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Herford

Junge (4) tot - Gutachten belastet Herforder Ärzte

Darmverschluss nicht erkannt / Eltern kämpfen um mehr Schmerzensgeld

Herford. Weil nacheinander vier Ärztinnen am Klinikum Herford einen lebensbedrohlichen Darmverschluss bei einem kleinen Kind nicht rechtzeitig erkannt haben, ist dort mit großer Wahrscheinlichkeit ein vier Jahre alter Junge gestorben. In einem langen Rechtsstreit kämpfen dessen Eltern nun um Schmerzensgeld und Schadenersatz.

Der Fall macht sehr betroffen. Er hat sich vor fünf Jahren ereignet, ist aber wegen der zivilrechtlichen Auseinandersetzungen erst jetzt bekannt geworden. Wenige Tage vor Weihnachten hatte der kleine Henrik seinerzeit unter starken Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen gelitten. Seine Mutter, eine Zahnarzthelferin aus Löhne, ging mit dem Jungen zunächst zu einem Kinderarzt. Wegen der anhaltenden Beschwerden empfahl dieser eine umgehende Behandlung in einem Krankenhaus.

Einen Tag später, am 19. Dezember 2009, brachte Ramona L. ihren Sohn dann in die Kinderklinik Herford und schilderte dort die Beschwerden. Die behandelnden Mediziner vermuteten eine Magen-Darm-Infektion, aber die Laborwerte gaben dafür keinen Anhaltspunkt. Im Laufe des Tages und auch in der Nacht sahen mehrere Ärztinnen, insgesamt vier an der Zahl, nach dem Kind, weil es immer wieder über heftige Schmerzen klagte und dunkelbraune Inhalte erbrach.
Notoperation zu spät

Erst am anderen Morgen gegen sieben Uhr erfolgte eine Ultraschalluntersuchung, die den Verdacht auf einen Darmverschluss nahelegte. Weil sich der Zustand des Kindes stark verschlechtert hatte, wurde es auf die Intensivstation verlegt. Die Ärzte entschieden sich zu einer Notoperation. Der kleine Hendrik fiel ins Koma. Er konnte zwar noch einmal reanimiert werden, starb dann aber im Zuge der weiteren Behandlung noch am gleichen Tag.

Die Gutachterkommission der Ärztekammer Westfalen-Lippe hat sich mit dem Fall ausführlich beschäftigt. Sie ist zu einem für das Herforder Klinikum sehr negativen Urteil gekommen. Nach Einschätzung der Kommission wurde Hendrik "nicht sorgfältig genug behandelt". Es liege ein klares Fehlverhalten vor. Die korrekte Diagnose sei "eindeutig zu spät gestellt" worden, so die Kommission. Darmverschlüsse im Kindesalter gehörten "zu den absoluten Notfällen", die bei schneller Diagnose "durch relativ einfache Maßnahmen" behoben werden könnten. "Ein tödlicher Ausgang" hätte "nicht vorkommen dürfen", so die Kommission.

Der Bielefelder Rechtsanwalt Hartmut Geil, der die Eltern vertritt, macht für seine Mandanten Regress geltend. Er strebt einen gerichtlichen Vergleich an. Laut Geil wurden 25.000 Euro bezahlt, aber dies sei viel zu wenig. Eigentlich wären in diesem Fall "auch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen angezeigt gewesen", sagt der Anwalt. Das Klinikum Herford bedauert den Vorfall und entschuldigt sich "nochmals" bei den Eltern. Man habe nun "einen zusätzlichen chirurgischen Nachtdienst" eingerichtet. "Unklare Baucherkrankungen sollen sofort durch Ultraschalluntersuchungen (...) diagnostiziert werden".

Auf 39 Seiten hat die Mutter das im Klinikum Erlebte aufgeschrieben. Sie endet mit dem Satz: "Unvorstellbar, Weihnachten! Unser Kind kommt nie mehr zu uns zurück!"

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