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Pfarrer erklären, warum sie homosexuelle Paare trauen - oder nicht

Björn Vahle

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Gleichgeschlechtliche Trauungen sind mittlerweile in der Mehrzahl der Evangelischen Landeskirchen möglich. - © Annette Riedl/dpa
Gleichgeschlechtliche Trauungen sind mittlerweile in der Mehrzahl der Evangelischen Landeskirchen möglich. (© Annette Riedl/dpa)

Die Lippische Landeskirche hat die gleichgeschlechtliche Ehe mit der von Mann und Frau gleichgestellt. Bisher durften homosexuelle Paare zwar öffentlich gesegnet werden, Trauung durfte das aber nicht heißen. Die Kirche überlässt es aber weiter den Pfarrerinnen und Pfarrern, ob sie die Trauungen tatsächlich durchführen. Wer nicht möchte, wird nicht gezwungen. Zwei Pfarrer und eine Pfarrerin haben uns erklärt, warum sie die Trauungen unterstützen - oder nicht.

"Mit 20 fand ich Homosexualität eklig"

Matthias Altevogt, 49, ist seit 15 Jahren Pfarrer in Lemgo. Er ist geschieden und hat zwei Kinder, ein Sohn lebt bei ihm.

Vor dem Altar: Der Lemgoer Pastor Matthias Altevogt spricht 2014 den Segen für Rabea und Sarah Einhorn (von links). - © Archivfoto: Katharina Pavlustyk
Vor dem Altar: Der Lemgoer Pastor Matthias Altevogt spricht 2014 den Segen für Rabea und Sarah Einhorn (von links). (© Archivfoto: Katharina Pavlustyk)

Der Schritt, den die Landeskirche jetzt gegangen ist, war eigentlich logisch. Den Kritikern war die Unterscheidung zwischen Segnung und Trauung sehr wichtig, aber ich fand das sachlich nicht mehr zu halten. Wenn sich zwei versprechen, sie wollen sich mit Gottes Hilfe lieben und ehren, bis der Tod sie scheidet, dann ist das eine Ehe. Wir bitten in einer Trauung um nichts anderes als bei einer Segnung, um den Segen Gottes für eine Ehe. Die Unterscheidung finde ich unsinnig, es gibt keinen Segen zweiter Klasse.

Mit 20 fand ich die Vorstellung von Homosexualität eklig. Dann habe ich irgendwann einmal ein Paar gesehen, das einfach Händchen hielt und sich verliebt anguckte. Da ging mir auf: Die haben sich einfach lieb, die sind zärtlich zueinander. Das war der Prozess, an dessen Ende ich gemerkt habe: Das ist okay. Ich habe da also auch eine Entwicklung durchgemacht.

So ging es auch unserer Gemeinde. Wir haben irgendwann über unser Familienbild diskutieren müssen. Und da haben wir gesagt, das entscheidende Kriterium muss sein, ob Menschen treu und liebevoll füreinander sorgen. Rechtfertigen musste ich mich dafür in der Gemeinde nicht. Es gab wohl ein paar Menschen, die das kritisch sahen, die haben mir das aber nicht gesagt. Ich finde es einfach wichtig, auch für Homosexuelle einzustehen, denn in vielen Ländern wird das Rad gerade zurückgedreht und sie sind Verfolgung und Gewalt ausgesetzt. Dafür muss Kirche sich einsetzen.

Es kommt trotzdem oft der Vorwurf: "Du ignorierst die Bibel!" Da sage ich: In Jesus Gesellschaft war es ja oft so, dass die Frommen und Gelehrten ganz genau wussten, wer nicht dazugehören darf, wer jenseits des Gesetzes lebt. Diese Grenzen hat er ja gezielt überschritten und diese Leute mit dazugeholt. Er hat damals schon viele Grenzen nicht akzeptiert, die die Frommen ziehen wollten.

