OWL (dpa). Wie von der GDL angekündigt, hat der Lokführerstreik am frühen Mittwochmorgen auch im Personenverkehr in NRW begonnen. An den Hauptbahnhöfen in Köln und Essen fielen laut Internetseite der Deutschen Bahn rund 70 Prozent der S-Bahnen und Regionalzüge aus.
Am Bielefelder Hauptbahnhof warteten die Fahrgäste unter anderem vergebens auf den Intercity nach Dresden, den ICE nach Köln/Bonn und den Regionalexpress nach Nienburg.
Von Gütersloh aus, das ist jetzt schon klar, werden auch die Intercitys nach Köln um 14.52 Uhr und nach Dresden um 15.05 Uhr ausfallen. Auch in Niedersachsen und Bremen standen zwei Drittel der Züge still.
Die Privatbahnen in Lippe, die Eurobahn und die Westfalenbahn, sind nicht vom Streik betroffen. Pendler sollten dennoch Geduld und einen Zeitpuffer dabei haben, es kann überall zu Verspätungen kommen.
Insgesamt verlief der Morgen an den Bahnhöfen der Region aber ruhig. Fast scheint es, als ob die Reisenden beim siebten Bahn-Streik schon Routine entwickelt hätten. „Die Kunden haben sich vorbereitet“, sagte ein Bahn-Sprecher. Vor den Infoschaltern bildeten sich keine langen Schlangen. Zudem lief der Ersatzfahrplan in den frühen Morgenstunden stabil an.
Auf den Autobahnen in NRW ging es dafür um so turbulenter zu: Hier war es ab etwa sieben Uhr voll. Gegen halb neun gab es mehr als 230 Kilometer Stau, der Wert liegt deutlich über dem sonstigen Durchschnitt. Die Radiosender meldeten nur noch Staus über 10 Kilometern Länge.
Die aktuelle Verkehrslage in NRW:
Tweets von @VerkehrNRW
Da nützte auch der Fernbus nichts, auf den viele Pendler auswichen. Den Unternehmen brachte der Streik ein boomendes Geschäft: Lange Schlangen zeichneten sich in Köln bereits morgens um 6 Uhr bei den Bussen ab, die Metropolen in ganz Deutschland anfuhren. Bereits am Dienstag seien die Buchungszahlen beim Anbieter MeinFernbus stark gestiegen - besonders gefragt waren Verbindungen von Köln, Dortmund oder Düsseldorf nach Frankfurt, sagte eine Firmensprecherin.
Wer auf den Bahnverkehr setzt, wird aktuell mit langen Wartezeiten und ratlosen Blicken auf die Anzeigetafeln belohnt. Denn hier hat die Deutsche Bahn bei vielen Reisenden für Verwirrung gesorgt. Die Bildschirme etwa an den Hauptbahnhöfen in Frankfurt am Main und Berlin zeigten trotz des Streiks keine ausgefallenen Züge an. Stattdessen waren nur die deutlich geringeren Verbindungen des Ersatzfahrplans zu sehen. Zahlreiche Pendler und Reisende suchten vergeblich nach Hinweisen zu Zügen, mit denen sie hatten fahren wollen. Im Internet waren die ausgefallenen Verbindungen indes ausgewiesen.
Die Lokführer treffen sich indes an den großen Hauptbahnhöfen. Nach Angaben der GDL zeichnet sich eine große Beteiligung der Mitglieder an dem Ausstand ab. „90 Prozent machen mit, der Streik wird von der Basis gut angenommen“, sagte der GDL-Vorsitzende in NRW, Sven Schmitte.
Die Kosten für die Wirtschaft betragen laut einem Bericht mehr als 100 Millionen Euro. Insgesamt erhöhten sich die Kosten des Tarifstreits damit auf mehr als 600 Millionen Euro.
Die Deutsche Bahn will mit einem Ersatzfahrplan zumindest einen Teil des Personenverkehrs während des Lokführerstreiks aufrechterhalten. In Nordrhein-Westfalen soll etwa ein Drittel der Züge im Fern-, Nah- und S-Bahnverkehr fahren, wie ein Bahnsprecher am Dienstag in Düsseldorf sagte. Die Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) will den Personenverkehr von Mittwochfrüh um 2 Uhr bis Donnerstag um 21 Uhr bestreiken. Im Güterverkehr begann der Streik bereits am Dienstag um 15 Uhr.
