Horn-Bad Meinberg/Leopoldstal. Der Juli 1910 war kühl und regnerisch. Vielleicht war das der Grund, warum sich am Fuße der Lippischen Velmerstot 30 Männer zusammenfanden und einen Männerchor gründeten, den späteren Gemischten Chor Leopoldstal. Auch mehr als 100 Jahre später ist er fester Bestandteil der Gemeinde, die mit ihren Vereinen aktiv den Zusammenhalt ihrer Bürger fördert.
Jährlicher Höhepunkt ist das im Frühjahr stattfindende Kaffeekonzert, das regelmäßig Hunderte Zuhörer in die Silbergrundhalle lockt. Der Chor singt überdies zu zahlreichen Anlässen wie den Konfirmationsjubiläen und dem Ewigkeitssonntag in der evangelischen Kirche Leopoldstal. Eine gute Tradition ist auch das jährliche Adventskonzert für die Senioren der Gemeinde. Auftritte als Gastchor bei anderen Konzerten runden das Jahresprogramm ab.
Das Repertoire der Sängerinnen und Sänger hat sich dabei im Laufe der Jahre gewandelt. Heute ist es mit Volksliedern, Operetten, Musicals, Spirituals, Schlagern, aber auch Kirchenliedern breit gefächert. Es wird nicht nur in Deutsch, sondern auch in anderen Sprachen wie Englisch, Französisch und Italienisch gesungen, manchmal sogar auf Russisch und Schwedisch. Der Chor kann auch immer eine Reihe hervorragender Solostimmen präsentieren. „Die größte Herausforderung für den Chor besteht heute darin, die Zahl der Stimmen zu erhalten oder möglichst noch zu mehren", erklärt Pressewart Dierk Lenuweit. „Damit haben ja viele Chöre zu kämpfen, und es war auch schon das Problem der Anfangsjahre."
Tatsächlich war keine zwei Jahre nach der Gründung zunächst schon wieder Schluss. Auf nur noch 13 Sänger reduziert, löste sich der junge Männerchor 1912 auf. Erster Vorsitzender damals: Fritz Weber, ein Name, der über drei Generationen bis heute mit dem Chor verbunden blieb. Nach dem Ersten Weltkrieg waren es Sänger der ersten Stunde, die den Chorgesang in Leopoldstal wiederbelebten. Nach dem vorliegenden Protokoll vom 2. Februar 1921 wagten 30 Männer und jetzt auch 22 Frauen den Neubeginn – der Gemischte Chor Leopoldstal war entstanden. Fritz Weber übernahm erneut den Vorsitz. Die Mitgliederzahl blieb in der Folge trotz der wirtschaftlich schwierigen Jahre konstant hoch.
Ein besonderes Ereignis fand am 18. November 1928 statt. Der Chor gab anlässlich des Gedenkens an den 100. Todestag von Franz Schubert ein Konzert. Das überlieferte anspruchsvolle Programm spricht für sich: Schuberts Ouvertüre zu „Rosamunde", das „Ave Maria", aber auch ein Militärmarsch und viel deutsches Liedgut sowie die Ouvertüre „Entführung des Serail" von Wolfgang Amadeus Mozart. Ab 1933 jedoch zogen bekannt dunkle Wolken über das Land. Der Gemischte Chor blieb davon nicht verschont. Im Zuge der Gleichschaltung verlor er weitgehend seine Selbstständigkeit. Pflichtbeitritt zum Lippischen Sängerbund und Vorzensur aller Konzertprogramme führten schließlich zum Rücktritt des gesamten Vorstandes und im Frühjahr 1935 zum Erliegen aller Aktivitäten.
Nach 14 verlorenen Jahren, vor allem infolge des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegsjahre, waren es erneut Ehemalige, die den Gemischten Chor wieder zum Leben erweckten. Im Oktober 1949 begann die neue Zeitrechnung des Chores, Ende des Jahres zählte man bereits 46 aktive Mitglieder. Die Blütezeit des Gemischten Chors Leopoldstal nahm ihren Anfang, auch wenn zunächst durch zahlreiche Zu- und Abgänge und Chorleiterwechsel viel Unruhe herrschte.
