paar Mitschüler das Schulamt. Heute vertritt der Rechtsanwalt, der mittlerweile in einer Sozietät in Berlin tätig ist, Nebenkläger im Auschwitz-Prozess gegen den ehemaligen SS-Mann Reinhold Hanning aus Lage. Am Donnerstagabend war von Münchhausen auf Einladung der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit zu Gast im „Haus Münsterberg“.

Ernst von Münchhausen, der gemeinsam mit seinen drei Geschwistern in Detmold aufwuchs, nutzte die Gelegenheit und sprach in seiner „Heimat“ vor rund 50 Zuhörern über die SS-Prozesse von Detmold und auch von Lüneburg, wo vor einem Jahr der ehemalige „Buchhalter von Auschwitz“, Oskar Gröning, wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt worden ist. Auch dort hatte er mehrere Nebenkläger vertreten.

Im unmittelbaren Vergleich mit Lüneburg fand von Münchhausen deutliche Worte: „Ich glaube nicht, dass Herr Hanning uns noch Antworten geben wird. Herr Gröning dagegen hat sich schon sehr früh mit seiner Vergangenheit auseinandergesetzt.“ Er habe im Prozess eine moralische Mitschuld eingeräumt und seine damalige Weltanschauung, nach der Juden als „Wurzel des Übels weg mussten“, erklärt: „Das so zu benennen, verdient Respekt. Er ist ein guter Typ“, sagte von Münchhausen. Dass Hanning dagegen nichts sage, sei enttäuschend für die Opfer aus aller Herren Länder.

Kritik übte von Münchhausen auch an der Art der Verteidigung, die „der Sensibilität des Themas nicht gerecht wird“. Strategie der Verteidigung sei – im Gegensatz zu Lüneburg – „eine Blockadehaltung“.

Doch auch unter den Nebenkläger-Vertretern herrscht nicht nur „eitel Sonnenschein“, plauderte der Rechtsanwalt aus dem Nähkästchen: So berichtete er von einem Kollegen, der vergeblich versucht hatte, einen 1.700 Euro teuren Computer als Auslage bei Gericht einzureichen. Begründung: Die Prozessakten seien so umfangreich. Ein anderer habe einen First-Class-Flug nach Las Vegas abrechnen wollen. Und auch das Abwerben von Mandanten käme durchaus vor: Er selbst habe im Lüneburg-Prozess erlebt, wie einer in London lebenden Mandantin dazu ein Abtretungs-Dokument in deutsch zur Unterschrift vorgelegt wurde. Die Frau verstand nichts und unterschrieb – man sagte ihr, es handele sich um eine Formalie.

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