Die Bahn will den Ersatzfahrplan mit Lokführern auf die Beine stellen, die verbeamtet, in anderen Gewerkschaften organisiert sind oder nicht dem Streikaufruf der GDL folgen. Im NRW-Nahverkehr sollen einige wichtige Regionalexpress-Linien eingeschränkt fahren - auf verkürzten Strecken unter anderem die Linien 1 (Aachen-Hamm), 2 (Essen-Münster), 5 (Düsseldorf-Emmerich), 6 (Düsseldorf-Minden) und 8 (Köln/Bonn Flughafen-Mönchengladbach).
S-Bahnen im Ein-Stunden-Takt
Ganz ausfallen werden unter anderem die Regionalexpress-Linien 4 (Aachen-Dortmund), 7 (Krefeld-Rheine), 9 (Aachen-Siegen) und 11 (Mönchengladbach-Hamm). Die meisten S-Bahnen sollen im Ein-Stunden-Takt fahren. Eine Streikkarte mit Informationen zu Ersatzverbindungen und ausfallenden Linien stellte die Bahn auf ihre Internetseite.
Nicht vom Streik betroffen sind die Privatbahnen. Hierzu zählen etwa Züge des Hamburg-Köln-Express (HKX), der Eurobahn, der Nordwestbahn, der Transregio, der Westfalenbahn sowie die S-Bahnlinie 28 zwischen Mettmann und Kaarst.
Im Güterverkehr sollen die Züge erst am Freitagmorgen um 9 Uhr wieder rollen. Bis dahin hätten für die Versorgung wichtige Züge Vorrang, kündigte die Bahn an. Weil die Unternehmen der Stahlindustrie nun auf andere teurere Transportmittel ausweichen müssen, befürchtet die Branche einen Schaden in Millionenhöhe.
Wartezeit auch auf den Straßen
Längere Wartezeiten werden aber nicht nur an den Gleisen, sondern auch auf den Straßen erwartet. Verkehrsminister Michael Groschek (SPD) ordnete daher an, bis auf wenige Ausnahmen auf Tagesbaustellen in Nordrhein-Westfalen zu verzichten. Der Verkehrsfluss soll dadurch beschleunigt, die schlimmsten Staus vermieden werden.
Es ist die siebte Warnstreik- oder Streikaktion seit Beginn die Tarifkonflikts. Zuletzt hatten die Lokführer Anfang November gestreikt. Die GDL fordert fünf Prozent mehr Geld eine Stunde weniger Arbeitszeit pro Woche sowie eine Begrenzung der Überstunden.
Alternativen für Fahrgäste
Nordwestbahn: Von Osnabrück aus fahren die Züge nach Bielefeld, Bremen und Wilhelmshaven sowie von Wilhelmshaven nach Bremen und Esens. Auch die Linien von Bünde über Hameln und Hildesheim nach Bodenburg sowie von Kreiensen und Göttingen Richtung Paderborn werden bedient und auch die Regio-S-Bahn in Bremen.
Westfalenbahn: Die Züge fahren von Bad Bentheim über Rheine und Osnabrück nach Bielefeld.
Eurobahn: Auch die Eurobahn will ihre Züge, soweit es keine Beeinträchtigungen auf den Strecken gibt, planmäßig fahren lassen. Die Züge im OWL-Netz fahren über Bielefeld, Bünde, Rahden, Lemgo, Lüttfeld, Münster, Warendorf und Detmold, die Züge im Netz Paderborn von Dortmund über Paderborn und Warendorf.
Tipps für die Streiktage
Dichte Menschenmassen, lange Wartezeiten, kalte Füße, Langeweile - das sind nur ein paar der unangenehmen Begleiterscheinungen des Bahnstreiks. Kann man nichts gegen machen? Kann man doch!
Das sind die Rechte der Fahrgäste
Bei der Deutschen Bahn wird wieder gestreikt. Reisende bleiben aber nicht auf ihren Kosten für Tickets und andere Auslagen sitzen. Wie viel Geld wird wann erstattet? Und wie kommt man als Kunde zu seinem Recht? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Kann ich von der Zugfahrt zurücktreten?
