Bielefeld. "Das war ein anderer. Mein Körper war da, mein Geist nicht", sagte Jochen O. (Name geändert) in der Verhandlung - dass tatsächlich er derjenige sein soll, gegen den sich die Anklage richtet, erscheint ihm aus heutiger Sicht beinahe unvorstellbar.
Der 53-jährige Polizeihauptkommissar gestand am Mittwoch vor dem Landgericht, aus Geldnot im Oktober des vergangenen Jahrs einen Kiosk an der Weststraße überfallen zu haben.
"Das ist mit meinem beruflichen Ethos und meinen Wertvorstellungen überhaupt nicht vereinbar und mit gesundem Menschenverstand nicht zu erklären. Alles, wofür ich die letzten 36 Jahre gestanden habe. war auf einmal weg", berichtete Jochen O. in der Verhandlung.
Teufelskreis aus privaten Problemen
Es war wohl der Teufelskreis aus privaten Problemen, der Flucht in die Sucht sowie den daraus resultierenden noch größeren Problemen, die letztlich im vergangenen Jahr dafür sorgten, dass O. sich auf nicht legale Weise Geld beschaffen wollte.
Seit etlichen Jahren ist der Polizist dem Glückspiel verfallen, auch Alkohol spielte für ihn in den vergangenen Jahren durchaus eine Rolle. "Ich habe 250.000 bis 300.000 Euro verspielt", berichtete der Angeklagte in der Sitzung vor der II. Großen Strafkammer des Landgerichts.
So blieb es nicht aus, dass die privaten und beruflichen Sorgen größer wurden. Schließlich entwendete O. im September 2014 400 Euro aus der so genannten Tourenkasse seiner Dienstgruppe. Der Diebstahl flog auf; O. wurde vom Dienst suspendiert.
Überfall aus Geldnot
In seiner Geldnot - der Strom war wegen nicht beglichener Rechnungen in seiner Wohnung bereits Wochen zuvor abgedreht worden - betrat O. am 31. Oktober 2014 am frühen Abend einen Kiosk an der Weststraße. Nach eigenen Angaben stark alkoholisiert, dazu notdürftig mit einer Sonnenbrille und einem Schal getarnt, ging er auf den hinter der Kasse stehenden Ladenbesitzer Günter M. zu und hielt diesem ein großes Messer entgegen.
Um mangelnde Deutschkenntnisse vorzutäuschen und somit den Verdacht von sich abzulenken, machte O. mit den Worten "Gib die Geld" deutlich, worauf er es abgesehen hatte. O. hatte jedoch nicht mit der Gegenwehr des 64-jährigen gerechnet: Dieser schlug dem Täter kurzerhand in einem günstigen Moment eine Sektflasche auf den Kopf. Stark blutend verließ O. ohne Beute das Geschäft.
Dies war in den vergangenen zwölf Jahren bereits der siebte Überfall auf den Kiosk, hinzu kommen drei Einbrüche. Ermittelt wurden die jeweiligen Täter nie. Aus diesem Grund sah Günter M. dieses Mal von einer Anzeige ab.
Allerdings schickte er die Aufzeichnungen der Überwachungskameras einigen Facebook-Freunden, von denen wiederum einer die Bilder an einen befreundeten Polizisten weiterleitete - die Ermittlungen kamen ins Rollen. O.s Verteidiger Holger Rostek erklärte in der Verhandlung, er werde sich für eine bewährungsfähige Strafe für seinen Mandanten stark machen. Der Prozess wird am 11. Juni fortgesetzt.