Aber mit Beginn der 1960er Jahre ging es aufwärts. Die fertiggestellte Silbergrundhalle konnte nun für die großen Konzerte genutzt werden, und das 50-jährige Bestehen 1960 verlieh dem Verein und Chor zusätzlichen Schwung. Höhepunkt bei diesem zum ersten Mal im großen Rahmen durchgeführten Zeltfest war die Weihe der neuen Vereinsfahne. Auch in der Folge, Leopoldstal war mittlerweile seit 1970 nach Horn-Bad Meinberg eingemeindet, stieg die Mitgliederzahl kontinuierlich an. In den 1970er und 1980er Jahren zählte man weit mehr als 50 Aktive. Das Jubiläum zum 75. Bestehen des Chors 1985 wurde über drei Tage gefeiert. Festkommers, Gottesdienst, Festumzug und Tanz und natürlich viel Chorgesang, unter Mitwirkung des Polizeichors Detmold und anderer Gastchöre, waren ein beeindruckender Beweis für den Stellenwert, den der Gemischte Chor in Leopoldstal in diesen Jahren einnahm.
Etwas bescheidener fiel die 100-Jahr-Feier des Chores 2010 aus. Gründe gab es einige und der Zeitgeist tat sein Übriges. „Chorgesang steht auf der Hitliste nicht mehr ganz oben", konstatiert Lenuweit. Der Verein hat neben den Sängerinnen und Sängern auch sehr aktive passive Mitglieder in seinen Reihen. Sie unterstützen den Chor in vielerlei Hinsicht, auch bei den eigenen Konzerten. Verein und Chor organisieren, neben den musikalischen Aktivitäten, zudem regelmäßig interne Veranstaltungen, was für das Vereinsleben sehr wichtig ist.
Prägende Persönlichkeiten der Chorgeschichte waren immer wieder die Vorsitzenden. Neben dem Gründungsvorsitzenden Fritz Weber hatte später auch der namensgleiche Sohn Fritz Weber dieses Amt inne, bevor Siegfried Holzgräwe übernahm. Er, wie sein späterer Nachfolger, ein weiterer Fritz Weber, Enkel und Sohn der ersten beiden Webers, und andere haben mit ihren Solostimmen viel zum Erfolg des Chores beigetragen. Das gilt ebenso für Ingrid Seifert, auch eine Enkelin des ersten Vorsitzenden: Sie ist als junges Mädchen eingetreten, seit 64 Jahren im Chor und damit das chorälteste Mitglied. Auch Chorleiter Friedrich Schmidt, der von 1959 an drei Jahrzehnte den Chor wie kein anderer prägte, muss erwähnt werden. „Viele Operetten, von ihm arrangiert, wurden seinerzeit gesungen", so Lenuweit. „Man nannte den Chor scherzhaft Operettenchor!"
Seit einigen Jahren leiten junge Frauen und Männer, meist von der Detmolder Hochschule für Musik, den Chor. Mit ihnen sucht das Ensemble immer wieder nach neuen gesanglichen Herausforderungen; aktuell wird der Chor von Maik Friesen geleitet. Lenuweit sagt: „Mit diesem erfrischenden, jungen Mann befindet sich der Chor seit drei Jahren in einer sehr erfolgreichen und harmonischen Phase." Verein und Chor zählen heute 53 Mitglieder. Diese Zahl ist befriedigend, aber die 24 Aktiven sind für die Ansprüche des vierstimmigen Chores nicht genug. Deshalb sind neue Sängerinnen und Sänger jederzeit willkommen.
Dierk Lenuweit, der selbst gerne im Hintergrund bleiben würde, ist ein gutes Beispiel: Er ist vor gut einem Jahr als aktiver Sänger dazugekommen. Für ihn gibt es mindestens drei gute Gründe, den Schritt zu wagen: „Jeder kann im Chor singen, Singen macht Spaß und der Gemischte Chor ist fester Teil von Leopoldstal, dem Dorf, über dem Lippes Sonne lacht!"
