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Paar suchte auch in Schlangen nach Frauen

Zwei Imbissbetreiber berichten, wie sie die mutmaßlichen Täter 
aus Höxter kennengelernt haben. In Bosseborn wehren sich die Anwohner gegen Vorwürfe

David Schellenberg und Patrick Bockwinkel

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Am Tatort in Höxter Bosseborn wurden gestern Abend Sichtschutzzäune aufgestellt. - © Amina Vieth
Am Tatort in Höxter Bosseborn wurden gestern Abend Sichtschutzzäune aufgestellt. (© Amina Vieth)

Höxter/Schlangen. Eine Frau wurde zu Tode gequält, einen weiteren Mord haben Wilfried W. und seine Ex-Frau Angelika offenbar bereits gestanden. Wie grausam sind die Geschichten, die sich hinter der Eingangstür in dem heruntergekommenen Bauernhaus in der Höxteraner Ortschaft Bosseborn abspielten? Fragen, die sich viele Menschen in der 530-Seelen-Gemeinde, aber auch im lippischen Schlangen stellen. Dort hatte das Paar vor Jahren ebenfalls gewohnt. Auch die Ermittler, die in Bielefeld eine 30-köpfige Mordkommission gebildet haben, suchen fieberhaft nach Antworten.

Die Sonne strahlt von einem fast wolkenlosen blauen Himmel, die Vögel singen. Dieses Idyll passt nicht zu den barbarischen Geschichten, die sich die Anwohner in Bosseborn auf der Straße erzählen. Vom ständigen Streit mit den nun tatverdächtigen Nachbarn berichten sie und davon, dass sie vorigen Sommer überlegt hatten, die Polizei zu alarmieren – getan hat es keiner.

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Fassungslos: Die Täter waren jahrelang Stammkunden im Schlänger Imbiss. Die Betreiber, Farhad Khanloo und Parwane Samie Pour, sind entsetzt. - © Patrick Bockwinkel
Fassungslos: Die Täter waren jahrelang Stammkunden im Schlänger Imbiss. Die Betreiber, Farhad Khanloo und Parwane Samie Pour, sind entsetzt. (© Patrick Bockwinkel)

Auch nicht, als vor drei Jahren eine junge Frau mit Hunden bei den Nachbarn einzog, wie eine Anwohnerin berichtet. Erst verschwanden die Hunde, später die Frau, die zum Schluss statt brauner Haare eine Glatze hatte.
Aber die Bosseborner wehren sich auch gegen den Vorwurf, weggesehen zu haben.

„Sie haben niemanden reingelassen", berichten mehrere Nachbarn übereinstimmend. Nun versuchen die Ermittler, die vergangenen Jahre in dem Bosseborner Haus zu rekonstruieren und Hinweise auf weitere Frauen zu finden. Gestern Abend, als fast alle Journalisten bereits abgereist waren, stellten Bauarbeiter Sichtschutzzäune auf. „Nicht einfach so, sondern mit gutem Grund", wie es aus Polizeikreisen heißt.

Die Gewalttat zieht weitere Kreise, denn das mutmaßliche Täterpärchen hat mehrere Jahre in der Gemeinde Schlangen gelebt. Einwohner schildern, dass sie sich – wie auch in Bosseborn – als Geschwister und nicht als Ehepaar ausgegeben haben. „Ich bin einfach nur entsetzt", sagt Farhad Khanloo, der zusammen mit seiner Frau Parwane Samie Pour den Schlänger Imbiss betreibt. Dort seien die in Untersuchungshaft sitzenden mutmaßlichen Täter Stammkunden gewesen.

Wilfried W. sei eher schüchtern und zurückhaltend, aber immer freundlich gewesen. Seine vermeintliche Schwester habe hingegen einen „eher seltsamen" Eindruck gemacht. Anfangs sei Wilfried W. immer alleine in den Imbiss gekommen. Erst später sei er oft von Angelika W. begleitet worden. „Sie hat uns häufig gefragt, ob wir nicht in der Bekanntschaft oder in der Verwandtschaft eine Frau für ihren Bruder kennen würden", erzählt Parwane Samie Pour.
Irgendwann habe sie dann eher beiläufig erwähnt, dass ihre im Iran lebende Nichte noch keinen Mann habe, obwohl sie schon über 30 Jahre alt sei. „Daraufhin wurden wir immer wieder gefragt, ob die Nichte nicht mal zum Kennenlernen nach Deutschland kommen könne", erzählt Samie Pour.
Die Nachfragen seien in der Regel von Angelika W. ausgegangen.

Wir haben dann immer gesagt, dass meine Nichte nicht herkommen könnte, weil sie kein Visum für Deutschland bekommt und ja auch die Sprache nicht spricht", sagt Samie Pour: „Jetzt bin ich darüber sehr, sehr froh." Die Namen der angeblichen Geschwister hätten die beiden Imbissbetreiber zunächst nicht gekannt. Erst später, als Parwane Samie Pour eine Freundschaftsanfrage auf Facebook angenommen habe, habe sie auch den Namen von Angelika W. erfahren. „Das habe ich nur gemacht, weil sie eine Stammkundin war", sagt Samie Pour.

Zuvor hatten die mutmaßlichen Täter bereits in einem anderen Haus in Schlangen zur Miete gewohnt. Zehn Jahre sei das inzwischen her, berichtet der heutige Eigentümer. „Die waren schon irgendwie komisch", erinnert sich der heutige Besitzer, der Wilfried und Angelika W. aber im Laufe der Jahre vergessen hatte. Erst als deren mutmaßliche Tat in den Medien öffentlich wurde, habe er sie wiedererkannt. „Dass jemand zu so etwas fähig ist, ist unfassbar", sagt der Besitzer.

Auch nachdem die Beschuldigten vor fünf Jahren nach Bosseborn gezogen waren, hätten sie den Schlänger Imbiss noch ab und zu besucht und sich etwas zu essen geholt. „Sie haben aber nie mehr als zwei Portionen mitgenommen", erinnert sich Samie Pour. Zuletzt sei Angelika W. Ende Februar im Imbiss gewesen. Einen anderen Eindruck als sonst habe sie aber nicht gemacht. Samie Pour: „Wie wir sind hier alle fassungslos und geschockt."

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