"Es gibt keinen göttlichen Segen für die gleichgeschlechtliche Ehe"

Michael Sturm, 65, war bis zu seinem Ruhestand 28 Jahre Pfarrer in Bielefeld und lebt seit einem halben Jahr in Bad Salzuflen. Er ist verheiratet und hat vier Kinder.

Ich habe einmal ein Mädchen begleitet, dass mit 15 Jahren gestorben ist. Seine Mütter lebten in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft. Am Ende machte sich die leibliche Mutter Vorwürfe. Sie fragte mich: "Bin ich jetzt bestraft worden, weil ich diese Lebensform gewählt habe?" Da sage ich natürlich ganz klar: Nein.

Michael Sturm, ehemaliger Pfarrer der Lukas- und Paulusgemeinde in Bielefeld. - © Michael Sturm
Michael Sturm, ehemaliger Pfarrer der Lukas- und Paulusgemeinde in Bielefeld. (© Michael Sturm)

Trotzdem ist aus meiner Überzeugung die Ehe eine Verbindung, die Mann und Frau vorbehalten ist. Die Ehe von Mann und Frau ist vom Grundgesetz besonders geschützt, weil sie den Lebensraum sichert, in dem Kinder zur Welt kommen und aufwachsen können.

Maßgeblich für meine Überzeugung aber ist die Bibel, in der es in der Schöpfungsgeschichte heißt: "Gott schuf den Menschen als Mann und Frau. Und er segnete sie." Das ist mir wichtig, denn die Kirche muss sich in ihren Entscheidungen und ihrem Handeln am Wort Gottes der Bibel orientieren. Beim Segen geht es an dieser Bibelstelle explizit um die Weitergabe von Leben. Und homosexuelle Paare sind nun einmal in ihrer Lebensform unfruchtbar.

Die Bibel stellt Homosexualität im Alten und Neuen Testament durchgehend negativ dar. Zurückgenommen ausgedrückt: Etwas, das Gott nicht will. Das ist natürlich ärgerlich, aber die Kirche wird gebraucht, weil sie in die gesellschaftliche Diskussion eine Position einbringt, die sie sich nicht selbst ausgedacht hat, sondern die auf dem Wort der Bibel begründet sind.

Ich muss mich als Pfarrer also fragen: Habe ich den Segen überhaupt, den ich einem solchen Paar zusprechen soll? Denn der Segen kommt ja nicht von mir als Pfarrer, sondern von Gott. Nach dem, was ich in der Bibel lese, habe ich diesen Segen schlichtweg nicht. Und ich möchte behaupten: Andere haben diesen Segen auch nicht. Weil Gott diese Lebensform nicht segnet.

Ich kann natürlich sagen: Mir gefällt nicht, was da steht. Das passt nicht zum gesellschaftlichen Konsens meiner Zeit. Aber wenn ich das biblische Wort in meiner Auslegung einfach so weit dehne, bis es passt, dann kann ich auch einpacken. Dann braucht die Gesellschaft mich als Pfarrer, uns als Kirche nicht mehr. Dann haben wir nichts beizutragen, das die Leute nicht auch anderswo hören.

Ich werfe solchen Beschlüssen wie dem in Lippe vor, dass sie angepasst sind und die evangelische Kirche damit ihre Aufgabe verfehlt, widerständig zu sein, auch mal zu stören. Sie möchte heute nur noch dann stören, wenn alle anderen das akzeptieren.

Und um das auch noch zu sagen: Jede Woche saßen auch Homosexuelle in der Kirche, die meine Haltung kennen, und sich trotzdem von mir als Menschen nicht abgelehnt fühlten. Ich würde auch niemals sagen, es gibt für Kinder in homosexuellen Lebenspartnerschaften keinen Segen. Trotzdem bin ich überzeugt, dass Kinder Vater und Mutter brauchen - in ihrer Unterschiedlichkeit.

