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Schröder plädiert in Bielefeld für Schulterschluss mit Frankreich

Martin Krause

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Der Stargast: Der gebürtige Lipper Gerhard Schröder (SPD) war von 1998 bis 2005 Bundeskanzler. 
- © Sarah Jonek
Der Stargast: Der gebürtige Lipper Gerhard Schröder (SPD) war von 1998 bis 2005 Bundeskanzler. (© Sarah Jonek)

Bielefeld. Wer vom früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder (73) markante Wahlkampfrhetorik erwartet hatte, der wurde enttäuscht. Der einst als hemdsärmelig geltende SPD-Politiker hielt als Gastredner der Katag-Cheftagung in Bielefeld eine staatsmännische und hochgradig diplomatische Rede.

Seine Kernbotschaft: Wir müssen Europa voranbringen und dafür ein "neues Bündnis mit Frankreich" schmieden. "Wir müssen uns die Verantwortung für Europa mit Frankreich teilen, nur dann wird es funktionieren", mahnte Schröder. Zwar habe sich Deutschland einen großen politischen und wirtschaftlichen Machtzuwachs erarbeitet. Doch hiermit müsse das Land wegen seiner Geschichte "ganz, ganz vorsichtig" umgehen.

Der gebürtige Blomberger, der Ende der 50er Jahre in Lemgo eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann absolvierte, bevor er auf dem zweiten Bildungsweg 1966 in Bielefeld das Abitur machte, hielt sich vor 500 Einzelhändlern nicht lange mit den Problemen der Branche auf. Er würde lieber ins Geschäft gehen, statt online einzukaufen - er schätze es, die Dinge anzufassen, "und wenn man Glück hat, wird man auch beraten".

Schröder erlaubte sich auch keinen Hauch von Parteipolitik, und er beteiligte sich nur flüchtig an der scharfen Kritik am US-Präsidenten Donald Trump. Die globale Verantwortung der USA vertrage sich nicht mit Trumps Ideen von Isolation und Protektionismus. Doch er habe "die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass sich Trump von Beratern einhegen lässt", so Schröder. Trumps "America-First"-Politik sei eine Herausforderung, biete aber zugleich Chancen. Gerade wegen der neuen US-Politik sei ein handlungsfähiges Europa nötig.

Die Wahl von Emmanuel Macron zum französischen Präsidenten sei wegweisend für Europa. Allerdings brauche Frankreich - ebenso wie Italien - dringend Reformen: "Ich hoffe wirklich, dass dies gelingt". Nach der Bundestagswahl im Herbst sei dann der Zeitpunkt und die "Pflicht" für eine gemeinsame europäische Agenda gekommen. In einigen Bereichen wie der Finanzpolitik, Außen- und Verteidigungspolitik sowie der Sicherung der Außengrenzen sei engere Kooperation nötig - andere Felder müssten nach dem Subsidiaritätsprinzip den Mitgliedsländern überlassen bleiben. Frankreich und Deutschland dürften dabei nicht die kleineren EU-Länder bevormunden - aber es müsse ein Weg aufgezeigt werden, um Problemen von der Globalisierung bis zu wachsendem Migrationsdruck und Terrorismus zu begegnen.

Auch das Verhältnis zu Russland und der Türkei müsse wieder verbessert werden, riet Schröder. Ohne diese Länder gebe es keine Stabilität in Osteuropa, im Nahen Osten und Nordafrika. Ein Konfrontationskurs könnte dazu führen, dass beide Länder nach Asien und China "abdriften".

Katag-Vorstandschef Daniel Terberger hatte Schröder zuvor mit höchstem Lob begrüßt: Schröder habe die Welle (des wirtschaftlichen Erfolges) gemacht, auf der Angela Merkel heute surft. "Als Unternehmer sind wir tief dankbar für das, was Sie für das Land getan haben", so Terberger mit Blick auf die sozialpolitischen Reformen ("Agenda 2010") der rot-grünen Berliner Koalition.

Die Modebranche sei der guten wirtschaftlichen Lage zum Trotz derzeit eher von Firmen-Schieflagen geprägt. Allerdings sei zu beobachten, dass etliche vertikale Hersteller ihre Strategie, vor allem durch eigene Filialen zu wachsen, auf den Prüfstand stellen: Der Fachhandel erlebe daher eine Renaissance.

Die durch die Digitalisierung getriebene Transformation habe die Branche nun bereits ein Stück weit bewältigt. Ein verlangsamtes Tempo oder gar Stillstand sei aber nicht zu erwarten. Ein bisschen sprach Terberger am Ende pro Domo: Der Veränderungsdruck sei wohl am besten mit Kooperationen zu bewältigen.

Information
Junge Generation ist "wahnsinnig bequem"

Ein erst 22-jähriger Unternehmensberater - Philipp Riederle - übernahm bei der Cheftagung den Part des Bad Guys. Im Stil zwischen dreist und unverschämt rüttelte der Digital-Experte die Einzelhändler auf. Seine Generation sei keineswegs aufs Internet fixiert und illoyal - aber die sogenannten Millenials seien eben "wahnsinnig bequem". Sie verlangten ein exzellentes Angebot.

Wenn die Händler einen guten Job machten und guten Service böten, kämen die jungen Leute gern immer wieder. "Aber Sie schicken uns quasi weg", klagte Riederle.

Katag-Vorstand Angelika Schindler-Obenhaus hielt dagegen. So biete die Katag mit myVeo künftig ein digitales Schaufenster, in dem Kunden vom Sofa aus rund um die Uhr Waren ansehen und reservieren können.

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