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Berlin/Bielefeld

Lehrerverband in NRW beklagt zu viele gute Schulnoten

Berlin/Bielefeld. Der Deutsche Lehrerverband hat nach der Veröffentlichung der neuesten PISA-Ergebnisse eine Rückbesinnung auf das Leistungsprinzip an Schulen gefordert. Verbandspräsident Josef Kraus fordert ein Ende der Inflation bei sehr guten Schulnoten. Sein Vorschlag, dass anspruchsvolle Bundesländer wie Bayern die Abiturzeugnisse anspruchsloser Bundesländer wie NRW nicht mehr anerkennen sollen, schlägt hohe Wellen.

Die Lehrergewerkschaften in NRW reagieren verärgert auf die Vorschläge von Kraus. „Die unverschämte Forderung entbehrt jeglicher Grundlage", sagt die NRW-Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Dorothea Schäfer. Kraus’ populistische Äußerungen seien größenwahnsinnig. So bewertet auch der NRW-Landesvorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung, Udo Beckmann, die Forderungen: „Die erzkonservative Linie richtet sich gegen Bundesländer, die den Weg des längeren gemeinsamen Lernens eingeschlagen haben."

Information

Noten in NRW

  • In Nordrhein-Westfalen lag die Durchschnittsnote im Abitur im Jahr 2016 bei 2,45.
  • Zwischen den Jahren 2003 und 2013 stieg die Durschnittsnote kontinuierlich von 2,69 auf 2,45 an. 2014 fiel sie auf 2,49 zurück, 2015 stieg sie wieder auf 2,47.

Die Durchschnittsnote des Abiturjahrgangs in NRW lag 2016 bei 2,45. Der Anteil der Schüler mit Bestnote 1,0 lag bei 1,78 Prozent. Gleichzeitig stiegen die Durchfaller-Quoten. Mit ansteigenden Noten liegt NRW laut Kultusministerkonferenz im bundesweiten Trend. An der Spitze steht Thüringen mit einer Durchschnittsnote von 2,18. Schlusslicht bleibt Niedersachsen mit 2,58.

Beim Spitzen-Abi sind die Unterschiede enorm. Während in Thüringen 40 Prozent der Abiturienten bei der Reifeprüfung eine Eins vor dem Komma schaffen, waren es in Niedersachsen unter 20 Prozent. In Nordrhein-Westfalen sind es aktuell 22 Prozent.

Ein zu hoher Anteil, moniert Kraus. Deshalb fordert der Lehrerverband, dass „aus dem Abitur wieder ein Attest für Studienbefähigung und nicht für Studienberechtigung wird." Diese Forderung unterstützen der Unternehmerverband OWL und die IHK Ostwestfalen, da viele Unternehmer die fehlende Ausbildungsreife von Abiturienten bemängeln.

„Erhebungen belegen, dass bei Bewerbern vor allem Grundkenntnisse in Deutsch und Mathe fehlen", sagt IHK-Sprecher Jörg Deibert. Das bestätigt Anke Gudehus vom Unternehmerverband: „Rechtschreibung ist bei vielen Bewerbern problematisch. Bei uns beklagen sich seit drei Jahren verstärkt auch große Unternehmen."

Ähnliche Entwicklungen sind in der Hochschullandschaft in Ostwestfalen-Lipp ezu beobachten. Immer mehr Universitäten und Fachhochschulen bieten, wie die IHK, für angehende Auszubildende, Vorbereitungskurse für Studieninteressierte an.

Kommentar: "Bildung muss Bundessache werden"

von Carolin Nieder-Entgelmeier

Aus dem deutschen Schulsystem gehen immer mehr Abiturienten mit Bestnoten hervor. Doch ein Abiturient aus Nordrhein-Westfalen kann trotz einer 1,0 im deutschlandweiten Vergleich nicht so stolz auf sein Reifezeugnis sein, wie ein Abiturient aus Bayern, denn das Abitur in Deutschland ist ungerecht.

Jedes Jahr werden in den 16 Bundesländern 16 verschiedene Prüfungen geschrieben. Die Lehrpläne unterscheiden sich ebenso wie Fächerkombinationen, Erwartungshorizonte und Zulassungsbedingungen. Trotzdem werden die Abiturergebnisse der Länder jedes Jahr aufs Neue miteinander verglichen und in einem Ranking zusammengefasst.

Stolz verkünden die Bildungspolitiker dann, übrigens auch in Bayern, dass die Schüler erneut besser abgeschnitten haben. Lobpreisungen und Rankings bringen jedoch weder Schüler noch Schulen oder Schulministerien weiter. Vielmehr dokumentieren diese Vergleiche, dass der Bildungsföderalismus in Deutschland zu Ungerechtigkeit führt, die sich von Jahr zu Jahr zulasten der Schüler manifestiert. Diese Entwicklung ist unfair, und zwar für alle Schüler.

Mit einem zentralen Aufgabenpool, der 2017 für die Abiturfächer Deutsch, Mathe, Englisch und Französisch bundesweit angelegt werden soll, ist Deutschland auf dem richtigen Weg. Doch das Problem der unzureichenden Vergleichbarkeit von Abiturienten kann nur dann gelöst werden, wenn eben auch Lehrpläne, Fächerkombinationen, Erwartungshorizonte und Zulassungsbedingungen angeglichen werden. Möglich ist das mit der Abschaffung des Bildungsföderalismus.

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