Ja. Bei einem streikbedingten Zugausfall, Verspätungen und Problemen mit Anschlusszügen können Bahnreisende vor Fahrtantritt von der Reise zurücktreten und sich den vollen Fahrpreis erstatten lassen. Hierfür sollten sie sich an die DB-Reisezentren oder DB-Agenturen wenden, rät die Bahn auf ihrer Webseite. Auch Sitzplatzreservierungen werden erstattet. Wer ein Online-Ticket zum Normalpreis gebucht hat, kann dies über die Auftragssuche auf der Bahn-Webseite kostenlos umbuchen oder stornieren.
Wie viel Geld bekomme ich bei einer Verspätung zurück?
Wer doch in den Zug steigt, bekommt ab 60 Minuten Verspätung 25 Prozent des Fahrpreises erstattet. Ab 120 Minuten sind es 50 Prozent. Bei einer Verspätung des ICE-Sprinters wird ab 30 Minuten der Sprinter-Aufpreis zurückgezahlt. Bei einem Streik kann die Deutsche Bahn dem Europäischen Gerichtshof zufolge keine höhere Gewalt geltend machen (Rechtssache C-509/11).
Wie komme ich an die Erstattung?
Als Erstes müssen Bahnkunden das Fahrgastrechte-Formular ausfüllen, zu finden auf der Webseite der Bahn unter http://dpaq.de/n77jr. Originalfahrkarten, Kopien von Zeitkarten und andere Originalbelege müssen beigelegt werden. Das Formular entweder in einem DB Reisezentrum abgeben oder per Post an das Servicecenter Fahrgastrechte, 60647 Frankfurt/Main schicken.
Was gilt bei Zeitkarten?
Für Nahverkehrsfahrten in der 2. Klasse gibt es ab 60 Minuten Verspätung 1,50 Euro pro Fahrt zurück. In der 1. Klasse sind es 2,25 Euro. Betroffen sind etwa das Schönes-Wochenende-Ticket, das Quer-durchs-Land-Ticket und die Länder-Tickets. Bei Wochen- und Monatskarten rät die Bahn, die Verspätungsfälle nach Ablauf der Geltungsdauer des Tickets gesammelt beim Servicecenter Fahrgastrechte einzureichen. Bei Jahreskarten können die Verspätungsfälle auch im Laufe des Jahres eingereicht werden. Entschädigungsbeträge von weniger als 4 Euro werden nicht ausgezahlt - die Fahrgäste müssen mehrere Verspätungen sammeln und diese dann zusammen geltend machen.
Im Fernverkehr bekommen Fahrgäste der 2. Klasse pro Fahrt ab 60 Minuten Verspätung 5 Euro erstattet. Bahnreisende der 1. Klasse bekommen 7,50 wieder. Wer mit einer BahnCard 100 unterwegs ist, kann in der zweiten Klasse 10 Euro pro Fahrt zurückfordern und in der ersten Klasse 15 Euro. Für Zeitkarten im Nah- und Fernverkehr gilt: Mehr als 25 Prozent des Zeitkartenwertes werden nicht erstattet. Außerdem gibt es - anders als bei normalen Tickets - auch nicht mehr Geld ab 120 Minuten Verspätung.
Was ist mit einer Rail-&-Fly-Karte?
Flugreisende mit diesem Spezialangebot der Bahn müssen sich an die jeweilige Fluggesellschaft wenden, wie ein Sprecher der Bahn erklärt. Die Deutsche Bahn ist in diesem Fall Vertragspartner der Airline und nicht der direkte Ansprechpartner für den Reisenden.
Kann ich einfach auf einen anderen Zug wechseln?
Ja. Ist eine Verspätung von mindestens 20 Minuten zu erwarten, dürfen Fahrgäste die Reise mit einem anderen Zug antreten oder fortsetzen. Ausgenommen sind Züge mit Reservierungspflicht. Dazu gehören die ICE Sprinter oder City Night Liner. Wer mit einer Nahverkehrskarte unterwegs ist, muss sich zunächst eine Fernverkehrs-Fahrkarte für den anderen Zug kaufen. Die Kosten dafür bekommt der Kunde später erstattet. Ausgenommen von dieser Regelung sind ermäßigte Fahrkarten wie zum Beispiel die Länder-Tickets.
Darf ich auf ein anderes Verkehrsmittel umsteigen?
In bestimmten Fällen können Fahrgäste, die mit einer Verspätung von mindestens 60 Minuten am Zielort rechnen müssen, ein anderes Verkehrsmittel wie Bus oder Taxi nutzen - und zwar, wenn die planmäßige Ankunftszeit zwischen 0.00 und 5.00 Uhr morgens liegt. Die Deutsche Bahn erstattet Kosten bis zu maximal 80 Euro. Fahrgäste müssen das Original der Busfahrkarte oder Taxi-Quittung aufheben. Fällt ein Zug aus und ist er gleichzeitig die letzte fahrplanmäßige Verbindung des Tages, gilt die Regelung ebenfalls.
