Fall Lügde: Auch Jugendamt Höxter hatte Hinweise auf Missbrauch

Düsseldorf/Höxter. Im Fall des schweren Kindesmissbrauchs von Lügde hätte neben Dauercamper Andreas V. auch der zweite Haupttäter, Mario S., wohl mindestens eineinhalb Jahre früher gestoppt werden können. Das ist das Ergebnis einer Zeugenbefragung im Landtagsuntersuchungsausschuss. Im Mittelpunkt steht jetzt das Jugendamt im Kreis Höxter.

Die beiden Haupttäter waren im September 2019 wegen des sexuellen Missbrauchs an 33 Kindern zu langjährigen Haftstrafen mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Die Spurensuche im Untersuchungsausschuss bringt noch immer neue erschreckende Details ans Licht. Eine Sozialarbeiterin und eine Teamleiterin beim Kreis Höxter stellten sich jetzt den Fragen.

Die heute 28-jährige Sozialarbeiterin betreute ab Januar 2016 eine alleinerziehende Mutter und deren damals 8-jährige Tochter Marie (Name geändert), deren Bekannter Mario S. war. Der Vater des Mädchens war in 50 Fällen wegen Kindesmissbrauchs verurteilt und inhaftiert worden. Er war ein Freund von Mario S. Dieser habe Marie regelmäßig auf den Lügder Campingplatz eingeladen, mit der Zeit verstärkt Kontakt zu ihr gesucht und versucht, die Vaterrolle einzunehmen. Betreuerin war in großer Sorge

Das meldete die Mutter schließlich im August 2017 mit einem unguten Gefühl ihren Betreuern, berichtete die Zeugin. Wenige Tage später habe das Mädchen einer Betreuerin mitgeteilt, dass sie Mario S. regelmäßig auf den Mund küsse und bei ihm im Bett schlafe. Die Betreuerin teilte mit, dass sie in großer Sorge um das Kind sei.

Daraufhin habe das Höxteraner Jugendamt empfohlen, den Kontakt des Mädchens zu Mario S. zu unterbinden und eine psychologische Anbindung für Marie organisiert, damit sie darüber sprechen konnte. Die Polizei wurde nicht eingeschaltet. Weitere Schritte blieben aus.

Ende Januar 2019, knapp eineinhalb Jahre später, habe die Sozialarbeiterin von der Verhaftung von Mario S. erfahren. Sie habe Marie, zusammen mit einer Kollegin, wegen eines weiteren Hinweises auf sexuellen Missbrauch bereits 2015 in ein Krankenhaus begleitet, so die Zeugin, da eine Schulsozialarbeiterin Auffälligkeiten an dem Kind bemerkt hatte. Ein konkreter Zusammenhang zu sexuellem Missbrauch sei damals nicht hergestellt worden.

Nachträgliche Akten-Veränderung? Im Ausschuss wurde am Mittwochabend dann noch eine weitere Zeugin befragt - die Teamleiterin des Jugendamts. Deren Befragung war selbst um 21 Uhr noch nicht abgeschlossen, bis dahin lief die Sitzung bereits seit sieben Stunden. Die Teamleiterin soll im Verlauf der Zeugenbefragung eingeräumt haben, dass Akten nach Bekanntwerden des Kindesmissbrauchs verändert wurden, hieß es aus dem Ausschuss.

"Das wirft zumindest weitere Fragen im Umgang mit Meldungen zu Kindeswohlgefährdungen in Höxter auf", lautete eine erste Reaktion von SPD-Ausschussmitglied Jürgen Berghahn, Landtagsabgeordneter aus Lippe. Einzelheiten dazu, was in den Akten verändert wurde, waren am Abend noch nicht bekannt.

Der FDP-Landtagsabgeordnete Marc Lürbke aus Paderborn sagte: &bdquo;Hätte man die vorhandenen Informationen über möglichen Missbrauch im Jugendamt intensiver zusammengefügt, wäre den Kindern auf dem Campingplatz womöglich viel entsetzliches Leid erspart geblieben."

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