Datenschützer beurteilen Corona-Tracing-App teils kritisch

Die Technik soll's richten: Bis zum Ende der Osterferien soll eine App einsatzbereit sein, die die Ausbreitung des Coronavirus eindämmen soll. Entwickelt von 130 Experten aus acht europäischen Ländern und getestet von der Bundeswehr, soll die Smartphone-Anwendung Kontakte zwischen Menschen registrieren und eine gewisse Zeit speichern. So sollen im Falle einer Infektion die Kontaktpersonen eines Erkrankten ganz einfach ausfindig gemacht werden können.

Das Herz des Projekts PEPP-PT (Pan-European Privacy-Preserving Proximity Tracing) - nicht zu verwechseln mit der kürzlich vom Robert-Koch-Institut in den App-Store gebrachten Datenspende - schlägt blau. Per Bluetooth sendet und empfängt das Smartphone verschlüsselte IDs. So wird gespeichert, wer sich begegnet - unabhängig von der konkreten Örtlichlichkeit. Tracing statt Tracking.

"Bluetooth ist chronisch unsicher" "Wir freuen uns, dass nicht weiter völlig ungeeignete und unverhältnismäßige Maßnahmen wie beispielsweise Funkzellenabfragen verfolgt werden", heißt es von Rena Tangens und Nils Büschke von Digitalcourage. Die Bielefelder Datenschützer haben sich die Planungen, soweit sie bereits bekannt sind, angesehen. Dabei haben sie Erfreuliches festgestellt, wie etwa, dass kein Nutzer geortet wird. Sie üben aber auch klare Kritik. Zum Beispiel am Knackpunkt Bluetooth. "Damit die App funktionieren kann, muss Bluetooth bei allen beteiligten Smartphones dauerhaft aktiviert sein. Das hingegen ist keine gute Idee – denn Bluetooth ist chronisch unsicher."

Bei Android-Usern schließe sich ein weiteres Problem an, erklären die Digitalcourage-Experten: "Android erlaubt eine Nutzung der Bluetooth-Schnittstelle nur, wenn gleichzeitig die Nutzung von Ortsdiensten freigegeben wird." Unter Umständen könne Google, das hinter Android steht, so auf die Standorte des Smartphones zugreifen.

Drosten: App das "bevorzugte Werkzeug" Aber zurück zur App. Ohne Infektion passiert: nichts. Wenn aber jemand positiv auf das Coronavirus getestet wird, kann er seine gesammelten, verschlüsselten Daten auf einen Server hochladen. So können die Kontaktpersonen des Infizierten ermittelt und informiert werden. Die sollen sich daraufhin in Quarantäne begeben.

Für den Berliner Virologen Christian Drosten ist das "wirklich das bevorzugte Werkzeug", wenn es darum geht, Corona-Deutschland in den Normalzustand zurückzuführen. Bisher verliere man bei der Recherche von Kontaktpersonen durch die Gesundheitsämter noch viel Zeit, sagt der Charité-Wissenschaftler im NDR -Podcast.

"Wir fragen uns, ob hier nicht unrealistische Hoffnungen geweckt werden", entgegnen die Datenschützer. "In Singapur, wo die Idee einer Contact-Tracing-App herkommt, ist man gerade an dem Punkt, dass die Infektionsnachverfolgung durch Kontakte nicht mehr hilft."

Experiment oder Überwachung? Hannes Amtesreiter, der Deutschland-Chef von Vodafone, hingegen spricht von einem &bdquo;gut durchdachten und präzisen Projekt", das man von Beginn an unterstützt habe. &bdquo;Spezifische Situationen und Krisen brauchen spezielle Innovationen. Und das ist eine." Der Konzern hatte sein Testzentrum in Düsseldorf, das größte von Vodafone in Europa, zur Verfügung gestellt, um die Bluetooth-Sensorik für das Projekt weiterzuentwickeln und in der Praxis zu testen.

Besondere Situation erfordern besondere Maßnahmen. So weit können wohl auch die Datenschützer mitgehen. "Eine Corona-Contact-Tracing-App sollte allein diese Funktion haben, damit eindeutig klar ist, was sie tut. Und damit sie gezielt installiert, konfiguriert und wieder gelöscht werden kann." Als Gewöhnung an "Dauerüberwachung" dürfe die Anwendung nicht dienen.

Die Freiwilligkeit der Nutzung sei wichtig, betont auch RK I -Wissenschaftler Dirk Brockmann im NDR -Podcast: Dann sei es nicht Überwachung, sondern ein "partizipatorisches Experiment". Apropos Freiwilligkeit. Um Kontakte effektiv rekonstruieren zu können, müsse ungefähr die Hälfte der Bevölkerung so eine App nutzen, meint Brockmann.

"App muss freiwillig sein" Aber ist das realistisch? "Es bedarf einer Löschungsregelung inklusive einer maximalen Speicherdauer", sagt Eren Basar vom Deutschen Anwaltverein e.V. (DAV). Nach Ablauf der zweiwöchigen Inkubationszeit und einem Sicherheitspuffer sei eine weitere Speicherung nicht nötig. Beides sei wichtig, damit eine solche App bei den Bürgern Rückhalt finde.

Nicht nur bei denen. Die Datenschützer haben da eine klare Meinung: "Die Nutzung einer solchen App muss freiwillig sein und bleiben. Es darf keinen de facto Zwang zur Nutzung der App geben wie zum Beispiel in China, wo man Verkehrsmittel, Supermärkte oder den Arbeitsplatz ohne installierte App nicht mehr betreten darf."

Mit Material der dpa

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