Sänger pflegen eine tolle Freundschaft
Neben seinen gesanglichen Aktivitäten hat vor allem eine besondere Freundschaft große Bedeutung für den Gemischten Chor Leopoldstal. Seit Jahrzehnten sind die Sänger mit der Folkloregruppe Les Triolettes aus der französischen Partnergemeinde Villedieu-Les-Poêles eng verbunden.
Vor 44 Jahren wurde die offizielle Städtepartnerschaft zwischen Horn-Bad Meinberg und dem Städtchen in der Normandie begründet. Der Gemischte Chor Leopoldstal nahm es sich dabei schon früh zu Herzen, dass eine solche Partnerschaft auf offizieller Ebene wenig bewirkt, sondern vor allem von den Menschen getragen werden muss. Bereits im Oktober 1979 fuhr der Chor mit insgesamt 100 Teilnehmern zum ersten Mal nach Villedieu-Les-Poêles und trat dort zusammen mit der normannischen Tanz- und Trachtengruppe Les Triolettes auf. „Die Begegnung mit den sehr gastfreundlichen Menschen war so herzlich, dass spontan die Einladung zum nächsten Konzert des Chors im folgenden Jahr in Leopoldstal ausgesprochen wurde", erklärt Dierk Lenuweit. Fünf Jahre nach Begründung der Städtepartnerschaft hatte damit der Gemischte Chor als erster Verein aus Horn-Bad Meinberg sein Pendant auf französischer Seite gefunden.
Tatsächlich folgten die Les Triolettes Pfingsten 1980 erstmals der Einladung nach Leopoldstal, und auch in den folgenden Jahren und bis heute fanden nicht nur viele weitere offizielle Besuche, sondern mehr noch auch zahlreiche private Begegnungen der Mitglieder und Angehörigen der Gruppe und des Chores statt – trotz manchen Sprachbarrieren und mehr als 900 Kilometer Entfernung zwischen ihren Städten. Die Hauptinitiatoren sind damals wie heute Christian Gosselin, Leiter der Folkloregruppe, und Siegfried Holzgräwe, damaliger Vorsitzender des Chores und stellvertretender Bürgermeister von Horn-Bad Meinberg. „Gemeinsam mit Elsbeth Begemann aus unserem Chor sind sie die unermüdlichen Motoren zur Pflege dieser Freundschaft", betont Lenuweit.
Die Unterbringung erfolgt übrigens immer privat bei den Angehörigen der Vereine. Hier in den Familien, da ist sich der Pressewart sicher, vertieft sich so die gegenseitige Freundschaft noch einmal ganz besonders. „Jeder Besuch, ob in Frankreich oder hier, bleibt in Erinnerung", sagt er. „Das ist der Zweck der Partnerschaft und gelebte Völkerverständigung." Mit ihren bunten und traditionellen Kostümen, ihren schwungvollen Volkstänzen und der unterhaltsamen Musik ihrer Kapelle ist die Folkloregruppe auch heute noch bei jeder Aufführung eine Attraktion. „Es ist bewundernswert, wie sie weiterhin ihre Tradition pflegt", fügt Lenuweit hinzu. Apropos Tradition: Im nächsten Jahr feiern Gemischter Chor und Les Triolettes das 40-jährige Bestehen ihrer Freundschaft.
Kontakt
Gemischter Chor Leopoldstal
Internet: www.leopoldstal.com/vereine/gemischter-chor
Vorsitzender Walter Mees
Telefon: (05231) 9621466
Stellvertretende Vorsitzende Waltraud Weber
Telefon: (0176) 54581402
E-Mail: waltraud.weber@live.de
Proben
Der Gemischte Chor Leopoldstal sucht aktive Sängerinnen und Sänger, die auch gern erst einmal zu einer Probe willkommen sind. Notenkenntnisse sind erforderlich. Die Chorproben beginnen immer donnerstags um 19.30 Uhr in der Silbergrundhalle in Leopoldstal.