"Ich möchte mich an keiner Benachteiligung beteiligen"

Kornelia Schauf, 56, ist seit acht Jahren Pfarrerin in Leopoldshöhe. Zur Familie gehören drei Kinder ihres Ehemannes und zwei Enkelkinder.

Kornelia Schauf, Pfarrerin in Leopoldshöhe. - © Kornelia Schauf
Kornelia Schauf, Pfarrerin in Leopoldshöhe. (© Kornelia Schauf)

Schon 1999 habe ich zum ersten Mal ein homosexuelles Paar gesegnet. Drei Jahre vorher hatte ich in einer Predigt gesagt, ich setze mich dafür ein, dass auch diese Paare gesegnet werden. So waren die beiden Frauen auf mich aufmerksam geworden. Damals war hier noch nicht mal eine Segnung vorgesehen. Wir haben sie dennoch durchgeführt, als privates Fest in der Kirche. Die Türen standen aber nicht offen.

Für mich war und ist das völlig unproblematisch. Für andere ist Gleichberechtigung an der Stelle unvorstellbar. Das liegt an der Art, wie sie die Bibel lesen. Gehen wir davon aus, dass die Bibel wortwörtlich Gottes Wort ist, lesen wir anders, als wenn wir sagen: in den Worten der Bibel finden wir Gottes Wort. Natürlich müssen wir darum streiten, wie wir sie verstehen. Wenn wir die Bibel wörtlich nähmen, würde auch gelten:"Wer am Sabbat arbeitet, soll sterben." Denn auch das steht so in der Bibel. Aber das würde heute ja niemand wollen.

Wenn man die Bibel wörtlich versteht, ist man schon im falschen Fahrwasser. Viel wichtiger für den Glauben und die Kirche ist, dass Paare gleichberechtigt zusammenleben. Ich nehme da nämlich einen Widerspruch wahr: Wir trauen jedes heterosexuelle Paar, ohne hinterher mal zu fragen, wie leben die eigentlich zusammen? Andererseits machen aber so ein Fass auf um Homosexuelle. Das passt für mich nicht zusammen. Moralische Empörung empfinde ich anderswo.

Ich finde zum Beispiel den Blick auf die politische Vergangenheit in Deutschland wichtig. Ich möchte mich an keiner Verfolgung oder Benachteiligung von Homosexuellen beteiligen, wie wir sie hierzulande erlebt haben. Ich habe ein paar Jahre in Südafrika als Kirchenleitung gearbeitet. Dort lehnen viele Gemeinden homosexuelle Partnerschaften ab. Und da war es in den Diskussionen ein starkes Argument, zu sagen, ich komme aus einer Geschichte, wegen der ich es gefährlich finde, Menschen so auszugrenzen.

Trotzdem, auch in Leopoldshöhe ist es nicht so, dass die ganze Gemeinde jetzt Hurra schreit und dafür ist. Im Kirchenvorstand gibt es Menschen, die zweifeln. Bei den Paaren, die hier gesegnet werden wollten, haben wir gesagt: Wir machen es, weil wir sie kennen. Um ihretwillen springen wir über unseren Schatten. Diese seltsame Unterscheidung, "ich habe nichts gegen die Person, aber ich kann das nicht befürworten", das bringe ich in meinem Kopf nicht mehr zusammen.

Information

Und die westfälische Landeskirche?

Hier sind bislang öffentliche Segnungen eingetragener Lebenspartnerschaften möglich. Das hat das Kirchenparlament Ende 2014 entschieden. "Die wenigen biblischen Texte dazu schätzen die gleichgeschlechtliche Sexualität zwar anders ein als die zwischen Mann und Frau. Nicht im Blick sind jedoch gleichgeschlechtliche Partnerschaften auf der Grundlage
von Liebe, Treue und Verantwortung", hieß es in der Pressemitteilung dazu. Auch hier, also in Ostwestfalen, obliegt die Entscheidung, eine Segnung durchzuführen, den Pfarrerinnen und Pfarrern. Trauungen dürfen die Zeremonien aber nicht genannt werden.

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