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Interview: Michael Groschek zum Neubeginn der NRW-SPD

Lothar Schmalen

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Michael Groschek, designierter Vorsitzender der NRW-SPD.  - © picture alliance / dpa
Michael Groschek, designierter Vorsitzender der NRW-SPD.  (© picture alliance / dpa)

Herr Groschek, was hat die rotgrüne Landesregierung falsch gemacht, dass sie von den Wählern so abgestraft wurde?

Michael Groschek: Wir müssen feststellen, dass es CDU und FDP gelungen ist, aus Stimmung Stimmen zu machen. Wenn wir keine Fehler gemacht hätten, wäre es dennoch nicht möglich gewesen, einen solchen Wahlsieg gegen uns zu erringen. Darüber müssen wir intensiv diskutieren. Eins steht jetzt schon fest: Uns ist die Mobilisierung nicht ausreichend gelungen, der Union sehr wohl.

War einer dieser Fehler, dass die SPD zu spät auf den Vertrauensverlust bei der inneren Sicherheit reagiert hat? Und war es ein Fehler, den umstrittenen Innenminister Jäger bis zum Schluss im Amt zu belassen?

Groschek: Es ist nicht hilfreich, jetzt irgend jemandem den Schwarzen Peter zuzuschieben. Wir suchen nach Fehlern und nicht nach Schuldigen. Aber wir haben offenbar viele Hoffnungen enttäuscht, Hoffnungen, die mit typisch sozialdemokratischen Schlagworten wie Aufstieg für alle oder Chancengleichheit beschrieben werden.

An der Basis der SPD wurde schon vor der Wahl die Wahlkampfstrategie heftig diskutiert. Kritiker sagen, der Wahlkampf sei zu inhaltsleer, zu sehr auf Harmonie zugeschnitten gewesen. Haben die Kritiker recht?

Groschek: Zugespitzte politische Aussagen waren auf unseren Plakaten nicht zu sehen. Künftige Wahlkämpfe müssen kontroverser angelegt sein – das ist eine der Lektionen, die wir gelernt haben.

Hat die SPD bei der Bundestagswahl im September überhaupt noch eine Chance?

Groschek: Die Bundestagswahl ist längst noch nicht entschieden. Es gibt, wie die Umfragen der vergangenen Wochen zeigen, ein immer kurzfristigeres Auf und Ab. Deshalb sind die letzten Tage entscheidender als die Stimmungslage im Frühsommer.

Information

Zur Person


  • Michael (genannt: Mike) Groschek (60) ist gebürtiger Oberhausener.
  • Bis zur Vereidigung der neuen Landesregierung ist er noch Bau- und Verkehrsminister von NRW.
  • Der SPD-Landesvorstand hat ihn als neuen Landesvorsitzenden nominiert. Er soll auf dem Parteitag in Duisburg am 10. Juni gewählt werden.


Und die innere Sicherheit wird neben der sozialen Gerechtigkeit ein zweites großes Wahlkampfthema der SPD?

Groschek: Die SPD wird nie als Schwarzer Sheriff wahrgenommen werden. Aber die SPD wird deutlich machen, dass öffentliche und soziale Sicherheit zusammengehören. Gerade die Menschen, die nicht besonders reich oder stark sind, sind darauf angewiesen, dass der Staat handlungsfähig und handlungswillig ist.

Ist es wirklich ein Neuanfang, wenn zwei bisherige Minister demnächst an der Spitze der Landespartei stehen und die Fraktion weiter von einem 70-Jährigen geführt wird?

Groschek: Norbert Römer hat selbst erklärt, dass seine Wahl eine zeitlich begrenzte Übergangslösung für eine sich neu findende, kleinere Fraktion sein soll. Was die Partei anbelangt, kann ich darüber nur schmunzeln. Wenn Sie sich die Koalitionsrunden von CDU und FDP anschauen, lässt sich vermuten, dass die künftige Landesregierung ein Kabinett der abgewählten Minister sein wird.

Laschet: abgewählt, Laumann: abgewählt, Lienenkemper: abgewählt, Wittke: abgewählt, Pinkwart: abgewählt. Und alle sind trotzdem gut genug, um die neue Regierung zu bilden. Was ich sagen will: Mit diesen Schablonen kommt man nicht weiter. Entscheidend ist auf’m Platz. Ich bin sicher, dass ich eine Menge in der SPD und für die SPD bewegen kann.

Aber mit der Kritik von der Basis müssen Sie umgehen...

Groschek: Ja, natürlich. Nach einer solchen Klatsche, wie wir sie bekommen haben, ist der Unmut natürlich groß. Wir werden wieder mehr Orte für kontroverse Diskussionen schaffen müssen. Das ist in den vergangenen Regierungsjahren etwas zu kurz gekommen.

Sehen Sie sich denn selbst als Übergangskandidat an der Parteispitze?

Groschek: Ehrlich gesagt hätte ich Ostern noch nicht gedacht, dass ich kurz nach Pfingsten vielleicht Vorsitzender dieser tollen Partei bin. Aber: ich kandidiere weder als Platzhalter noch als Platzhirsch. Ich kandidiere für den Vorsitz der NRW-SPD, nicht mehr und nicht weniger.

Wie wollen Sie die Kritiker davon überzeugen, dass Ihre Wahl auf dem Landesparteitag am 10. Juni in Duisburg richtig ist?

Groschek: Zur Diskussion gibt es Gelegenheit auf vier Regionalkonferenzen, die noch vor dem Parteitag stattfinden, die in OWL am 7. Juni. Dazu sind alle Mitglieder eingeladen. Überzeugen kann man aber nicht mit Worten, sondern nur mit Taten.

Sie wollen nach der Bundestagswahl mit der „Inventur" der Partei beginnen. Warum so spät?

Groschek: Wir müssen jetzt alle Kräfte auf den Bundestagswahlkampf konzentrieren. Es gilt aber meine klare Zusage: Die politische und organisatorische Inventur danach wird gründlicher sein, als die oberflächlichen Analysen der Vergangenheit.

Haben Sie schon konkrete Vorstellungen einer inhaltlichen Neuorientierung?

Groschek: Ja. Wir brauchen einen verantwortungsvollen, finanzstarken und durchsetzungswilligen Staat. Darin unterscheiden wir uns auch vom Lindner-Land der FDP. Deren DNA ist doch immer noch „Privat vor Staat". Das halte ich grundsätzlich für falsch. Es gilt außerdem, eine neue verbindliche Alltagskultur zu entwickeln. Respekt und sozialer Anstand sind die Leitplanken einer solchen Alltagskultur. In Teilen der Gesellschaft ist etwas aus dem Lot geraten. Wir müssen begreifen, dass Bürgerrechte und -pflichten zusammengehören.

Und organisatorisch?

Groschek: Wir wollen die Erfolgreichen unserer Partei in die Mitte holen. Unsere Oberbürgermeister, unsere Bürgermeister, unsere Landräte gehören auf den Platz und nicht auf die Tribüne.

Was heißt das konkret?

Groschek: Die Genannten müssen mehr parteipolitische Verantwortung tragen. Wie das zu bewerkstelligen ist, will ich mit unseren Kommunalpolitikern diskutieren. Dazu gehört auch die herausragende Bedeutung der Kommunalwahl 2020. Ohne erfolgreiche Kommunalpolitiker wäre die NRW-SPD tatsächlich nicht wiederzuerkennen.

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