Zahlt die Bahn auch eine Nacht im Hotel?
Manchmal. Erfordert ein Zugausfall oder eine Verspätung eine Übernachtung und ist die Fortsetzung der Reise am selben Tag nicht zumutbar, erstattet die Bahn die Hotelkosten. Auch in diesem Fall sollten Fahrgäste das Original der Rechnung aufheben.
Wie reagieren Nutzer in sozialen Netzwerken auf den bevorstehenden Streik? Nicht immer glücklich, so viel ist klar. Aber auch die Bahn nutzt zum Beispiel Twitter, um über den Streik, Ersatzfahrpläne und Notrufnummern zu informieren.
Lesen Sie hier, was bei Twitter über den Streik geschrieben wird:
Tweets über #bahn AND #Streik
Stand der Verhandlungen
Der im Juli 2014 begonnene Tarifkonflikt zwischen der Bahn und der Lokführergewerkschaft GDL scheint unendlich. Eine Vielzahl von Knackpunkten hat bislang eine Einigung verhindert.
Berufsgruppen: Die GDL will nicht mehr allein für die Lokführer verhandeln, sondern auch für das übrige Zugpersonal in ihrer Mitgliedschaft. Bis die Bahn diesen Anspruch im November 2014 anerkennt, vergehen zwei Warnstreiks und vier reguläre Streikrunden.
Konkurrierende Verträge mit der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG sind nun möglich, doch die DB will unter allen Umständen verhindern, dass sie unterschiedliche Regelungen zur Arbeitszeit oder anderen Details enthalten. In den Verhandlungen muss die Bahn also versuchen, beide Gewerkschaften auf das gleiche Ergebnis festzulegen. Das birgt für die EVG in ihren parallelen Verhandlungen mit der Bahn die Möglichkeit, die nicht erwünschten GDL-Abschlüsse zu torpedieren.
Lokrangierführer sollen nach dem Willen der GDL wie ihre Kollegen auf der Strecke bezahlt werden. Die Bahn will hingegen die bislang mit der EVG vereinbarte niedrigere Einstufung auch für GDL-Mitglieder beibehalten.
Tarifeinheit: Das Gesetzesvorhaben der Bundesregierung setzt die GDL zusätzlich unter Druck. Wenn vom Sommer an nur noch eine Gewerkschaft in einem Betrieb einen Tarifabschluss verhandeln kann, gilt es für die Lokführer, vorher noch einen Abschluss zu erzielen und einen möglichst großen Teilbetrieb des Bahn-Konzerns zu organisieren. Der GDL schwebt eine gewerkschaftliche Trennung in Fahrbetrieb (GDL) und Infrastrukturbetrieb (EVG) vor.
Entgelt: Über Löhne und Gehälter ist mit Ausnahme von Abschlagszahlungen zu Jahresbeginn noch gar nicht gesprochen worden. Auch hier ist die Lage wegen der Gewerkschaftskonkurrenz komplex, weil EVG und GDL unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Die Lokführer wollen eine Arbeitszeitverkürzung von derzeit noch einer Stunde, während die EVG vor allem die unteren Gehaltgruppen stärker anheben will. Diese soziale Komponente fehlt bei den Lokführern.
Hohe Kosten befürchtet
Die deutsche Stahlindustrie befürchtet Zusatzkosten in Millionenhöhe durch den Streik im Güterverkehr bei der Bahn. „Ein Drei-Tage-Streik im Schienengüterverkehr stellt die Stahlunternehmen vor riesige Probleme“, sagte Hans-Joachim Welsch, Vorsitzender des Verkehrsausschusses der Wirtschaftsvereinigung Stahl am Dienstag in Düsseldorf. Die Stahlindustrie sei bei der Versorgung mit Rohstoffen und beim Versand ihrer Produkte auf die Bahn angewiesen.
Rund 65 Millionen Tonnen an Gütern bringe die Bahn jährlich für die Stahlindustrie auf die Schiene. Schon bei den Lokführerstreiks im November habe die Branche Verluste in zweistelliger Millionenhöhe hinnehmen müssen, sagte eine Verbandssprecherin.